Bayernliga-Relegation I:Weit weg

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Einer gegen alle: Freisings James Joseph erzielte zwar sein 29. Saisontor, es war aber zu wenig. Wie es mit dem Stürmer weitergeht, ist ungewiss. (Foto: Marco Einfeldt)

Freising scheitert nach einer 2:4 Niederlage und einem 3:3-Remis klar an Kirchanschöring und muss den Weggang von Topstürmer James Joseph beklagen.

Von Christoph Leischwitz, Freising

"Am Samstag", so hatte James Joseph gesagt, "werden wir gewinnen." Trotzig hatte sich der Angreifer des SC Eintracht Freising angehört am vergangenen Mittwochabend, denn er fand, dass man völlig zu Unrecht das erste Relegationsspiel 2:4 verloren hatte. Und nun, Samstagabend beim Rückspiel in Kirchanschöring, sah es lange so aus, als sollte der Nigerianer Recht behalten. Alles funktionierte so, wie es in der Landesligasaison oft funktioniert hatte: Joseph erzielte das 1:0 (23.), sein 29. Saisontor, Alexander Hohlenburger erzielte das 2:0 (35.), sein 30. Saisontor. Zur Halbzeit fehlte nur noch ein Treffer.

Die Bayernliga-Träume waren nach der Pause recht schnell und endgültig ausgeträumt: Kirchanschöring drehte das Spiel, unter anderem mit einem sehenswerten Fallrückzieher von Özgür Kart (61.) zum zwischenzeitlichen 2:2, der Ball sprang von der Latte ins Netz und entzückte die knapp 600 Zuschauer, die schon vorher Relegationsstimmung verbreitet hatten. Freising erzielte kurz vor Schluss noch per Foulelfmeter (86.) den 3:3-Endstand. Dass die Gäste nie aufgaben, könnte sich nun für den nächsten Gegner der Kirchanschöringer, den BCF Wolfratshausen, positiv auswirken: SV-Keeper Dominic Zmugg sah vor dem Strafstoß von Florian Schmuckermeier für sein Foul die rote Karte. Zmugg ist nun erst einmal gesperrt.

Der Endstand beider Spiele lautete also 5:7, ein Ergebnis, das klar die Stärken und Schwächen Freisings aufzeigt. Für Tore sind sie immer gut, nicht weniger als 81 hatten sie bis zum 34. Spieltag geschossen. Aber auch viel zu leicht Gegentore kassiert. Hinzu kommt eine Standardschwäche: "Acht der letzten zehn Gegentore fielen nach Standards", sagte Abteilungsleiter Georg Appel. Insgesamt habe man sich indes "ehrenhaft verkauft". Aber auch erkennen müssen, dass man von der Bayernliga schon noch "einen Tick weit entfernt ist".

Für Freisings Stürmer James Joseph aus Nigeria kommt Martin Schön - aus Kammerberg

Im Hinspiel hatte James Joseph, stets einer der Auffälligsten, den Freisingern nicht helfen können. Ein ums andere Mal dribbelte er sich im Zentrum fest, das Flügelspiel lag lange brach. Ohne seine Schnelligkeit wirkt das Spiel der Mannschaft von Trainer Alexander Plabst sehr schnell statisch. Eine Armblessur aus dem Spitzenspiel gegen Türkgücü, das man ebenfalls wegen vermeidbarer Gegentore verloren hatte, habe ihn noch ein wenig behindert. Freisings Torgefährlichkeit blitzte dann gegen Ende der Partie nochmals auf, als Kirchanschöring begann, sich auf dem 4:0-Polster auszuruhen. Die Freisinger bekamen die Räume, die sie brauchen.

Wenn es in Kirchanschöring noch geklappt hätte mit dem kleinen Wunder, würde sich allerdings die Frage stellen, wie groß das Wunder sei muss, um im Falle eines Aufstiegs in der Bayernliga auch bestehen zu können. Das Duell gegen Kirchanschöring hatte offenbart, dass es Freising schwerfällt, ausschließlich mit spielerischen Mitteln zu bestehen - oder gar mit Ballbesitzfußball einen Rückstand wettzumachen. Und was würde die Mannschaft tun, wenn sie im Sommer ihren wohl wichtigsten Spieler verliert, auf den das Spiel zugeschnitten ist? Denn Joseph wird in der kommenden Saison aller Voraussicht nach nicht mehr für Freising spielen.

Der Nigerianer ist nach wie vor Asylbewerber. Eine langfristige Zukunft in Deutschland erscheint unwahrscheinlich, auch wenn Christen wie der 22-jährige Joseph in Teilen Nigerias verfolgt werden oder in Konflikte verwickelt sind. Er hat keine Arbeitserlaubnis, zurzeit lebt Joseph in Zorneding. Wenn er nicht trainiert oder spielt tut er: "gar nichts", wie er sagt. So könne es nicht weitergehen.: "Fußball ist meine Karriere", sagt der Stürmer, aber: "Ich muss höher spielen." Denn nur auf diesem Wege sei es möglich, eine Aufenthaltsgenehmigung zu erlangen. Hochklassig spielen könne er ja nach eigenem Bekunden, Joseph glaubt sogar: "in jeder Liga". In Nigeria und im Niger habe er bereits in der ersten Liga gekickt, obwohl er zu dieser Zeit noch sehr jung war. Erst 2015 kam er über Polen nach Deutschland.

Für einen Regionalligisten ist der formale und finanzielle Aufwand enorm, um einem Spieler wie Joseph einen Arbeitsvertrag vorzulegen. Der eine oder andere Amateurklub in der Region schreckt aufgrund negativer Erfahrungen mit Behördengängen vor diesem Schritt zurück - obwohl gute Stürmer allerorten gefragt sind. Es müsste schon ein Profiklub sein, der sich mit hauptamtlichen Mitarbeitern um die vielen Formalitäten kümmern kann. Etwa so, wie es mit dem syrischen Flüchtling Mohamad Awata bei 1860 München gelang.

Im Juni, so schätzt Joseph, wird er Deutschland vermutlich verlassen. Wohin, das weiß er noch nicht. Freising, in den vergangenen Jahren meist eine Spitzenmannschaft in der Landesliga, wird es weiter versuchen mit dem Aufstieg. Der 26-jährige Hohlenburger spielte an der Seite von Joseph seine bislang beste Saison. Doch Joseph wird künftig von Martin Schön ersetzt, der kommt vom Bezirksligisten SpVgg Kammerberg. Es sei, so sagt Appel, womöglich ein bisschen viel verlangt, dass er den Vorgänger eins zu eins ersetzen könne.

© SZ vom 28.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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