Erdings Bezirksliga-Fußballer:Ungeahnte Unmöglichkeiten

Lesezeit: 3 min

"Wir werden alles versuchen, damit Strukturen entstehen": Szene aus Erdings jüngstem Spiel gegen Feldmoching. Am Donnerstag ist Vorstandswahl. (Foto: Renate Schmidt)

Wie so viele Amateurklubs träumte der FC Erding vom schnellen Aufstieg mit ein paar Ex-Profis. Davon geblieben ist ein Platz in der Bezirksliga - und ein Wespennest

Von Sebastian Fischer, Erding

Eines von vielen Problemen sind die Wespen. Eigentlich können im Erdinger Fußballstadion Zuschauer auf einer kleinen Tribüne sitzen, aber zuletzt saß dort niemand, weil in der Ecke Wespen nisten. Silvia Kuhmann, Dritte Abteilungsleiterin beim FC Erding, seufzt: "Glauben Sie, da hat sich jemand gekümmert?"

Der FC, die Fußballsparte des TSV Erding, war im Herbst 2014 eingroßes Thema im bayerischen Amateurfußball. Da war das Team gerade in die Bezirksliga aufgestiegen und verstärkte sich unter anderen mit dem früheren Zweitligaprofi Daniel Jungwirth und Uwe Schlottner, ehemals bei der TSG Hoffenheim. Als Kuhmann damals sagte, der FC werde jetzt zügig zweimal aufsteigen, war das Bild einer neureichen Schnöseltruppe in der Welt. Der FC entkam dann knapp dem Abstieg. Und hat zur Jahreshauptversammlung an diesem Donnerstag noch ein paar Probleme mehr als Wespen auf der Tribüne: Er sucht zum Beispiel einen neuen Vorstand.

Die Geschichte des FC Erding ist eine von großen Zielen, Träumen und tragikomischer Realität. Man könnte sagen: eine ganz normale Amateurfußballgeschichte.

Kuhmann, 54, schulterlanges blondes Haar, Grübchen in den Mundwinkeln, ist eine der Protagonistinnen dieser Geschichte. In der Zeitung wurde sie mal "Mäzenin" genannt. Die Bezeichnung dulde sie nicht, sagt sie und schaut böse, vor ihr in einem Erdinger Lokal steht ein Teller mit Lachs auf dem Tisch. Aber na gut: "Ich bin Sponsorin." Sie führt eine Agentur, "Business & Chillout", Luxus-Shoppingtouren für Touristen in München, Eventorganisation. Sie würde etwas Geld beisteuern, sagt Kuhmann, ganz wenig nur. Dann setzt sich Herrmann Meilinger dazu, Vizepräsident beim TSV und Jugendwart beim FC, und möchte etwas klarstellen: Wie die Frau Kuhmann dem Klub helfe, mit so viel Geld, das sei einfach toll.

FC Erding, das klingt zwar nicht wie FC Bayern, aber immerhin wie der Klub aus der Stadt mit dem Bier aus der Fußballwerbung. Doch die meisten sponsern lieber Eishockey: die Gladiators, Landesliga, wie der FC nur eine Sparte des TSV. Eigentlich, findet Meilinger, müsse sich doch auch die Stadt "für ihren Stadtverein" interessieren, der seit Jahren so gerne groß rauskommen will. Es ist ja nicht so, dass Fußball keinen interessieren würde, sagt zum Beispiel Philipp Bönig, der berühmteste Erdinger Fußballer, der inzwischen wieder hier wohnt. "Die Chancen sind hier immens", sagt er: "Aber." Die Löcher im Rasen vor den Toren sind knöcheltief, der örtliche Footballverein trampelt das Gras kaputt. Von der Stadt sei noch niemand da gewesen, heißt es. Was auch daran liegen könnte, dass es im Vorstand des FC Erding niemanden gibt, der mit der Stadt spricht.

Eigentlich, denkt sich auch Silvia Kuhmann, müsste doch was gehen in Erding. Sie hat sich schon immer für Fußball interessiert, ihr Sohn hat gespielt, in Eichenried war sie Sponsorin. Sie kennt hier einen Ex-Profi und da einen Trainer, "vom Weggehen", sagt sie mit zigarettengeschwärzter Stimme, oder: "durch Kontakte". Doch nach drei Jahren als Sponsorin, Pressesprecherin, Abteilungsleiterin und Irgendwie-schon-auch-Mäzenin sagt sie: "Meine Arbeit fruchtet nicht." Und weil sich auch sonst die Begeisterung für ein Engagement im Vorstand in Grenzen hält, Abteilungsleiter Ralf Sandner sich aus gesundheitlichen Gründen zurückgezogen hat, wird an diesem Donnerstag ein komplett neuer Vorstand gewählt. Was aus den großen Träumen wird, ist nicht ganz klar.

Die vergangene Saison hat Spuren hinterlassen. Die forsch formulierten Ziele und die umkrempelnde Art von Trainer Patrick Irmler haben so manchem missfallen. Es war wie so oft, wenn plötzlich Geld und Ziele da sind: Ein Teil der Mannschaft bekam viel ab und wollte aufsteigen. Der andere bekam weniger und wollte, dass alles bleibt wie früher. Spricht man mit dem damaligen Spielertrainer Irmler, der inzwischen mit Jungwirth und Schlottner wieder beim FC Unterföhring spielt, sagt auch er: "Hier wäre so viel möglich." Aber die Mannschaft sei charakterlich schwach gewesen, Ideen wurden vom Vorstand nicht umgesetzt. Als sie ihn freistellten war er "erleichtert, dass ich weg war."

Auf Irmler folgte Rainer Elfinger, Mittelschulrektor und früher Regionalliga-Coach in Heimstetten. Er sagt: "Wir haben den Ruf repariert." Das Team ist wieder mit einem Ex-Profi verstärkt, Fabian Aupperle kam von der SG Sonnenhof Großaspach, wo der Mäzen mit einer Schlagersängerin verheiratet ist - aus der dritten in die siebte Liga. "Ein Glücksfall", erklärt Elfinger jedoch, kein Großverdiener, Ehrenwort. Genau wie der flinke Angreifer David Williams aus Trinidad und Tobago, der in seiner Heimat professionell Fußball spielte und, mit einem Urlaubsvisum, in München Deutsch lernen soll. Oder der Nigerianer Yemi Oyewole, der schon mal in Kambodscha gespielt hat und in einem Flüchtlingsheim untergebracht war, als er mal beim Training vorbeischaute. Was noch für den Kurswechsel spricht: Zuletzt musste zweimal Ersatztorwart Taygun Yildiz in den Sturm. Er traf. Elfinger sagt: "Wir werden sportlich alles versuchen, damit Strukturen entstehen." Die Mannschaft hat kaum Auswechselspieler, aber seit acht Spielen nicht verloren, und ist Dritter. "Wir sind ein richtiges Team", sagt Kapitän Douglas Wilson. Es sieht gut aus. Eigentlich. Nur um die Wespen hat sich noch immer keiner gekümmert.

© SZ vom 15.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: