Eissport:Von ganzem Herzen

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„Wir setzen uns nach oben keine Grenze“: Charise Matthaei und Maximilian Pfisterer. (Foto: Mario Buehner/imago/GEPA pictures)

Jahrelang fahndete der Münchner Maximilian Pfisterer nach einer passenden Eistanz-Partnerin. In Berlin fand er Charise Matthaei - und eine neue sportliche Heimat. Nun startet das Paar bei der Junioren-WM.

Von Isabel Winklbauer, München

Wie ein olympisches Medaillenwunder im Frühstadium aussieht, kann niemand so genau sagen. Aber es könnte so anfangen: Ein Münchner Eistänzer findet nach langer Suche die perfekte Partnerin, zieht nach Berlin und erreicht mit ihr die internationalen Wettkämpfe, die er immer anvisiert hat. So geht bis hierhin die Geschichte von Maximilian Pfisterer aus Höhenkirchen-Siegertsbrunn.

Der 20-Jährige und seine Partnerin Charise Matthaei, 17, haben eine Einladung zur Junioren-Weltmeisterschaft nach Sofia erhalten. An diesem Mittwoch starten sie mit dem Shortdance, als zweites deutsches Paar nach den Oberstdorfern Ria Schwendinger und Valentin Wunderlich. Schon 2017 hatten sie sich qualifiziert, doch damals gab es keinen zweiten Startplatz. Jetzt ist die Chance da. Und ein Platz unter den ersten 15 das Ziel.

Die Teilnahme an der Junioren-WM ist etwas Besonderes. Nicht nur wegen der Bedeutung des Turniers, sondern weil das Ergebnis ein Gradmesser für die weitere Karriere ist. Die Olympiasieger von Pyeongchang, die Kanadier Tessa Virtue und Scott Moir, holten auf dieser Bühne Bronze, die junge Paarläuferin Aljona Savchenko im Jahr 2000 Gold. "An einem normal guten Tag sind die Top 20 auf jeden Fall drin", sagt Pfisterer, und damit der Start in der Kür. Die Konkurrenz aus Russland, USA und Kanada ist stark. "Trotzdem. Wir setzen uns nach oben keine Grenze." Soll heißen: Ein Top-Ten-Ergebnis wäre ein Traum. Bei den Olympischen Jugend-Winterspielen 2016 wurden Pfisterer und Matthaei Elfte.

Maximilians Vater Peter Pfisterer war ebenfalls Eistänzer, Mutter Michaela Eiskunstläuferin, beide sind heute Trainer im Eis- und Rollsportclub München. "Max stand ungefähr auf dem Eis, als er gerade schön laufen konnte", sagt sein Großvater Erich Kienast. Dass Pfisterer 2015 nach Berlin zog, lag auch an der Suche nach einer passenden Eistanzpartnerin. Als Siebenjähriger hatte er mit dem Sport begonnen. Vier Jahre lang lief er mit seiner Schwester Franziska. Als sie aufhörte, begann der Kandidatinnen-Reigen. "Immer wenn Max sagte, jetzt greifen wir an, verpuffte bei den Damen die Leidenschaft", sagt Großvater Erich, "keine wollte den Sport so intensiv betreiben wie er."

Speed-Dating: Pfisterer inserierte im Internet. Am nächsten Tag brauste Matthaei nach München

Irgendwann sei ihm klar gewesen, sagt Maximilian Pfisterer, dass er aus München weg müsse, wenn es mit dem Eistanzen noch etwas werden soll. Nach dem Abitur inserierte er im Internet, erhielt Angebote aus Japan und Finnland - und fand die damals 14-jährige Berlinerin Charise Matthaei mit ihrem Trainer René Sachtler-Lohse. Jener René Lohse, der mit Kati Winkler in den Neunzigerjahren Erfolge feierte. Charise war nicht wie ihre halbherzigen Vorläuferinnen, sondern preschte schon am nächsten Tag zum Probetraining nach München. Das beeindruckte Pfisterer.

Auch die Rahmenbedingungen in München bewegten ihn zum Umzug. Im Olympia-Leistungszentrum gibt es immer weniger Eiszeiten für die Läufer. Die Regel sind etwa vier Tage pro Woche - Leistungssportler müssen aber drei Mal pro Tag aufs Eis. Seit 2017 fördert die Stadt den Eiskunstlauf als Leistungssport nicht mehr, was die Kosten weiter in die Höhe treibt. "In Berlin ist natürlich auch nicht alles ideal", sagt Pfisterer, "aber es gibt die Eiszeiten, die wir brauchen. Und es ist dort möglich, mit einem größeren Trainerteam zu arbeiten." In München sei es "ein Riesenproblem" gewesen, als seine damalige Partnerin Melina Kufner und er ihre Küren von einem Experten in Bratislava überarbeiten ließen. Es gab Eifersüchteleien. Diese klassische Vormachtstellung eines einzelnen Trainers hält Pfisterer für überholt. Viel besser gefällt ihm das Rezept, mit dem Aljona Savchenko und Bruno Massot mit ihren Trainern Alexander König und Jean Francois Ballester zum Erfolg kamen. "Paare, die ganz vorne sind, haben alle mehrere Trainer", sagt er. "Das besondere Verhältnis, das Läufer früher zum Trainer hatten, liegt heute im ganzen Team. Man kann niemanden mehr ausgrenzen, der als Fachmann einen guten Schliff zum Gesamtkonzept beiträgt." Außer mit Lohse arbeiten sie auch mit dem Oberstdorfer Eistanzprofi Martin Skotnicky zusammen, der zuletzt auch das Goldpaar Savchenko/Massot nach Pyeongchang begleitete. Als Choreografen haben sie seit dieser Saison die Italiener Stefano Caruso und Barbara Fusar Poly.

Ein modernes und doch romantisches Programm, weich und mit schönem Fluss

In Berlin bietet der Olympische Sportbund zudem Sportärzte, Physiotherapeuten, Verletzungshilfe, eine Wohnung und eine Laufbahnberatung. Letztere nimmt Pfisterer dankbar in Anspruch, denn sein Studium der Mechatronik gestaltet sich mit zunehmendem Erfolg immer schwieriger. Vor allem im Wintersemester, das bei ihm "Wettkampfsaison" heißt, schaffe er nur die Hälfte des Pensums seiner Kommilitonen. Die Scheine trudeln im Schneckentempo ein, aber aufgeben will er nicht. Pfisterer sagt: "Angenommen, wir möchten ab unserer ersten Senior-Saison 2019 drei Mal im Leben zu den Olympischen Spielen, dann brauchen wir dafür mehr als zwölf Jahre. Ich bin dann 33. Und dann noch studieren?" Aber hilft ja nix, resümiert Großvater Erich: "Jetzt zählt die Vorbereitung auf die WM."

Korrekturen am Shortdance - zu einer Samba- und Rumbavariante von "Cabaret" - standen zuletzt noch auf dem Plan. Ihren Freedance laufen sie zu Musik aus dem Album "Skyworld" von Two Steps from Hell. Ein modernes und doch romantisches Programm, das sie weich und mit schönem Fluss präsentieren. Dass sie sich kürzlich privat als Paar getrennt haben, hat der Harmonie auf dem Eis nicht geschadet. Sollten Maximilian Pfisterer und Charise Matthaei an diesem Mittwoch nicht nur einen guten, sondern einen richtig guten Tag haben, könnte eine weitere olympische Geschichte ihren Anfang nehmen.

© SZ vom 07.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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