Extremsportler:"Ideal ist, wenn man mit einem leichten Frösteln läuft"

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160 Kilometer zu Fuß, Temperaturen bis zu minus 40 Grad: Denis Wischniewski hat am kältesten Rennen der Welt teilgenommen. Ein Gespräch.

Fabian Kautz

160 Kilometer zu Fuß, Temperaturen bis zu minus 40 Grad: Das sind die Eckdaten des Yukon Arctic Ultra, des kältesten Rennens der Welt. Der Starnberger Denis Wischniewski, 38, hat Anfang Februar an dem Extremlauf entlang der Grenze zwischen Kanada und Alaska teilgenommen. 36 Stunden nach dem Start in Whitehorse erreichte er als Neunter das Ziel in Braeburn.

"Diese extreme Kälte kann man nicht simulieren": Denis Wischniewski beim Training mit Retriever-Rüde Oskar. (Foto: Markus Greber / oh)

Ein bisschen verrückt muss man schon sein, um sich für so ein Rennen anzumelden, oder, Herr Wischniewski?

Nein. Zur Teilnahme entscheidet man sich ja nicht von heute auf morgen, das ist ein längerer Prozess. Man macht vorher schon ähnlich extreme Dinge. Ich bin zweimal durch eine Wüste gelaufen. Da hat es mich interessiert, wie das in der extremen Kälte ist.

Mit welchem Ergebnis?

Es war sehr viel anstrengender, als in der Hitze zu laufen. Bei der Kälte muss man bei allem, was man während des Laufs tut, extrem überlegen. Kleine Fehler können da bitter bestraft werden.

Zum Beispiel?

Ich habe einen Gaskocher mitgenommen, obwohl man mir davon abgeraten hat. Nachts ist es dann kälter geworden als vorhergesagt, so minus 37 Grad. Da funktioniert kein Gaskocher mehr. Das war ein Problem, weil ich nichts mehr zu trinken hatte und keinen Schnee schmelzen konnte.

Hätten Sie nicht warten können, bis es morgens wieder wärmer wird?

Nein. Ich wollte unbedingt noch in der Nacht ins Ziel kommen, um auf gar keinen Fall irgendwo schlafen zu müssen. Davor hatte ich richtig Angst. Also bin ich die letzten fünf, sechs Stunden auf dem Zahnfleisch ins Ziel gelaufen - ohne etwas zu trinken. Eigentlich bin ich eher getorkelt als gelaufen.

Sie haben überhaupt nicht geschlafen?

Nur in der ersten Nacht. Da habe ich mich vier Stunden hingelegt. Das war ein fataler Fehler, weil ich nicht schlafen konnte. Im Endeffekt hat mich die Pause eher Kraft gekostet.

Haben Sie überlegt aufzugeben?

Nein. Das ist auch nicht so einfach. Wenn was passiert, dann hätte man zwar ein GPS-Gerät mit einem Notknopf, aber das Signal ist sehr unzuverlässig. Bis dann tatsächlich jemand an die Stelle kommt, würden Stunden vergehen.

Und das bei minus 40 Grad. Wie haben Sie sich vor der Kälte geschützt?

Es ist wichtig, dass man mehrere Schichten trägt. Und noch wichtiger ist: Man darf nie schwitzen. Wenn die untere Schicht mal nass ist, dann ist das ein großes Problem. Eigentlich ist es ideal, wenn man mit einem leichten Frösteln läuft.

Und das ist gesund?

Na ja, da gibt es schon Probleme. Ich habe noch immer kleine Erfrierungen an den Fingerkuppen, trotz dicker Handschuhe. Die sind taub. Ich hoffe, das geht in zwei, drei Wochen wieder weg.

Was kann man bei diesen Temperaturen essen?

Ein klassischer Müsli-Riegel ist sehr gut. Der ist zwar auch gefroren aber wenn man da draufbeißt, dann fällt das Getreide auseinander. Energy-Gels sind zähflüssiger, aber essbar. Diese normalen Power-Bar-Riegel dagegen sind tatsächlich gefroren. Am besten sind Trockenobst und Nüsse.

Trockenobst und Nüsse . . . auf die Dauer nicht sehr aufregend.

Deswegen nehme ich mir immer ein Stück Käse oder Wurst mit, das würde ein normaler Marathonläufer natürlich nie machen. Grundsätzlich isst man leider viel zu wenig.

Aber Sie müssen doch Hunger gehabt haben!

Während des Rennens stellt sich kein eigentliches Hungergefühl ein. Das wird eher so eine komplette Schwäche. Außerdem ist es jedes Mal eine riesen Aktion: Handschuhe ausziehen, Reißverschluss auf, in der Tasche wühlen, die Handschuhe wieder anziehen. Irgendwann verzichtet man da lieber drauf.

Hatten Sie Probleme mit der Atmung?

Das ging eigentlich ganz gut. Tagsüber, so bei minus 25 Grad, ist es kein Problem - auch ohne Schutz. Sobald die Sonne weg war, habe ich eine Schutzmaske aus Neopren verwendet.

Wie haben Sie sich auf die extreme Kälte vorbereitet?

Am Wochenende war ich öfter im Ferienhaus meiner Schwiegereltern im Tannheimer Tal - da hatte es ungefähr minus 15 Grad. Diese extreme Kälte kann man aber nicht wirklich simulieren.

Sie sind jetzt durch die Hitze und durch die Kälte gelaufen. Was ist Ihre nächste Herausforderung?

Es gibt dieses Himalaya Stage Race, ein Rennen über sechs Tage, bei dem man jeden Tag auf einem Höhenniveau zwischen 3000 und 5000 Metern läuft. So etwas könnte ich mir schon vorstellen. Das ist sehr reizvoll.

Können Sie eigentlich noch normal Joggen gehen?

Ja, klar. Aber ich freue mich schon, wenn die Berglauf-Saison losgeht. Im Sommer will ich unbedingt am Zugspitz-Ultratrail teilnehmen. Da muss man an einem Tag um die Zugspitze rennen.

Sie werden weitere Extremläufe bestreiten?

Ich bin 38. Bei normalen Marathons ist in dem Alter nicht mehr viel zu holen, aber bei Extrem- und Etappenläufen bin ich regelrecht jung.

Quasi ein Nachwuchsläufer mit Perspektive?

Genau.

© SZ vom 24.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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