Dachau/SC Prinz Eugen:Vom Wasser in die Luft

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Schwimmerin Victoria Kothny will einmal Pilotin werden

Zeit für ein Foto mit Victoria Kothny. In der Schwimmhalle der Willy-Brandt-Gesamtschule im Hasenbergl. Die 15-Jährige ist im Wasser, zieht kraulend ihre Bahnen. Sehr konzentriert. Mit Schwimmbrille, Ohrenstöpsel und kleinem Schnorchel. Den Blick immer zum Beckengrund. Mit dem Foto ist es daher so eine Sache. Denn Victoria nimmt die Außenwelt praktisch nicht wahr.

Die Schwimmerin stammt aus Dachau und entdeckte schon als Kleinkind die Freude am nassen Element, damals noch beim Schwimmverein Dachau. Sportlich reüssierte sie zuerst in einem anderem Metier: beim Turnen. Sie erwies sich als begabte Boden- und Geräteturnerin beim TSV Dachau 1865, wurde sogar in den Landeskader berufen. Doch Turnen plus Schwimmen plus Schule - Victoria geht aufs Ignaz-Taschner-Gymnasium - das war des Guten zu viel. Von den beiden Musikinstrumenten, Querflöte und Klavier, die sie erlernt, einmal abgesehen. Schließlich entschied sie sich für den Schwimmsport. Seit November 2012 trainiert die Dachauerin beim Münchner Klub SC Prinz Eugen. Mit bemerkenswerten Erfolgen. Vergangenes Jahr wurde sie Süddeutsche Jahrgangsmeisterin über 100 Meter Rücken. Heuer erreichte die 14-Jährige bei den offenen - das heißt alle Altersklassen umfassenden - Deutschen Meisterschaften das B-Finale über 200 Meter Rücken und wurde Gesamt-Zwanzigste. Mit ihren dabei erzielten 2:21,67 Minuten führt sie die deutsche Jahrgangsbestenliste an. Über 50 und 100 Meter Rücken ist Victoria Bayerns Beste und unter Deutschlands Top Five.

Im April hatte das Multitalent Pech: Im Sportunterricht zerrte sie sich den linken Oberschenkel, eine mehrwöchige Pause war die Folge. Dennoch kämpfte sich Victoria wieder an die deutsche Spitze heran, unter der Anleitung ihres Trainers Elvir Mangafić. Der 54-jährige Bosnier ist weit herumgekommen in der Welt des Schwimmsports, war einst sogar Nationaltrainer im untergegangenen Jugoslawien.

Anfang Juni holte sich Victoria Kothny bei den Deutschen Jahrgangs-Meisterschaften eine Silbermedaille über 200 Meter mit einem bravourösen Auftritt im B-Finale. Das A-Finale hatte sie verpasst, weil ihr Oberschenkel schmerzte und vielleicht, weil sie die Aufgabe zu vorsichtig angegangen war. So setzte sie im B-Finale alles auf eine Karte und durchpflügte die vier Bahnen in 2:22,40 Minuten. Die A-Final-Siegerin war nur 48 Hundertstel schneller. Und auch über die 100 Meter Rücken setzte Victoria ein Zeichen: Sie drückte ihre persönliche Bestzeit auf 1:06,15 Minuten und wurde Vierte.

"Victoria ist ein ganz großes Talent, ein ungeschliffener Diamant", sagt Mangafić. "Sie will lernen und arbeitet immer sehr konzentriert." So wie in diesem Moment, als sie perfekt wendet. Aber was wird mit dem Foto? Der Coach zückt eine sehr große und sehr laute Pfeife. Die Schwimmerin hebt irritiert den Kopf und paddelt dann zum Beckenrand. Jetzt klappt's. Ein Interview mit Foto! Das ist neu und macht ihr offensichtlich Spaß. Auch im echten Leben will sie Neues entdecken und plant ein weiteres Element für sich erobern - die Luft. "Ich will Pilotin werden", sagt sie. "Vorne im Cockpit zu sitzen und vor sich nur der freie Himmel und die Wolken - das stelle ich mir herrlich vor." Victoria Kothny, 15 Jahre alt, strebt ein Leben zwischen Wasser und Himmel an. Mal sehen, was sie dazwischen noch erreichen wird.

© SZ vom 13.06.2015 / kram - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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