Basketball-Bundesliga:Rückkehr von Alpha Centauri

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Lass mich mal machen: Reggie Redding (li.) erklärt Danilo Barthel, wie er die Bayern in der Schlussphase nach vorne bringen wird. (Foto: Eibner/imago)

Die Bayern-Basketballer zeigen in Göttingen erstmals kleine Schwächen. Von einem 78:72-Auswärtssieg hält sie das aber nicht ab.

Von Ralf Tögel, München

Sie sind gelandet, die Basketballer des FC Bayern München. In Südniedersachsen, um genau zu sein, beim 78:72-Auswärtssieg bei der BG Göttingen. Man hatte ja nach den ersten beiden Partien des FCB und den Elogen, die auf sie gesungen wurden, annehmen müssen, diese riesigen Kerle in den roten ärmellosen Trikots können nicht irdischer Abstammung sein, so wie sie Gießen und Braunschweig in den ersten beiden Saisonspielen fachmännisch seziert hatten. Sind sie aber doch, der ein oder andere hatte das schon gewusst, Marko Pesic zum Beispiel.

Zweimal kann Göttingen ausgleichen, zweimal kontern die Bayern eiskalt

Der FCB-Geschäftsführer und ehemalige Nationalspieler kennt natürlich derlei Situationen. Die Euphorie hat er gerne zur Kenntnis genommen, es gibt Unangenehmeres als überschwängliches Lob, gleichwohl mahnte Pesic: Man dürfe doch bitte nicht annehmen, "dass wir jedes Spiel mit 30 Punkten Unterschied gewinnen". Müssen sie auch gar nicht, das erklärte Etappenziel ist der Abschluss der Bundesliga-Hauptrunde auf dem ersten Platz, der gewährt bis zum Finale Heimrecht und daran sind die Bayern in den vergangenen drei Jahren regelmäßig gescheitert. Also ist alles im Lot beim von der Fachwelt zum Topfavoriten gekürten Glitzer-Klub.

Der knappe Sieg offenbarte indes zwei neue Aspekte. Einen für die Liga: Diese Mannschaft ist doch in München und nicht auf Alpha Centauri zusammengestellt worden, die Konkurrenz kann aufatmen. Und einen für den FC Bayern: Der erste wirkliche Test ist letztendlich mit einer gewissen Souveränität zu einem guten Ende geführt worden. Zwar war Trainer Aleksandar Djordjevic "mit der Art und Weise des Sieges" nicht einverstanden, weshalb der Serbe in Göttingen auch deutlich agiler an der Seitenlinie als in den beiden Partien zuvor unterwegs war. Aber er kann auf ein eingespieltes Team zurückgreifen, das sich sogar noch weiterentwickelt hat. So entsandte Djordjevic eine Startformation aufs Feld, die ohne jegliche neuverpflichtete Kraft auskam - und den Gegner erst einmal an die Wand spielte.

Anton Gavel, Vladimir Lucic, Danilo Barthel, Devin Booker und Reggie Redding ließen den Gastgebern in der Defense keine Luft zum Atmen und vollendeten die Ballgewinne sehr souverän zu Punkten. 20:4 stand es, und man war geneigt, ganz genau hinzusehen, ob diese roten Kerle nicht doch vielleicht einen zusätzlichen Arm oder wenigstens ein paar Finger mehr haben als ihre Gegner. Hatten sie nicht, was spätestens klar wurde, als Djordjevic in die Rotation ging. Fortan durften die Gastgeber mitmachen, was diese immerhin dazu nutzten, den Rückstand nach der ersten Spieletappe auf 14:24 zu verkürzen - um sich danach immer weiter zu steigern und zu zeigen, warum die Göttinger Arena zu den von Gastmannschaften eher ungern bespielten Orten zählt. Zur Halbzeit war die BG beim 34:42 noch ein bisschen näher gekommen, sie hatte das Viertel sogar mit 20:18 gewonnen. "Die Spieler von der Bank haben nicht das Level gehabt, das ich mir wünsche", erklärte FCB-Coach Djordjevic. Panik war im Münchner Lager aber nicht zu entdecken. Man durfte vielmehr den Eindruck gewinnen, dass die Bayern das Geschehen trotz allem kontrollierten.

Freilich war auch unübersehbar, dass vor allem Spielmacher Stefan Jovic noch fremdelte in seinem ersten Pflichtspiel. Der serbische Point Guard hat auch nicht besonders viel mit der Mannschaft üben können. Milan Macvan, sein Kollege aus der serbischen Auswahl, hat sich dagegen schon sehr gut eingefügt, der Flügelspieler aber fehlte. Die 6+6-Regel erfordert mindestens sechs deutsche Spieler im Kader, einer der sieben Ausländer muss bei den Bayern also immer aussetzen.

Es lief dennoch weiter nach Plan, im dritten Viertel konnte die BG (59:50) nicht näherkommen. Allerdings gesellte sich zu dem überragenden Brion Rush, der mit seinen 35 Punkte Göttingen vor allem in der ersten Halbzeit fast im Alleingang am Leben hielt, ein weiterer Kollege, der heißlief. Michael Stockton, der die Vergleiche mit dem berühmten Vater John, einem der besten Spielmacher, den die NBA je gesehen hat, nicht mehr hören kann. Stockton junior wird die Klasse des Seniors nie erreichen, ist aber gut genug, einem vermeintlich außerirdischen Bundesligisten gehörig zuzusetzen. In der ersten Halbzeit hatte Stockton keinen einzigen Punkt erzielt, nun schraubte er vor allem im finalen Durchgang sein Konto auf 15 Zähler. Darunter die zum 61:63-Anschluss, denen Rush sogar den Ausgleich folgen ließ. Doch die Bayern konterten, erst durch Lucic (Topscorer mit 18 Punkten) und nach dem 66:66 durch Jared Cunningham (zehn Punkte). Auch der Amerikaner ist längst nicht in Bestform, er kam ja mit einem Durchschnittswert von 34 erzielten Punkten pro Partie aus China (das nach allem, was man weiß, auch zur Erde gehört).

Aber Cunningham gab eine Kostprobe seiner Qualitäten - und dann war da noch Reggie Redding, der die Partie wieder in die Münchner Richtung drehte. Das Gros seiner 15 Punkte erzielte er in der entscheidenden Schlussphase, was er mit der ihm gegebenen Lässigkeit kommentierte: Nun ja, das sei halt sein Ding, "Ruhe reinzubringen und dem Team zu helfen". Er war im Übrigen auch überrascht, wie leicht die ersten beiden Siege gefallen waren. Klingt reichlich geerdet.

© SZ vom 09.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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