Billard:Rockstars beim Mäusemelken

Lesezeit: 3 min

10:6 im "Spiel der Spiele": Zwei Siege gegen die Nachbarn aus Fürstenfeldbruck machen für Dachau den Weg zur deutschen Poolbillard-Meisterschaft frei

Von Patrick Dirrigl, Dachau

Arnold Schwarzeneggers Gesicht ist vom Kampf gezeichnet. Blut läuft über Stirn und Wangen. Langsam hebt er seine Waffe, richtet sie auf seinen Feind. Kurz bevor der steirische Muskelberg in Ledermontur abdrückt, spricht er folgenden Satz: " Hasta la vista, Baby!" Sein österreichischer Akzent, gepaart mit einer maschinenhaften, ausdruckslosen Mimik, haben diesen Spruch und den ganzen zweiten Terminator-Film ("Tag der Abrechnung") Anfang der Neunziger zum Kult gemacht.

Ralf Souquet sah nicht ganz so Furcht einflößend aus. Auch hielt er am Sonntagabend keine Heckler&Koch in der Hand, sondern ein Billard-Queue. Sein Gegner hieß Harald Stolka, die beiden hatten sich lange duelliert. Doch nun, kurz bevor er die beiden letzten Kugeln sicher versenkte, drehte er sich zu seinem Kontrahenten um, und ihm kam just dieses Zitat über die Lippen. Dann vollendete er die Partie zum 10:6-Gesamtsieg für den BSV Dachau im "Spiel der Spiele", dem doppelten Derby in der Poolbillard-Bundesliga gegen den BSV Fürstenfeldbruck. Souquet jubelte. Seine erste Partie gegen den Tschechen Roman Hybler hatte er noch verloren.

Leicht war es nicht: Brucks Philipp Stojanovic etwa bezwang den Weltranglisten-17. David Alcaide. (Foto: Toni Heigl)

Durch die beiden 5:3-Siege von Samstag und Sonntag sicherte sich Dachau zum dritten Mal jenen Wanderpokal, der seit fünf Jahren für das Duell mit den Nachbarn ausgelobt ist. Selbst für Souquet, der zahllose Titel bei Welt- und Europameisterschaften gesammelt hat, ist dieses Derby "einmalig". Mehr als 250 Zuschauer, die meisten davon waren Dachaus "Pooligans", feuerten beide Klubs am Sonntag fast sieben Stunden lang lautstark an. Unter den Fans der Fürstenfeldbrucker, die tags zuvor Heimrecht hatten, waren gar einige aus der Schweiz angereist, die mit einer Kuhglocke Lärm machten.

"Dieses Wochenende war der Idealfall für uns: Wir haben zwei schwere, knackige Spiele gewonnen", ordnete Dachaus Vorsitzender Andreas Huber den Erfolg ein - Verfolger Oberhausen war in Hamburg derweil nur ein 4:4 gelungen. Dachau thront also an der Bundesliga-Spitze. Mit 21 Punkten nach acht Partien beträgt der Vorsprung auf den zweitplatzierten BC Oberhausen nun vier Punkte. Bis zum Ende der Saison sind es allerdings noch sechs Spiele - also kein Grund zur übertriebenen Freude bei Huber. "Wir haben jedes Spiel einen Katastrophen-Druck." Da sein Team "die Spitze des Eisbergs" in Billard-Deutschland sei, spiele jeder Gegner mit einer Portion Extra-Motivation gegen die Dachauer. "Jeder will uns unbedingt schlagen."

Auf zwei Tribünen verfolgen Dachaus Fans am Sonntag den zweiten Sieg ihres Teams gegen Fürstenfeldbruck (re. unten Dachaus Landrat Stefan Löwl). (Foto: Toni Heigl)

Dies galt vor allem für den BSV Fürstenfeldbruck. Vor diesem Derby-Wochenende lag er mit zwölf Punkten in Schlagdistanz zu den Dachauern, hätte mit zwei Siegen vorbeiziehen können. Jetzt sind die Brucker Vierte, zwei Zähler vor Platz sechs.

Huber vergleicht seinen BSV gerne mit dem FC Bayern, denn Dachau stellt den mit Abstand stärksten Kader der Bundesliga - nur eben im Billard. Neben "Kaiser" Souquet, der seit 2011 Teil der American Hall of Fame des Poolbillards ist, startet auch der Österreicher Albin Ouschan, der aktuell an Nummer drei der Weltrangliste steht und 2015 dieses Ranking der World Pool-Billiard Association (WPA) anführte, für den BSV. In Mario He, David Alcaide und Manuel Ederer stehen drei weitere Athleten im Team, die allesamt - Letztgenannter im Juniorenbereich - mit Europameistertiteln dekoriert sind.

Tabellenführung, renommiertester Kader Deutschlands, vielleicht sogar Europas: Alles top, oder? "Wir operieren hier in Dachau hart am Limit. Irgendwann geht uns wegen 15 000 oder 30 000 Euro die Luft aus", befürchtet Andreas Huber. "Das liegt nicht an der Stadt oder dem Landkreis Dachau, die unterstützen uns prima." Seine fast 20 Jahre als BSV-Vorsitzender bezeichnet er gerne als "Mäusemelken": Statt voller Milchkannen fielen von Sponsoren nur Tröpfchen für seinen Verein ab. "Viele Leute unterstützen uns mit materiellen Gütern." Die ganze Licht- und Musiktechnik für die Derby-Show hat er von einem großen Veranstalter gestellt bekommen. "Das Problem ist, dass uns kein Unternehmen mit Geld unterstützen will."

"Der Ralf ist in Asien ein Rockstar", sagt Huber. "Und bei uns hier heißt es: 'Was, ihr spielt Bundesliga?' Das ist zum Verrücktwerden." Der Rockstar selbst schlägt in die gleiche Kerbe: "Billard wird in Deutschland leider etwas stiefmütterlich behandelt. Auf den Philippinen, in Taiwan und China ist das ein Volkssport." Ouschan, der 2015 die China Open gewonnen hat, verdeutlicht, wie populär Billard in Asien ist: "Wenn in China ein Turnier über eine Woche stattfindet, kommt man auf 200 Millionen TV-Zuschauer." Deutschland und Österreich seien eben "einfach Fußball-Länder." Das einzige, was die Dachauer beeinflussen können, ist ihre eigene Leistung. Am Ende dieser Saison soll der dritte deutsche Meistertitel stehen. Der letzte Spieltag, der Tag der Abrechnung, ist auf den 8. Mai terminiert.

© SZ vom 19.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: