Beachvolleyball-Masters:Sand im Kopf

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In Freising setzen sich die Favoriten durch. Derweil hat Top-Talent Lukas Pfretzschner aus Dachau aufregende Wochen vor sich: Zunächst geht es zur U-21-WM nach China, dann wechselt er an den Stützpunkt in Berlin.

Von Sebastian Winter, Freising

Lukas Pfretzschner hätte es gerne auf den Center Court geschafft, den die Helfer des Ausrichters SC Freising neben dem Einkaufszentrum in Freisings Nordstadt aufgebaut hatten. Und der das Festival Freising Beach sportlich umrahmte, samt Wasserrutsche und Hüpfburgen, die zumindest am ziemlich sonnigen Samstag rege genutzt wurden. Der Sonntag war dann eher durchwachsen, Schauer durchzogen die Finalspiele des einzigen Beachvolleyball-Masters in der Region. Die Favoriten setzten sich durch: Das topgesetzte Duo Florian Schweikart und Lennart Kroha (Augsburg-Hochzoll/Zirndorf) rang im spannenden Männer-Endspiel die Vaterstettener Dominik Metzger und Marco Vogel in drei Sätzen nieder, bei den Frauen ließen Lohhofs an zwei gesetzte Zwillingsschwestern Kathrin und Kristin Standhardinger der Freisinger Lokalmatadorin Romy Hagn und ihrer Kemptener Partnerin Nina Gleich beim 2:0-Sieg keine Chance.

Pfretzschner aber hatte sich schon am Samstag aus dem Turnier verabschiedet - auf einem Nebenplatz des SC Freising, in Isarnähe. "Wir hatten Spaß, die Leistung sei mal dahingestellt", sagte er etwas zerknirscht, sein Dachauer Interimspartner Dominic von Känel geißelte sich selbst: "Man merkt, dass ich nichts mehr tue."

Das ist überwältigend, ich kann das erst so richtig fassen, wenn ich im Flieger sitze."

Man darf dieses Turnier, das das Duo auf Platz 13 beendete, nicht als Maßstab für Pfretzschners Leistungskurve nehmen. Sein eigentlicher Partner Vincent Graven musste verletzt absagen, von Känel hat seine Beachvolleyball-Karriere eigentlich längst beendet - er ist mittlerweile bayerischer Landestrainer. Währenddessen macht sich Lukas Pfretzschner, dieser 17-jährige Volleyballer des ASV Dachau, nun auf den Weg in Richtung Profisport, als eines der größten deutschen Talente im Sand und in der Halle. Im vergangenen Jahr ist der junge blonde Mann mit Robin Sowa aus Bitterfeld U-18-Europameister geworden, und in einer Woche darf er ganz unverhofft nach China reisen. Zur U-21-Weltmeisterschaft der Beachvolleyballer, für die er nachnominiert wurde, weil sich ein anderer Junior verletzt hatte. "Das ist überwältigend, ich kann das erst so richtig fassen, wenn ich im Flieger sitze", sagt Pfretzschner, seine Augen leuchten in Freising nun ein wenig, "ich bin ja viel jünger als die anderen."

Pfretzschner hat zugleich in den letzten beiden Jahren einen gewaltigen Entwicklungssprung gemacht, was auch von Känel bestätigt, sein Interimspartner, Jugendtrainer, Ratgeber und Kumpel. "Er ist in den Himmel geschossen", sagt von Känel, der schon vor ein paar Monaten betont hatte: "Lukas ist zu gut für die Mannschaft und das Umfeld hier." In Dachau durfte Pfretzschner zwar die starke Jugend durchlaufen und gewann mit ihr zwischen 2013 und 2015 drei DM-Titel - das Männerteam spielt zurzeit allerdings "nur" in der dritten Liga. Profisport kann der ASV seinen Toptalenten nicht bieten, und auch keine kombinierte Ausbildung von Beach- und Hallenvolleyball. Deswegen zieht Pfretzschner Ende August von Dachau nach Berlin an den Bundesstützpunkt. Alleine. Gedanken über mögliches Heimweh macht er sich noch nicht, auch weil er gar keine Zeit dazu hat. "Ich freue mich auf die drei Jahre dort. Auch wenn mein Kopf gerade voller anderer Dinge ist." In drei Jahren macht der angehende Elftklässler in der Hauptstadt dann voraussichtlich sein Abitur.

Die Entscheidung, bald aus seiner Heimat wegzuziehen, ist Lukas Pfretzschner nicht leicht gefallen. Er erinnert sich noch gut daran, wie er daheim mit seinen Eltern am Tisch saß und Pros und Contras gegenüberstellte. "Ich gehe ja von meiner Mannschaft weg, von meinen Freunden, der Familie. Aber es ist die beste Entscheidung für mich, um Schule und Leistungssport zu verbinden." In Berlin wird Pfretzschner mit der Kaderschmiede VC Olympia von Herbst an in der zweiten Liga spielen, im nächsten Sommer liegt der Fokus dann auf Beachvolleyball. Im Winter Halle, im Sommer Beach, diese Schwerpunkte sollen so bleiben, doch irgendwann muss sich Pfretzschner für eine der beiden Varianten entscheiden. Denn wer Profi in der Halle ist, kann nicht zugleich auch noch Profi im Sand sein. Aber es ist noch Zeit, es geht nun erst einmal um Akklimatisierung. Sein Ziel ist aber klar: Nationalmannschaft, egal wo.

Dass Pfretzschner, dessen jüngerer Bruder Simon auch zu Dachaus größten Talenten zählt, diesen Schritt machen kann, basiert nicht nur auf dem enormen Leistungsschub. Denn der junge Mann mit der gewaltigen Sprungkraft, im Sand Abwehrexperte, in der Halle Außenangreifer mit starker Annahme, hat auch im mentalen Bereich große Fortschritte gemacht - dank sportpsychologischer Hilfe. "Wenn er früher schlecht war, hat Lukas die Schuld auch mal seinem Partner zugeschoben", sagt von Känel. Das macht Pfretzschner mittlerweile nicht mehr. An diesem Montag reist er nach Hamburg, ein Lehrgang, dann nach China, quasi jede Woche in eine andere Stadt. Ein rastloses Leben ist das - neu, aufregend. Lukas Pfretzschner gefällt es. Und seine Freunde in Dachau? "Die kann ich dann ja in den Ferien besuchen."

© SZ vom 03.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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