Bayernliga-Relegation:Ab nach Hamburg

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Die Wege trennen sich: Wolfratshausens Trainer Marco Stier (rechts) verabschiedet sich nach seinem letzten Spiel von Kapitän Angelo Hauk. (Foto: Harry Wolfsbauer)

BCF Wolfratshausen ist auch im Rückspiel gegen Kirchanschöring chancenlos und steigt in die Landesliga ab. Trainer Stier zieht zurück in seine norddeutsche Heimat.

Von Christian Bernhard, Wolfratshausen

Das große Trösten begann schon früh. Aleksandar Spehar fasste sich in der elften Spielminute an die Rückseite seines rechten Oberschenkels, wenige Minuten später war die Partie für den Verteidiger des BCF Wolfratshausen schon vorbei. Bei seiner Auswechslung wurde er von seinen Mitspielern getätschelt, ehe ihn Trainer Marco Stier umarmte. Auf dem Weg in die Kabine, den er oberkörperfrei mit hängendem Kopf beschritt, versuchte ihn auch BCF-Vorstand Manfred Fleischer aufzumuntern.

Spehar war der erste von vielen Farchetern, der am Samstagnachmittag eine Seelenmassage benötigte. Nach der zweiten 1:4-Niederlage gegen den SV Kirchanschöring innerhalb von vier Tagen war klar, dass das Bayernliga-Gründungsmitglied nach sechs Jahren in dieser Spielklasse nächste Saison in der Landesliga antreten muss. Die dritte Relegation in den letzten fünf Jahren wurde dem BCF zum Verhängnis - im Isar-Loisach-Stadion feierten die zahlreichen, gelb gekleideten Gäste-Anhänger, die sogar eine Handkurbelsirene mitgebracht hatten.

1:4 und 1:4: die letzte Relegationsrunde war nicht "schönzureden", sagte der spielende Co-Trainer Michael Rödl: "Kirchanschöring war deutlich besser." Ohne die verletzten Offensiv-Säulen Jona Lehr und Marian Knecht fehlte dem BCF im alles entscheidenden Spiel komplett jenes offensive Selbstverständnis, das ihn während der Saison immer wieder ausgezeichnet hatte. "Wir konnten die Qualität von Jona und Marian nicht kompensieren", erklärte Rödl, insgesamt sei die Offensive am Samstag "nicht Bayernliga-reif" gewesen.

Von Beginn an misslang es dem BCF, die körperlich starken Gäste unter Druck zu setzen. Daran änderte auch nichts, dass der Sportliche Leiter Onur Misirlioglu seinen Spielern in einer orangefarbenen Ordner-Weste vom Spielfeldrand aus immer wieder Tipps gab. Der vor der Partie proklamierte Glaube an die Aufholjagd war nicht zu erkennen. Auf dem Feld war es ruhig und auch der emotionale Stier saß, den Kopf in seine Hand gestützt, meist regungslos auf der Bank. Bis auf die Chancen von Kapitän Angelo Hauk (20.) und Timon Hummel (41.) war vom BCF offensiv kaum etwas zu sehen, mit Özgür Karts 1:0 für die Gäste (44., Elfmeter) war die Entscheidung im Prinzip schon gefallen. Zu Beginn der zweiten Halbzeit war sie es auch de facto. Innerhalb von sechs Minuten erhöhten Yasin Gürcan (50.) und Kart (55.) auf 3:0, die Kirchanschöringer Party war nun im vollem Gang. Der Gäste-Anhang ließ es sich auch nicht nehmen, Hauk nach dessen Ehrentreffer (80.) mit "Angelo, Angelo"-Sprechchören zu feiern. Für den Abschluss sorgte Maximilian Streibl, der passend zum Kirchanschöringer Festtag per Hacke zum 4:1 traf (85.).

Während die Gästespieler mit ihren Fans feierten, verabschiedete Fleischer die scheidenden Spieler Hauk, Knecht, Torhüter Alexander Heep und Andrej Skoro sowie Trainer Stier. Knecht, dessen Wechsel zum FC Pipinsried schon vor der Relegation feststand, bekam für seine 26 Saisontore eine Torjägerkanone. Stier wollte sich auch nach dem letzten Saisonspiel nicht öffentlich äußern - die internen Differenzen scheinen immer noch nicht ausgeräumt zu sein. Nur wenige Stunden später war Stiers Zeit in Wolfratshausen endgültig zu Ende, mit einem Umzugs-7,5-Tonner machte er sich noch am Sonntag mit seiner Familie auf den Weg in seine Hamburger Heimat. Stier habe es in Wolfratshausen sehr gut gemacht und "auch in dieser Saison alles gegeben", sagte Fleischer.

Für den BCF beginnt nun ein neues Kapitel. "Wir werden jetzt versuchen, etwas frisches aufzubauen", sagte Rödl. Stiers Nachfolger wird der ehemalige Profispieler Philipp Bönig. Rödl wird auch unter dem 38-Jährigen als Co-Trainer arbeiten: "Wir haben ähnliche Spielideen und setzen viel auf Disziplin, was dieses Jahr etwas gefehlt hat", sagte er. Der Abstieg sei natürlich bitter, "aber vielleicht auch die Chance, sich in der Landesliga neu zu strukturieren", erklärte Stürmer Jona Lehr. Junge Spieler könnten so womöglich leichter Fuß fassen, wodurch man "vielleicht gestärkt in ein, zwei Jahren noch einmal in der Bayernliga anpacken kann". Bis auf die verabschiedeten Spieler haben alle anderen ihre Zusage gegeben, auch in der Landesliga zu bleiben, sagte Rödl. In der Offensive will der Verein "noch ein bisschen zulegen".

In Sachen Landesliga-Saisonziel lässt sich Fleischer noch nicht in die Karten blicken. Ziel sei es, möglichst viele Spiele zu gewinnen und "sorgenfrei" mitzuspielen, sagte er. Vollmundige Prognosen vermied er: "Man muss so eine Liga auch annehmen und darf nichts unterschätzen", betonte er. Jetzt davon zu träumen, "da reinzugehen und zu meinen, man haut alle weg", wäre völlig falsch. "Das wird ein harte Saison." Rödl äußerste sich ebenfalls defensiv, er peile einen Platz unter den ersten Acht an. Lehr dagegen verwies darauf, dass ein Aufstieg nicht planbar sei, "aber wir sollten schon den Anspruch haben, oben mitzuspielen, weil wir auch gute Leute haben". Erst einmal gibt es aber eine längere Pause, die Vorbereitung wird erst um den 25. Juni starten. Das Motto: Kopf frei kriegen. "Kein Fußball mehr", sagte Rödl - und fügte lächelnd an: "Bis zur WM."

© SZ vom 04.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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