DEL-Viertelfinale:"Noch singen wir"

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Tonangebender Turm: Auf Jan Urbas ruhen Bremerhavens Hoffnungen – München, wo er ein Jahr spielte, führt im Playoff-Viertelfinale 3:1. (Foto: foto2press/imago)

Vor dem fünften Playoff-Duell führt Titelverteidiger München 3:1. Außenseiter Bremerhaven gibt sich aber nicht geschlagen.

Von Christian Bernhard, München

Das erste Drittel war zu Ende, doch Jan Urbas lag rücklings auf dem Eis der Eisarena Bremerhaven und hielt sich seine rechte Hand. Der Angreifer der Fischtown Pinguins war nach einem Schuss in der letzten Sekunde über Michael Wolf gefallen und unglücklich aufgekommen. Als der Schiedsrichter sich nach ihm erkundigte, signalisierte Urbas mit einem Kopfnicken: Alles gut.

Es macht immer Eindruck, wenn ein 1,92 Meter großer Zwei-Zentner-Mann krachend zu Boden geht. Bei Urbas schaute das Bremerhavener Publikum am Mittwochabend ganz genau hin, denn der Slowene ist der personifizierte Hoffnungsträger der Pinguine vor dem fünften Playoff-Viertelfinalspiel an diesem Freitag (19.30 Uhr, Olympia-Eisstadion) in München. Der Außenseiter muss beim EHC Red Bull München gewinnen, sonst steht der Titelverteidiger in der Deutschen Eishockey Liga vorzeitig im Halbfinale.

Keiner repräsentiert die Leidenschaft der Norddeutschen mehr als der 29-jährige Stürmer aus Ljubljana. "Er ist ein Spielertyp, wie wir ihn lieben", sagt sein Trainer Thomas Popiesch. "Er macht immer zu hundert Prozent seinen Job, nicht nur offensiv, auch nach hinten." Und er geht immer da hin, wo es weh tut. Im Dezember sah Urbas aus wie ein Häuptling auf dem Kriegspfad, mit Platzwunden unter beiden Augen - egal. That's Hockey.

Bremerhavens Manager Alfred Prey kommt ins Schwärmen, als er am Donnerstag auf der 800 Kilometer langen Busfahrt nach Bayern über Urbas spricht. Wie der Nationalspieler "auch im gegnerischen Drittel die Scheibe behaupten kann, ist bemerkenswert", sagt Prey. "Er sucht immer den direkten Weg zum Tor und ist auch noch immens torgefährlich, ein Power Forward der alten Schule." Urbas sei ein "Glücksgriff" für die Pinguine: "Zusammen mit unserem Kapitän Mike Moore ist er einer der Leuchttürme, die bei uns in der Kabine den Ton angeben." 21 Tore hat Urbas in der Hauptrunde geschossen, dann erzielte er in der Verlängerung von Spiel zwei der Pre-Playoffs gegen Iserlohn den Treffer zum Viertelfinale. "Er hat die Erwartungen in dieser Saison übererfüllt", sagt Prey. Auch der EHC München hat seine Qualitäten schon zu spüren bekommen. Urbas scorte in jedem der vier Viertelfinalduelle: zwei Tore, drei Vorlagen.

Vor vier Jahren trug Urbas selbst noch das Münchner Trikot. 2013/14 spielte er unter Pierre Pagé für den EHC. Urbas scorte nicht schlecht (acht Tore, zwölf Vorlagen), doch glücklich wurde er in der bayerischen Hauptstadt nicht. "Ich kenne nicht alle Geschichten", sagt Thomas Popiesch, "aber ich weiß, dass er nicht zurechtgekommen ist." Nach nur einer Saison verließ Urbas Bayern Richtung Österreich.

In München hat sich seitdem viel verändert. Vom damaligen Team ist nur noch Yannic Seidenberg übrig. Die Zeit beim EHC sei dennoch wichtig für Urbas gewesen, sagt Prey. Er hat den mehrmaligen Olympia- und WM-Teilnehmer, 2016 wertvollster Spieler der B-WM für Slowenien, lange beobachtet. Von einem Wechsel aus Villach nach Bremerhaven überzeugte er ihn mit dem Versprechen, "dass er hier bei uns eine zentrale Rolle spielen kann".

Das Umfeld des kleinsten DEL-Standorts tat das Übrige. "Er hat etwas gesucht, was etwas familiärer ist und damit seiner Mentalität entspricht", erzählt Prey. Der Plan ging auf. Urbas hat kürzlich seinen Vertrag mit den Pinguins bis 2020 verlängert. "Meine Familie und ich fühlen uns einfach wohl", sagt Urbas. "Die Leute sind nett und die Fans sind großartig." In Bremerhaven drehe sich "wirklich alles" um den Eishockeysport.

Damit das noch ein paar Tage länger so bleibt, müssten Urbas und seine Teamkollegen am Freitag den zweiten Playoff-Auswärtssieg in München einfahren. Nicht mit dabei wird Jason Bast sein. Der Angreifer war am Mittwoch von Keith Aulie mit einem Bandencheck aus dem Spiel genommen worden. Der EHC-Verteidiger kassierte dafür eine Spieldauerstrafe, ist aber wieder einsatzberechtigt. Basts Verlust dagegen sei dramatisch, sagt Prey, "er ist einer unserer zentralen Spieler." Es wird also noch mehr auf Urbas ankommen, wenn Bremerhaven das "Unmögliche" schaffen will. Abgeschlossen haben die Norddeutschen mit der Serie aber noch nicht. "Das Theater ist erst zu Ende, wenn die dicke Dame nicht mehr singt", sagt Prey. "Und noch singen wir."

© SZ vom 23.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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