Clickball-DM:Virtuos mit Sandpapier

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In einer seltsamen Sportart bezwingt die Tischtennisspielerin Eva-Maria Maier die meisten Männer. Bei den deutschen Meisterschaften wird sie Fünfte

Von Andreas Liebmann, Schwabhausen

Die Videospots im Internet sehen höchst professionell aus, in gleißendem Scheinwerferlicht sieht man vor großen, dunklen Tribünen Athleten, die in Superzeitlupe zu Rockmusik Bälle übers Netz jagen; es sind Bilder von der jüngsten Weltmeisterschaft im Alexandra Palace in London, wo auch die alljährliche Dart-WM inszeniert wird. Im Januar 2016 wird dort der nächste Weltmeister in dieser Sportart gesucht, die ehrlicherweise kaum ein Mensch kennt. "World Championship of Ping Pong" steht in der Ankündigung, in Deutschland firmiert das Ganze unter dem Namen Clickball. Und beinahe wäre Eva-Maria Maier vom TSV Schwabhausen mit dabei gewesen.

Die 19-jährige Erstliga-Tischtennisspielerin ist am vergangenen Sonntag ins Viertelfinale gekommen bei den dritten deutschen Clickball-Meisterschaften in Erfurt. Das ist eine sehr erstaunliche Leistung, denn Frauen und Männer treten in derselben Konkurrenz an. Als Siegerin des bayerischen Qualifikationsturniers in Gaimersheim im Juli hatte sie sich gegen alle Männer durchgesetzt. Doch nur die ersten beiden der deutschen Meisterschaften qualifizierten sich für London. "Schade, ich wäre schon gerne dabei gewesen", sagt Maier, "andererseits ist es wirklich nur ein Gag."

Clickball kommt ihr entgegen: Eva-Maria Maier, hier mit normalem Schläger. (Foto: Niels P. Joergensen)

Ein Gag allerdings, bei dem starke Spieler mitmachen. Zweitligaprofi Alexander Flemming, Nummer eins des TV Hilpoltstein und zweimal deutscher Doppelmeister, stand Anfang 2015 im WM-Finale, "The Flash" wird er hier genannt, er unterlag einem Engländer. In Gaimersheim war Maier erstmals dabei, sie besiegte unter anderem ihren Freund Calin Covaciu, Nummer zwei des Schwabhauser Regionalliga-Teams. Oder Daniel Demleitner, einst Erstliga-Aufsteiger mit dem TSV Gräfelfing.

Wie das geht? Im normalen Tischtennis hätte es der zierliche Teenager in solchen Duellen ungleich schwerer, doch Clickball setzt auf Chancengleichheit - indem jeder Spieler den gleichen, vom Veranstalter gestellten Schläger benutzt, beidseitig jeweils mit Sandpapier beklebt anstelle moderner, hochgezüchteter Gummibeläge. Covaciu sei eines Tages mit zwei solchen Schlägern aufgetaucht, erzählt Maier, er hatte von der vergangenen WM mitbekommen, die auch im Fernsehen lief. "Wir haben dann ein bisschen geübt."

Das empfiehlt sich auch, denn Clickball setzt viele Automatismen der Tischtennisprofis außer Kraft. "Man muss sich viel mehr anstrengen und jede Bewegung genau überlegen, man muss sie länger machen", berichtet Maier, "man kann den Schläger nicht einfach nur hinhalten. Er verzeiht auch keine Fehler." Wenig Effet ist nur möglich, die Aufschläge müssen eher schnell und platziert kommen als kurz und verzwickt. Maiers Vorteil ist, dass sie im richtigen Tischtennis-Leben mit zwei kurzen Noppenbelägen spielt, die ebenfalls weniger auf Rotation setzen. "Da kommt mir Clickball schon entgegen", weiß sie. Schon beim bayerischen Turnier waren die WM-Organisatoren auf die junge Schwabhauserin aufmerksam geworden und drückten ihr fortan die Daumen. "Es machen noch nicht viele Frauen mit", weiß Maier, sie wäre da wohl ein gutes Zugpferd gewesen. Auf Geschichten wie solche habe "die Nation schon so lange gewartet", übertreibt der Erfurter DM-Organisator Jürgen Leu auf seiner Homepage maßlos - er will Clickball in Deutschland publik machen.

In Erfurt schaffte es Maier dann bis ins Viertelfinale eines 64er-Felds, dort unterlag sie dem langjährigen Regionalligaspieler Sven Brockmüller 15:10, 12:15, 12:15. "Sicher kommt Clickball ihrer Spielweise entgegen, das sind ihre Bewegungen", sagt ihr Vereinstrainer Alexander Yahmed, "nichtsdestotrotz musst du das erst mal so gut spielen. Das ist schon großer Sport."Auch für Covaciu war im Viertelfinale Schluss.

Für Eva-Maria Maiers Auftritt hatte die gesamte Erstligamannschaft einen Umweg von 120 Kilometern in Kauf genommen. Schwabhausen hatte nämlich am Samstag ein Gastspiel in Bad Driburg, östliches Nordrhein-Westfalen. Dort war es weniger gut gelaufen. Sie selber habe "leider gar keine Chance" gehabt gegen Sarah de Nutte, berichtet Maier, Christina Feierabend war beim 1:3 gegen Katharina Michajlova nur etwas näher an einer Chance. Zum wiederholten Mal war ein 0:2-Rückstand aus den Doppeln richtungsweisend, und als Yang Ting gegen Driburgs Chinesin Shi Qi chancenlos blieb, war die Partie weitgehend gelaufen. Yang und Chantal Mantz bezwangen jeweils die Jungnationalspielerin Nina Mittelham, die an Trainingsrückstand litt. Davon war Yahmed weit weniger angetan als von Maiers Leistungen mit dem Sandpapier.

© SZ vom 06.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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