Basketball:Der Tanzlehrer lässt bitten

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Vorsicht auf die Beine: Hier versucht Barcelonas Cory Higgins den überragenden Münchner Spielmacher Wade Baldwin (re.) zu stoppen, es bleibt beim Versuch. (Foto: Eduard Martin via www.imago-images.de/imago images/Jan Huebner)

Die Basketballer des FC Bayern München bezwingen in einer hochklassigen Partie den Euroleague-Titelanwärter FC Barcelona. Aus einer starken Mannschaft ragt vor allem Spielmacher Wade Baldwin heraus

Von Ralf Tögel, München

Wenn Wade Baldwin zum Tänzchen bittet, dann besteht die Gefahr, dass der Versuch, ihn aufzuhalten, mit einem Knoten in den Beinen endet. Baldwin ist bekanntlich der neue Spielgestalter der Basketballer des FC Bayern. Und er ist einer, dessen blitzschnelle Dribblings und Finten dank seiner Eleganz so leicht wirken, als würde er tatsächlich über das Parkett schweben. Und langsam wird immer deutlicher, welcher Glücksgriff den Münchnern mit seiner Verpflichtung gelungen ist. Nach einigen bemerkenswerten Auftritten im bisherigen Saisonverlauf hat der Point Guard nun beim Triumph gegen den FC Barcelona sein bisheriges Meisterstück abgeliefert.

Dabei zog der US-Amerikaner nicht nur elegant wie stets die Fäden im Spiel der Münchner, er war von den Katalanen schlichtweg nicht zu stoppen, erzielte 29 Punkte gab sieben Vorlagen. Dass seine Punktausbeute den Bestwert des Abends bedeuteten, muss man nicht erst erwähnen. Schon eher, dass er von der Euroleague zum wertvollsten Spieler des 17. Spieltages gekürt wurde, in jener Liga also, in der sich ausschließlich die besten Spieler des Kontinents messen.

Die Münchner stehen nun mit 11:6 Siegen als Tabellenvierter direkt hinter dem großen FC Barcelona, der die selbe Bilanz aufweist, im Gegensatz zu den Bayern aber zu den ganz heißen Titelfavoriten zu zählen ist. Der FC Bayern immerhin steht in der kontinentalen Königsklasse so gut da wie nie eine deutsche Mannschaft zuvor, die Teilnahme eines Vertreters aus der Basketball-Bundesliga (BBL) an den Playoffs der besten Acht wird von Spiel zu Spiel wahrscheinlicher, auch das wäre eine Premiere.

11:6 Siege, so gut wie die Münchner stand noch nie ein deutsches Team in der Euroleague da

Den Sieg gegen Barcelona aber allein am famosen Baldwin festzumachen, wäre nicht korrekt. Denn dieser Coup war einmal mehr eine Teamleistung. Vor allem in der Abwehr, die den Katalanen das Punkten im dritten Viertel nahezu unmöglich machte. Was auch Trainer Andrea Trinchieri so sah: "Die Arbeit, die das ganze Team geleistet hat in der Verteidigung, sie war der Schlüssel unseres Spiels." Zwar fehlte den Gästen in Nikola Mirotic ihr bester Punktesammler, der NBA-Heimkehrer war aus familiären Gründen nicht dabei, wie der Klub mitteilte. Eine Art Chancengleichheit, denn Trinchieri muss seit Wochen auf Vladimir Lucic verzichten, der beim FCB eine ähnliche Rolle spielt. Doch auch ohne den 29-Jährigen haben die Spanier reichlich Klasse im Kader, was sie umgehend bewiesen.

In der ersten Halbzeit legen die Katalanen stets vor, doch nach der Pause werden sie von den Bayern überrollt

Die Gäste zogen schnell in Führung und legten in der ersten Spielhälfte immer vor, abhängen ließen sich die Bayern aber nie und waren zur Halbzeit beim 43:45 wieder ganz nah dran. Neben der über die gesamte Spielzeit starken Defensive lief vor allem im dritten Viertel das Offensivspiel nahezu fehlerlos - auch Ausdruck der bemerkenswerten Qualität dieses Münchner Kaders. Denn es sind immer wieder andere Akteure, die sich in den Fokus spielen. Dieses Mal sprangen vor allem Paul Zipser (16 Punkte), der einmal mehr vor allem aus der Distanz grandios traf, Nick Weiler-Babb (14 Punkte), der dem Spiel seiner Mannschaft enorme Energie gab, und Jalen Reynolds (12) Baldwin zur Seite.

Das könnte was werden: Zugang James Gist deutete gleich im ersten Spiel für die Bayern an, welche Verstärkung er sein kann. (Foto: Eduard Martin via www.imago-images.de/imago images/Jan Huebner)

Der Center besticht seit Wochen mit beständig starken Auftritten, zudem hat er in James Gist weitere Entlastung bekommen. Der 34-jährige Routinier wurde von Trinchieri etwas überraschend in seinem ersten Spiel für den FCB gleich in die Startformation gestellt, dort deutete er sofort an, welche Verstärkung er dank seiner zehnjährigen Euroleague-Erfahrung sein kann. Mit 27:10 Punkten überrollten die Münchner den favorisierten Gegner geradezu, die Entscheidung in der hochklassigen Partie war schon vor dem Schlussviertel gefallen. Trinchieri lobte vor allem die Bereitschaft der Spieler, auf dem Court füreinander einzustehen: "Das war ein Teamerfolg, ein großartiger Sieg über ein großartiges Team."

Trainer Andrea Trinchieri spricht von einem Mannschaftssieg. Neben Baldwin bekommen aber Zipser und Weiler-Babb ein Extralob

Trotzdem verteilte er ein bisschen Extralob an Zipser, Weiler-Babb und natürlich an seinen obersten Strategen Baldwin. Völlig zurecht, denn der im Sommer aus Piräus gekommene Point Guard überragte alle. Immer wieder suchte er das direkte Duell mit Nick Calathes, Barcelonas neuem Spielmacher. Dessen Wechsel aus Athen war einer der international meistbeachteten Transfers. Nun schien es fast, als erachte Baldwin diesen Vergleich als ideale Möglichkeit, die eigene Klasse zu demonstrieren. Ein ums adere Mal düpierte er Calathes oder machte ihm das Leben mit seiner Abwehrarbeit schwer.

Denn Baldwin ist nicht nur ein eleganter Passgeber und treffsicherer Punktesammler, der auch das Spektakel wie wuchtige Dunkings beherrscht und unwiderstehlich zum Korb zu ziehen weiß. Er ist auch in der Abwehr ein Spieler, gegen den keiner gerne antreten will. Der 1,93 Meter große Guard hat lange Arme und schnelle Hände, antizipiert gut und klaut dank seiner imposanten Spannweite von 213 Zentimetern viele Bälle. Noch übertreibt er es zwar bisweilen, dann will er mit dem Kopf durch die Wand und der Trainer muss ihn bremsen, doch das dürfte seiner Jugend geschuldet sein. Wade Baldwin ist gerade mal 24 Jahre alt. Es dürften also noch viele Tanzeinlagen folgen.

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