Connollystraße:Unvergessliche Sätze

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Dreispringer James Brendan Connolly ging als erster Olympiasieger der Neuzeit in die Geschichte ein. Mit seinem Namen verbunden ist aber auch der schrecklichste Moment der Spiele 1972.

Von Dietrich Mauersberg, München

Es liegt gewiss nicht an der Weite von 13,71 Metern, dass der amerikanische Dreispringer James Brendan Connolly sowohl einen Ehrenplatz in der olympischen Historie bekommen hat als auch eine nach ihm benannte Straße im Münchner Olympiapark. Entscheidend ist vielmehr die Tatsache, dass er mit dieser Leistung 1896 im ein Jahr zuvor restaurierten Panathenäischen Stadion von Athen der erste Olympiasieger der Neuzeit geworden ist. Der letzte antike Gewinner und damit irgendwie auch sein Vorgänger war der Faustkämpfer Varazdates aus Armenien.

Mit den Stars and Stripes: Der US-Amerikaner James Connolly, erster Olympiasieger der Neuzeit, 1896 in Athen. (Foto: imago)

Die Dreisprung-Regularien waren damals ein wenig offener ausgelegt als heute. Während nach aktuell gültigen Regeln Absprung und darauffolgende Landung auf dem identischen Fuß erfolgen müssen und danach ein Fußwechsel bei der nächsten Landung obligatorisch ist, durften damals die ersten beiden Sprungfolgen mit jeweils demselben Bein absolviert werden. Bilder zeigen, dass der US-Amerikaner im Gegensatz zu den beiden weiteren Medaillengewinnern die immer noch aktuelle Hop-Step-Jump-Variante gewählt hat.

Die Connolly gewidmete Straße führt durch das olympische Dorf und die Münchner Studentenstadt. (Foto: Florian Peljak)

Der Münchner Richard Kick, 1972 bis '74 deutscher Meister mit einer Bestleistung von 16,27 Meter, wusste gar nicht, nach wem die Straße benannt worden ist: "Ich traue mir keine Schätzung zu, wie weit er heute springen würde, da damals wohl auf einer Aschenbahn mit schwarzer Erde gesprungen wurde und sich die Trainingsmethoden und der Untergrund doch stark verändert haben. Aber es ist schon eine gewaltige Leistung gewesen."

Dreisprung-Gold war aber nicht die einzige Medaille, die Connolly in Athen abstaubte: Zu Buche steht weiterhin Silber im Hochsprung mit überquerten 1,65 Meter, wobei die Athleten nicht wie heute auf Schaumstoffmatten landeten, sondern nach dem damals üblichen Schersprung bei der Landung mit den Füßen auf dem Erdboden aufgekommen sind. Um den Medaillensatz zu komplettieren, sicherte sich Connolly im Weitsprung auf der Aschenbahn beim Sieg seines Landsmanns Ellery Harding Clark (6,35 Meter) mit 5,84 Metern Bronze.

Original und künstlerische Überhöhung: James Brendan Connolly, 1896 in Athen erster Olympiasieger der Neuzeit, in Öl als Motiv für die amerikanische TV-Miniserie "The First Olympics: Athens 1896". (Foto: Mary Evans / imago)

Connolly studierte an der Harvard University, erhielt indes keine Erlaubnis, nach Athen zu reisen. Doch damit wollte er sich nicht abfinden: kurzerhand ließ er sich exmatrikulieren und trat dem kleinen, aber feinen Suffolk Athletics Club in Boston bei. Doch der Verein und damit auch Connolly hatten bald ein gewaltiges Problem: Der Kassenstand sagte, dass für den Europa-Trip lediglich 250 der dafür nötigen 325 Dollar aufgebracht werden konnten. Die Rettung nahte in Gestalt zweier offensichtlich sportbegeisterter Priester der St. Augustine's Church. Die organisierten flugs einen Kuchenverkauf, der 90 Dollar einbrachte, sodass die begehrte Schiffskarte doch erworben werden konnte. Nach dem Ende seiner Leistungssportkarriere wurde Connolly Journalist. Und für einen akademischen Titel hat es am Ende trotz des abgebrochenen Studiums dann auch noch gerecht. Im Jahr 1949 verlieh die Harvard University dem schon über Achtzigjährigen nicht zuletzt aufgrund seiner sportlichen Meriten die Ehrendoktorwürde. 1957 starb er in New York.

Als die Connollystraße 1971 nach dem Dreisprung-Ass benannt wurde, konnte niemand ahnen, dass sie ein Jahr später Schauplatz eines Verbrechens werden sollte. In der Hausnummer 31 befand sich das Appartement der israelischen Olympia-Mannschaft - also jenes Haus, in dem am 5. September palästinensische Terroristen zwei jüdische Sportler erschossen und neun weitere als Geiseln nahmen. Die Entführung endete in einem Blutbad am Fliegerhorst in Fürstenfeldbruck. Die bis dato heiteren Spielen - so das damalige Motto - wurden unterbrochen, ehe der damalige IOC-Präsident Avery Brundage verfügte: "The Games must go on."

Später gab es Stimmen, die dafür plädierten, in Hausnummer 31 ein Friedenszentrum einzurichten. Doch die Stadt entschied nicht zuletzt aufgrund von Protesten der Anwohner, das Gebäude der Max-Planck-Gesellschaft für Physik zu schenken, die es seitdem als Gästehaus für Forscher nutzt. Am Eingang weist eine Gedenktafel auf das Schicksal der Getöteten hin. Die Straße führt unter freiem Himmel vom Helene-Mayer-Ring über den Kusocinskidamm bis zur Straßbergerstraße. Die Straße ist auch unterirdisch für Autofahrer zugänglich, die Anfahrt verläuft über die Lerchenauer Straße. Bemerkenswert: Die farbigen "Media Lines", ein auf Stelzen verlaufendes Rohrsystem des österreichischen Architekten Hans Hollein, dienen als Wegweiser. Westlich der Straße befindet sich die Zentrale Hochschulsportanlage, im Norden der Nadisee, der im Sommer zum Baden und in kalten Wintern zum Eislaufen einlädt. Obwohl Connolly ein viel gelesener Autor von Seemannsgeschichten war, ist es aber wohl nur ein Gerücht, dass die Verantwortlichen den Standort der Connollystraße aufgrund des nahegelegenen Gewässers ausgewählt haben.

© SZ vom 05.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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