DFB-Pokal in Forstern:Vorbild für die Männer

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Die Fußballerinnen des FC Forstern leisten mit kleinen finanziellen Mitteln Großes - am Sonntag trifft der Regionalliga-Aufsteiger im DFB-Pokal auf Niederkirchen.

Von Raphael Späth, Forstern

0:9. Eigentlich ist das nichts, auf das man stolz sein kann. Neun Gegentore vor heimischem Publikum, deklassiert, so lässt es das Ergebnis vermuten. Für die Spielerinnen des FC Forstern war dieses 0:9 im November trotzdem das Spiel ihres Lebens. Denn die Gegentore erzielten nicht etwa Ligakonkurrentinnen aus Neu-Isenburg oder Alberweiler, sondern Nationalspielerinnen wie Alexandra Popp und Anna Blässe vom VfL Wolfsburg. "Wolfsburg ist das Nonplusultra im deutschen Frauenfußball", schwärmt Julia Deißenböck noch heute. "Für uns Amateursportler war das ein Wahnsinn und definitiv ein Karrierehighlight."

Gut 2500 Zuschauer strömten damals in das kleine Stadion der 3000-Seelen-Gemeinde - es war das mit Abstand größte Spiel in der Vereinsgeschichte, bestätigt Hans-Jürgen Lukschanderl, sportlicher Leiter der FC-Fußballerinnen. "Wir waren letztes Jahr die einzige Amateurmannschaft, die es im DFB-Pokal ins Achtelfinale geschafft hat. Innerhalb von 20 Stunden waren alle Tickets weg, das Stadion war quasi auf einmal restlos ausverkauft."

Dass ein so kleiner Verein wie der FC Forstern ins Achtelfinale des DFB-Pokals vorstößt, hat auch bei den Frauen Seltenheitswert. Vor fünf Jahren spielten sie noch in der Landesliga Süd, dann folgte der steile Aufstieg - inzwischen kickt Forstern in der Regionalliga, der dritthöchsten Spielklasse im deutschen Frauenfußball. Das Geheimnis: Ein gefestigter Mannschaftskern, der hin und wieder durch vielversprechende Talente aus der eigenen Jugend ergänzt wird. "80 Prozent unserer Spielerinnen kommen aus der eigenen Jugend", erzählt Lukschanderl. Ohne eine starke Jugend würde es der FC Forstern aber auch kaum schaffen, sich langfristig oben zu etablieren. "Der Aufwand ist enorm", weiß auch Cheftrainer Thilo Herberholz. "Wenn wir zu Auswärtsspielen nach Frankfurt reisen, muss der Verein für alle Unkosten aufkommen, von Hotelübernachtung bis Platzmiete. Wenn man jetzt nicht wie im letzten Jahr ins Pokal-Achtelfinale kommt, ist der Frauenfußball für unseren Verein ein Minusgeschäft."

Die Gender Pay Gap, die bei der Fußball-WM vor gut zwei Monaten Dauerthema war, beschäftigt die Frauen auch in den unterklassigen deutschen Ligen. Während Männer in der dritten Liga Vollprofis sind und ihren Lebensunterhalt mit Fußball verdienen, sind alle Frauen im Kader des FC Forstern voll berufstätig. Nur der Cheftrainer erhält eine kleine Aufwandsentschädigung, die man allerdings kaum als Gehalt bezeichnen kann - Herberholz arbeitet als Schulleiter. "Die Prämien im DFB-Pokal sind so gering, dass man von einer Teilnahme finanziell eigentlich überhaupt nicht profitieren kann. Eine Herrenmannschaft verdient im Pokal-Achtelfinale sechsstellige Beträge - wir haben ungefähr 2500 Euro bekommen." Der finanzielle Aspekt ist für die Mannschaft aber nicht das ausschlaggebende Kriterium: "Sportlich und als Verein profitieren wir vom DFB-Pokal natürlich sehr. Der FC Forstern ist inzwischen auch auf nationaler Ebene bekannt", sagt Herberholz.

"Die Damen sind das Aushängeschild des FC Forstern, das haben auch die Herren schon zugegeben", ergänzt Hans-Jürgen Lukschanderl. Allerdings wird es schwer, die Ergebnisse der vergangenen Jahre auch in dieser Saison wieder zu bestätigen. "Das zweite Jahr nach einem Aufstieg ist oft das schwerste, weil wir keine Unbekannten mehr sind und die Aufstiegseuphorie aus dem Vorjahr verflogen ist", weiß auch Julia Deißenböck. Die 24-Jährige ist eine der Führungsspielerinnen des FC Forstern, war sowohl am Aufstieg als auch am Erfolg im DFB-Pokal in der Vorsaison maßgeblich beteiligt. "Unser klares Ziel in diesem Jahr ist der Klassenerhalt, deshalb hoffen wir auf einen guten Start in der Liga." Bevor es dort ernst wird, steht den Frauen am Sonntag aber das nächste Highlight bevor: Aufgrund eines weiteren unerwarteten Erfolgs im bayerischen Landespokalfinale gegen den 1. FC Nürnberg qualifizierte sich Forstern in dieser Saison erneut für den DFB-Pokal. In der ersten Runde trifft der Klub im 1. FC Niederkirchen dabei auf einen alten Bekannten - im Vorjahr hatte man den ehemaligen Bundesligisten in der zweiten Runde überraschend 3:1 geschlagen. "Ich denke, dass die Chancen dieses Mal bei 50:50 stehen", sagt Spielmacherin Deißenböck. Vor einem Jahr sicherte sie mit einem Doppelpack das Erreichen des Achtelfinales gegen den VfL Wolfsburg.

In dieser Saison hat das Team auch den Heimvorteil auf seiner Seite - für die Partie am Sonntag rechnet der Verein mit bis zu 600 Zuschauern. "Für uns ist es etwas ganz Besonderes, wieder im DFB-Pokal dabei zu sein", erzählt Trainer Herberholz. "Das ist für die Spielerinnen eine große Form der Wertschätzung, weil sie die auf anderen Ebenen, beispielsweise der finanziellen, überhaupt nicht bekommen." Sollten die Frauen des FC Forstern am Sonntag wieder gegen Niederkirchen gewinnen, winkt erneut ein attraktives Los in der zweiten Runde. Vielleicht gibt es sogar die Chance auf eine Revanche gegen den VfL Wolfsburg. Ein 0:9 wird dann aber vermutlich nicht mehr auf der Anzeigetafel stehen.

© SZ vom 03.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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