Billard-Erstligist Dachau:Ein Meister als stille Reserve

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"Momentan eines der heißesten Eisen": Bei den Austrian Open hat Sebastian Ludwig kürzlich auch Dachaus Spitzenspieler hinter sich gelassen. (Foto: EPBF/DM/oh)

Billard-Erstligist Dachau drängt auf den Titel. Für die neue Saison hat er Sebastian Ludwig verpflichtet. Der ist nationaler Champion im 10-Ball, doch eine Einsatzgarantie bei seinem neuen Klub gibt es dafür nicht

Von Ralf Tögel, Dachau

Es lasse sich aushalten, sagte Andreas Huber. Er saß in St. Johann an einem Swimmingpool. Urlaub. Hauptsächlich zumindest. Denn im Tiroler Leukental, zwischen Wildem Kaiser und Kitzbüheler Horn, fand vor einigen Tagen auch die Europameisterschaft der Senioren im Poolbillard statt. Christian Dingler war dabei, er spielte in St. Johann für Deutschland - und ansonsten in Dachau für den dort ansässigen Billardsportverein. Huber wiederum ist Trainer und Präsident des BSV Dachau, er leitet den Landesstützpunkt in Dachau, war jahrelang Bundestrainer und ist der wohl bekannteste Billard-Funktionär, den die Republik zu bieten hat. Vielleicht auch der streitbarste, aber dazu später mehr.

Es hat sich also gut verbinden lassen, erzählte Huber, ein paar Tage mit der Familie auszuspannen und nebenbei seiner Leidenschaft nachgehen. Also erholte er sich, betreute Dingler und pflegte Kontakte. Huber ist ein nimmermüder Netzwerker, auch in St. Johann kennen ihn alle, "ich war so oft als Bundestrainer hier", erzählte er, es sei schon fast so, als ob er nach Hause komme. Natürlich ist er auch in der European Pocket Billiard Federation (EPBF), dem europäischen Pool-Verband, bestens vernetzt, die Senioren-EM war eine gute Gelegenheit, die Kontakte aufzufrischen. Es gibt da dieses Gerücht, dass die EPBF eine Champions League im Poolbillard plant, da will der Präsident des nicht nur nach seiner Meinung wichtigsten deutschen Klubs natürlich vorne dabei sein. Außerdem plant Huber eine neue Billardschule, im Herbst soll es so weit sein, mehr will er noch nicht sagen, ungelegte Eier.

Der BSV Dachau ist Hubers Geschöpf, er hat ihn zu dem gemacht, was er heute ist: den wohl schillerndsten Bundesligisten der Nation. Und er feilt weiter an seiner Mannschaft, die prominente Namen zu bieten hat wie keine zweite. Für die neue Saison kann er bereits einen neuen Namen vermelden, der zwar nicht ganz so klingend ist wie die ersten Fünf der abgelaufenen Saison, aber Sebastian Ludwig ist aktueller deutscher Meister im 10-Ball und Nationalspieler. Und er stand kürzlich erstmals bei den Austrian Open, einem Turnier der Eurotour, auf dem Treppchen, als Dritter.

Vor dem Spanier David Alcaide, dem Österreicher Mario He und der deutschen Billard-Legende Ralf Souquet. Alle drei sind Topspieler mit zig internationalen Erfolgen, alle spielen für Dachau in der Bundesliga. Sogar Albin Ouschan landete bei den Austrian Open hinter Ludwig, beim Heimspiel des Österreichers, der seit seinem Sieg bei den China Open die Nummer eins der Welt ist. Auch Ouschan spielt für Dachau, doch der atemberaubende Aufstieg des 24-jährigen Österreichers könnte Ludwigs Chance sein. "Er weiß natürlich, dass er eine Stammplatzgarantie nur für die zweite Mannschaft hat", sagt Huber über den Zugang, die Reserve ist in der dritthöchsten Klasse, der Regionalliga, notiert. Aber wer weiß, wie oft Ouschan in der neuen Saison Zeit für die Bundesliga hat, wenn er auf den Topturnieren in der ganzen Welt unterwegs ist - was ungleich lukrativer ist. Dann aber hätte Huber in Sebastian Ludwig "Top-Ersatz für die Bundesliga". Allein dass ein Spieler seines Kalibers sich trotz solch lauer Aussichten dem BSV Dachau anschließt, zeigt dessen Anziehungskraft.

Ludwig ist auch ein Signal der Dachauer an den wenig geliebten Verband. Denn der hat in der vergangenen Saison die Sonderregelung gekippt, dass in der Bundesliga mit mehr als zwei Ausländern gespielt werden darf. Deshalb kam der Spanier Alcaide nicht zum Einsatz, der BSV verzichtete auf ihn, er hatte die weiteste und damit teuerste Anreise. Die Österreicher He und Ouschan standen meist am Tisch, bei den entscheidenden Spielen war gar kein Dachauer Spitzenspieler dabei, weil die Deutsche Billard Union den Spieltag nicht verschieben wollte, obwohl die BSV-Cracks bei den gleichzeitig stattfindenden Weltmeisterschaften starteten. "Das hat uns die deutsche Meisterschaft gekostet", sagt Huber immer noch verärgert, er hält das für eine Retourkutsche des Verbands auf seine ständige Kritik. Huber verpasst selten eine Gelegenheit, die DBU und deren Präsidenten Michael John zu kritisieren: "Gute Freunde werden wir nicht mehr, nicht in diesem Leben."

Mit Ludwig jedenfalls sind die Dachauer breiter aufgestellt, sollte es wieder derlei Schwierigkeiten geben. Denn der zweite Platz in der Meisterschaft ist für Dachau eigentlich zu wenig, das soll in der kommenden Saison korrigiert werden. Ludwig könnte dabei behilflich sein, er habe sich "in den vergangenen eineinhalb Jahren still und leise zum Topspieler entwickelt", sagt Huber, "er spielt sehr erfolgreich Turnier-Billard und ist damit momentan eines der heißesten Eisen". Es gibt vielleicht eine weitere Option, erzählt der Dachauer Präsident. Für Ausländer, die lange in einem Verein spielen, soll es eine Ausnahmeregelung geben, mit der sie zusätzlich in der Bundesliga spielen dürfen. Huber denkt dabei an Alcaide. "Bekommen werden wir sie sowieso nicht", sagt er. "Beantragen werde ich sie trotzdem." Der Verband muss sich dann damit beschäftigen, sagt Huber. Er lacht.

© SZ vom 18.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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