Eishockey:Achterbahn auf dem Teich

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"Wir haben uns wahrscheinlich ein bisschen zu gut gefühlt": Der Tölzer Markus Eberhardt (li.) und Bietigheims Dreifach-Torschütze Alexander Preibisch liefern sich ein Extra-Duell an der Bande. (Foto: Hansjürgen Britsch/Imago)

Die Tölzer Löwen verlieren ein wildes Eishockeyspiel nach mehreren Wendungen mit 7:8 Toren in Bietigheim - damit endet ihre Siegesserie. Das Spiel zeigt, dass ihre Reserven trotz der Weihnachtspause aufgebraucht sind. Zeit zur Erholung gibt es nicht, am Montag geht es gegen die Bayreuth Tigers.

Von Christian Bernhard, Bad Tölz

Wie jeder Eishockey-affine Kanadier, also nahezu jeder Kanadier, hat auch Kevin Gaudet viele gute Erinnerungen an das gute alte pond hockey, das Zocken und Spielen auf einem zugefrorenen Teich oder See. Am zweiten Weihnachtsfeiertag erinnerte sich der Trainer der Tölzer Löwen an diese Zeit zurück, da bei der wilden 7:8-Niederlage seiner Mannschaft bei den Bietigheim Steelers die Abwehrarbeit nicht wirklich im Fokus stand. "Das war pures Teich-Eishockey", betonte Gaudet. "Hauptsache Tore, keine Defensive."

Vorwürfe wollte er seiner Mannschaft, die zuvor sechs Siege in Serie gefeiert hatte, obwohl sie phasenweise nur mit acht Stürmern und fünf Verteidigern auflaufen konnte, aber keine machen. Den Löwen ging in Bietigheim schlicht die Kraft aus. "Wir sind wirklich am Ende", betonte Gaudet, "die Batterie war leer."

Der Trainer, der mit Bietigheim sechsmal das DEL2-Endspiel erreicht hatte, hatte gehofft, dass die kurze Pause über Weihnachten seinen überspielten Akteuren helfen würde. Aber er merkte schon im Training vor der Bietigheim-Partie, dass die Spieler langsam waren und "viele Fehler" machten. In Sachen Defensivarbeit setzten sich die Fehler dann auch im Spiel fort. Anders als für die Zuschauer, die am Fernseher tolle Unterhaltung geboten bekamen, sei es für ihn als Trainer "ganz hart anzuschauen" gewesen, wie er bemerkte.

Bietigheims Trainer Daniel Naud spricht von einem "Achterbahn-Spiel": Nach knapp 17 Minuten steht es schon 3:3

Bereits nach knapp 17 Minuten war klar, dass dieses Spiel kein normales werden würde. 3:3 stand es da schon, die Löwen hatten bereits einen Zwei-Tore-Rückstand wett gemacht. Doch das war nur der Anfang in dem "Achterbahn-Spiel", wie Bietigheims Trainer Daniel Naud es treffend beschrieb. Nicht einmal 90 Sekunden nach Beginn des Mitteldrittels führten die Tölzer nach Reid Gardiners zweitem Treffer plötzlich mit 5:3, zu Beginn des Schlussdrittels lagen sie 5:7 zurück.

Ein kompletter Einbruch nach den vielen Strapazen der vorherigen Wochen hätte zu jenem Zeitpunkt wohl nur wenige überrascht, doch die Löwen kamen noch einmal zurück. Max French, der auch im siebten Spiel in Serie traf, und Doppel-Torschütze Lubor Dibelka glichen zum 7:7 aus. Erst Alexander Preibischs dritter Treffer knapp vier Minuten vor dem Ende besiegelte die turbulente Löwen-Niederlage. Niklas Heinzinger war da bereits im Krankenhaus. Der Tölzer Verteidiger hatte im Mitteldrittel einen Schlittschuh abbekommen, der tiefe Cut wurde genäht, der 20-Jährige konnte noch am selben Abend die Heimreise antreten.

"Ich habe mich ekelhaft gefühlt, als hätte ich 20 Kilogramm zugenommen", sagt der Tölzer Markus Eberhardt nach seiner vierwöchigen Corona-Pause

"Wir haben uns wahrscheinlich ein bisschen zu gut gefühlt", sagte Markus Eberhardt am Sonntag rückblickend, "und das ist die größte Gefahr bei einer Siegesserie." Der Plan, sicher und solide zu spielen, war in Bietigheim schon nach wenigen Minuten hinfällig. "Wir haben Leichtsinnsfehler gemacht", erklärte der 26-Jährige. Eberhardt betonte, dass er kein Fan von Ausreden sei, aber auch er kann nicht von der Hand weisen, dass es wohl nur eine Frage der Zeit war, bis der Faktor Müdigkeit die Löwen mal erwischen würde. "Nach einer gewissen Zeit muss man vielleicht auch mal anerkennen, dass es mit 13 oder 14 Feldspielern einfach auch mal nicht mehr machbar ist, was rauszureißen", sagte er.

Eberhardt war einer der zahlreichen Tölzer Spieler, die aufgrund des Coronavirus lange aussetzen mussten. Vier Wochen lang konnte er nicht trainieren, "eine Katastrophe", sagte er. "Ich habe mich ekelhaft gefühlt, als hätte ich 20 Kilogramm zugenommen." Erst am 22. Dezember, beim 6:3-Heimsieg gegen sein ehemaliges Team aus Heilbronn, gab er sein Comeback - und hatte große Anlaufschwierigkeiten. "Extrem schwer" sei es gewesen, es fühlte sich "einfach komisch" an, erzählte er. "Ich hatte keinen Kopf, voll auf das Spiel konzentriert zu sein. Um es krass zu sagen: Ich musste einfach darauf achten, dass ich nicht über meine eigenen Beine falle."

Dass er dann in Bietigheim gleich in seinem zweiten Spiel nach der langen Pause zwei Drittel lang als Stürmer auflief, ehe er nach Heinzingers Ausfall wieder in die Verteidigung rückte, sorgte für "Chaos im Kopf". Bei der Rhythmusfindung tat ihm sein Einsatz als Angreifer aber gut, da er läuferisch mehr gefordert war und eine größere Belastung hatte. Im Training am Sonntag fühlte er sich schon wieder besser, auch der "Spielwitz, den ich davor nicht hatte, war wieder da", berichtete er.

Der ist bereits an diesem Montag wieder gefragt, wenn die Löwen zu Hause auf die Bayreuth Tigers treffen (19.30 Uhr). "Unsere Priorität muss sein, sicher zu spielen", erklärte Eberhardt, der dann wieder von Anfang an in seine Verteidigerrolle schlüpfen soll. Wie wichtig das sein wird, deuteten auch die Bayreuther am 26. Dezember an. So wie die Tölzer erzielten auch sie sieben Treffer - gewannen aber 7:2 gegen Bad Nauheim.

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