Bezirksliga-Serie:Integrationsfaktor

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Der SV Neuperlach plant den Landesliga-Aufstieg - und kämpft gegen Vorurteile in der einstigen Vorzeige-Trabantenstadt im Münchner Süden. Zugleich leistet er seinen Beitrag mit viel Jugendförderung und Integrationsprojekten.

Von Raphael Weiss, München

Fast 50 Jahre ist es her, als die ersten Vereinsmitglieder Steine von einem Sportplatz aufklaubten und die ersten Tore eigenhändig zusammenzimmerten. Am 2. Juni 1969 gründete eine Nachbarschaftsinitiative den SV Neuperlach, damit es in der neu entstandenen Trabantenstadt einen Sportverein gibt. Sein Ziel war "die Pflege und Förderung des Sports, insbesondere des Jugendsports". Seitdem hat sich viel getan. Aus dem SVN ist einer der größten Vereine Münchens geworden. Und das Zuhause ist nicht mehr ein steiniger Fußballplatz, sondern ein großer, weißer Würfel mit Glasfassade: der Sportpark, die neue Herzkammer des Klubs.

"Dieser Sportpark ist die Grundlage dafür, dass das hier alles überhaupt möglich ist", sagt Norbert Kreitl, der Ehrenvorsitzende des Vereins, und meint damit die Entwicklung der ersten Mannschaft in den vergangenen Jahren. Gemeinsam mit Bernhard Klemm, dem Abteilungsleiter Fußball, und Teammanager Norbert Vogl sitzt er im Bistro des Sportparks, hinter ihnen, räumlich getrennt durch eine dicke Glasscheibe, hangeln sich Jugendliche an der neuen Kletterwand entlang. Neben ihm an der Wand hängt ein Trikot von Nicola Sansone, dem wohl berühmtesten ehemaligen Neuperlacher, der aktuell vom FC Villarreal an den FC Bologna ausgeliehen ist.

"Wir sind ein großer Breitensportverein, anders kann ein Münchner Verein sonst nicht erfolgreich Fußball spielen. Die Landvereine um München haben große Sponsoren, in München selbst fehlt das total", sagt Kreitl. Vor fünfeinhalb Jahren spielte der SVN noch in der Kreisliga. Damals entschied der Vorstand, ein ehrgeiziges Projekt anzugehen, das bald Realität werden könnte: "Wir wollen in die Landesliga. Das ist das Ziel", sagt Klemm.

In Nebojsa Stojmenovic verpflichtete der Verein damals einen Trainer, der beim FC Phönix, auf den man am Sonntag beim Restrundenauftakt trifft, sieben Jahre lang in der Bezirksliga gearbeitet hatte. Und der das Wissen und die Spieler für das Projekt mitbrachte: "Die Spieler sind teilweise auch wegen ihm gekommen", sagt Teammanager Vogl und fügt an: "Er hat einen großen Anteil an der Entwicklung." Allerdings weicht Stojmenovic im Sommer dem neuen Trainer Florian Lanz, der zurzeit noch den FC Deisenhofen II trainiert.

Vor der Saison hatte der Verein die Meisterschaft als Ziel ausgegeben. Und daran hält der Vorstand auch nach 18 Spielen fest, auch wenn es schwierig wird, das zu erreichen. Denn der Aufsteiger SV Bad Heilbrunn marschiert durch die Liga. Mit 15 Siegen und nur zwei Niederlagen hat die Überraschungsmannschaft bereits elf Punkte Vorsprung auf den Zweitplatzierten aus Neuperlach. "Die haben sich bisher keine Blöße gegeben, aber wir haben auf jeden Fall noch Hoffnung. Ansonsten gehen wir halt durch die Relegation", sagt Vogl.

Die Relegation ist aber alles andere als beliebt, denn die Vereine wissen dadurch erst spät, welches Budget sie für welche Liga brauchen, welche Spieler und welche Vorbereitungsgegner. Der Vorstand fährt dennoch zweigleisig. Kreitl ist sich sicher, dass die Mannschaft gut genug ist, um einen möglichen Gegner aus der Landesliga in den entscheidenden Spielen zu schlagen: "Die letzten Jahre zeigen, dass gerade die Mannschaften aus der Bezirksliga Süd gute Karten haben."

Der Verein ist mittlerweile eine Institution in Neuperlach. Doch wie das Viertel hat auch der SVN noch immer mit Vorurteilen zu kämpfen. "Mich ärgert es, dass wir bei manchen Menschen so einen schlechten Ruf haben. Dabei wird bei uns Disziplin und Korrektheit großgeschrieben", sagt Klemm. Auch der Stadtteil habe völlig zu Unrecht einen schlechten Ruf. Besonders die Jugendförderung und Integration funktioniere besser als anderswo. Der Verein leistet seinen Beitrag, auch mit einem Integrationsteam für Geflüchtete. Deshalb bekam er unter anderem den Bayerischen Integrationspreis (2012) und den Sportintegrationspreis der Stadt München. Er ist zudem einer der wenigen Klubs in München, die Ausbildungsplätze anbieten.

Einen von ihnen sollte Alex Napel bekommen. Der 23-Jährige kam aus dem Senegal nach Deutschland, schloss die Realschule ab und wollte sich beim SVN zum Sport- und Fitnesskaufmann ausbilden lassen. Doch die Gesetze verboten es Napel. "Ich habe deswegen sogar dem Innenminister Herrmann einen Brief geschrieben: Eine 08/15-Antwort habe ich erhalten. Wir mussten den Vertrag wieder zurückgeben", klagt Kreitl. Zumindest gab es ein kleines Happy End: "Zum Glück konnte er eine andere Ausbildung machen, zum Altenpfleger." Jetzt ist Napel eine der Stützen des Teams und soll helfen, dass der SVN diese Saison den Aufstieg schafft.

Wann die Relegationsspiele stattfinden, das hat Vogl noch gar nicht so genau nachgeschaut. Sicher ist allerdings schon jetzt: vor dem 2. Juni. Dann wird der SV Neuperlach 50 Jahre alt. Dieser Anlass könnte kaum schöner sein, um in die Landesliga aufzusteigen.

Bisher erschienen: SV Dornach (7.2.), SC Unterpfaffenhofen-Germering (14.2.), SV Waldperlach (21.2.), SC Baldham-Vaterstetten (28.2.), FC Finsing (6.3.), FC Hertha München (8.3.)

© SZ vom 12.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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