Basketball:Einmal Hölle und zurück

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Wie in dieser Szene D.J. Seeley (links) gegen Dererk Pardon waren die Münchner meist einen Schritt schneller als die Bayreuther. (Foto: Peter Kolb/Imago)

Der FC Bayern München hat die Euroleague-Pleite von Mailand verarbeitet und gewinnt in der Bundesliga souverän in Bayreuth. Am Montag geht es für eine Woche nach Moskau.

Von Ralf Tögel, München

"Good vibes" hatte Andrea Trinchieri im Team festgestellt. In der Tat war seine Mannschaft angemessen beschwingt in der Bayreuther Oberfrankenhalle zu Werke gegangen. Die Spielstätte wird für manchen Gegner zur "Oberfrankenhölle", so jedenfalls nennen die Bayreuther ihre Halle. Allerdings sind dafür 3400 teils frenetische fränkische Fans zuständig, die am Samstagabend aber wie in Corona-Zeiten üblich ausgesperrt blieben. So bestimmte meist der italienische Coach der Münchner das akustische Geschehen, wobei er sich angesichts des souveränen Auftretens seiner Mannschaft nicht im üblichen Maß aufregen musste. Der FC Bayern hat die erwartete Reaktion nach der bitteren Euroleague-Pleite von Mailand gezeigt und in der Basketball-Bundesliga (BBL) mit dem 98:78 in Bayreuth den zehnten Sieg eingefahren. Da die Münchner auch zwei Niederlagen auf dem Konto haben, stehen sie auf dem vierten Tabellenplatz, mit Tuchfühlung zur Spitze.

In guter Stimmung also traten die Münchner die Heimreise an. Die Anfahrt nach Bayreuth hingegen dürfte von weniger positiven Vibrationen begleitet gewesen sein, immerhin galt es den kollektiven Blackout vom Donnerstagabend in Mailand zu verarbeiten. In der Lombardei kamen die Bayern gegen einen stark besetzten Kontrahenten beim 51:75 derart unter die Räder, dass man befürchten musste, dieser Aussetzer könnte nicht nur in der Tabelle, sondern auch in den Spielerköpfen Schaden hinterlassen. Tat er nicht. Vielmehr frischten die Gäste in Bayreuth ihr Selbstvertrauen wieder auf. Es schien gar, als ob sich das Team vorgenommen hatte, exakt die gröbsten Versäumnisse aus der Euroleague-Pleite abarbeiten zu wollen. Die Wurfquote zum Beispiel: In Mailand fanden zwei von 14 Dreiern ihr Ziel - miserabel. In Bayreuth suchten die Münchner Werfer von Beginn an den Distanzwurf, 14 von 26 Versuchen rauschten durch die Reuse - ein hervorragender Wert. Dasselbe lässt sich für Versuche aus der Mitteldistanz und Korbleger sagen, im Vergleich zu Mailand (36,4) stieg die Erfolgsquote auf 58,1 Prozent. Bei Olimpia hatten die Bayern, die selten weniger als 80 Punkte erzielen, nur 51 gesammelt, ein historischer Tiefstwert. Nun waren es wieder knapp 100. Auch die Defensive packte aggressiver zu, der Ball lief schneller und flüssiger durch die eigenen Reihen und vor allem: Trinchieri musste sich nur über zehn Ballverluste ärgern. Am Donnerstag war ihm noch doppelt so oft der Kragen geplatzt.

Die Bayern bemühen sich um Wiedergutmachung. Allen voran Wade Baldwin

Man merkte jedem einzelnen Akteur an, dass er auf Wiedergutmachung aus war, zuvorderst Wade Baldwin. Der Regisseur trägt das Spiel der Bayern ja oft, in Mailand bremste er es durch ebenso haarsträubende wie unerklärliche Fehler. Gegen Bayreuth fand der 24-Jährige schnell zur gewohnten Leistung und ging mit sieben Assists und 17 Punkten voran. Weil in Zan Sisko, Robin Amaize und Nihad Djedovic drei Akteure verletzt fehlten, bot Trinchieri nur zehn Spieler auf. Auch Vladimir Lucic, der in Mailand zwar auf dem Feld, aber nicht wirklich präsent war, fehlte; der Schlüsselspieler war ja nach langer Verletzung erst kürzlich zurückgekehrt und wurde geschont.

Dennoch: Das Münchner Personal ist auch dezimiert höher einzuschätzen als die Oberfranken. Am deutlichsten zeigte sich dies an Center Jalen Reynolds. Der war schon in Mailand der einzige mit annähernd normaler Form, nun sammelte er in zwölf Minuten elf Punkte, kein Bayreuther Verteidiger fand ein Mittel, ihn zu stoppen. In der BBL ist der US-Amerikaner, der auch in der Euroleague zu den Besten zählt, eine Ausnahmeerscheinung. Auch James Gist (10 Punkte), der ihm kürzlich zur Seite gestellt wurde, akklimatisiert sich langsam. In Nick Weiler-Babb (16), Dennis Seeley (15) und Jajuan Johnson (15) trafen drei weitere Gäste zweistellig.

Man darf die Möglichkeiten in Bayreuth natürlich nicht mit denen in Mailand vergleichen. Dort würde wohl eine Handvoll Spieler den gesamten Bayreuther Etat beanspruchen. Um den FCB zu fordern, ist der Kader aber allemal gut genug. Was er im Oktober bewiesen hat, als der Favorit in der Pokal-Qualifikation mit 95:89 düpiert wurde.

"Wir haben gegen Bayreuth ja schon mal nicht gut ausgesehen, jeder Einzelne war daher extra motiviert", sagte Paul Zipser (links gegen Bayreuths Matthew Tiby). (Foto: Peter Kolb/Imago)

Auch das hatten die Gäste in den Köpfen, wie Paul Zipser erklärte: "Wir sind ein emotionales Team. Nach so etwas wie in Mailand wollen wir sofort zurückkommen. Und gegen Bayreuth haben wir ja schon mal nicht gut ausgesehen, jeder Einzelne war daher extra motiviert." Als Belohnung gab es etwas Zeit bei den Familien, gleichwohl nicht viel. Trinchieri erinnerte an die extreme Belastung dieser Tage: "Gratulation an meine Spieler, denn unsere Reise begann am Dienstag und wir sind immer noch unterwegs. Es ist nie einfach in Bayreuth und wir kamen aus unserem schlechtesten Saisonspiel. Aber wir haben als Team zurückgeschlagen, jeder hat dabei geholfen. Jetzt können wir wenigstens mal anderthalb Nächte in unserem eigenen Bett schlafen." Bevor es schon am Montag nach Moskau geht, wo am Dienstag das Euroleague-Spiel bei Khimki und am Freitag das nächste bei ZSKA ansteht.

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