Basketball-Bundesliga:Laues Lüftchen

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Der FC Bayern dreht das Spiel in Gießen zu einem glücklichen 72:68. Keine Empfehlung für den Eurocup-Start am Mittwoch in St. Petersburg

Von Ralf Tögel, München

Dennis Wucherer hatte einen Sturm vorhergesagt. Nun ist das nicht weiter verwunderlich, Wucherer kennt die Wetterlage beim FC Bayern München, dem er ja als Assistenzcoach zu Diensten war. Jetzt ist Wucherer Cheftrainer der Basketballer der Gießen 46ers, hat in der vergangenen Saison als Aufsteiger nur knapp die Playoffs verpasst und offenbar auch in dieser Spielzeit ein gutes Team geformt. Denn zur Halbzeit führte Gießen 40:33 gegen den hohen Favoriten aus München, der zwar nach 40 Spielminuten mit 72:68 die Oberhand behielt, aber dafür schon eine gehörige Portion Unvermögen der jungen Gießener Mannschaft benötigte. Hätte man "erwachsener" gespielt, so glaubt Wucherer, die Überraschung wäre gelungen.

Maxi Kleber war es, der Sekunden vor dem Ende einen Dreier in die Gießener Reusen schickte, Wucherer, der das Unheil hatte nahen sehen, hüpfte wie ein Springteufelchen hinter Kleber hin und her, die Auslinie hielt ihn vom Eingreifen ab. Kleber traf dennoch, er war nicht nur der entscheidende Spieler, sondern erneut der beste Akteur der hoch gelobten Münchner Mannschaft. Auch Anton Gavel, den Trainer Aleksandar Djordjevic stets in seiner Anfangsformation aufs Feld schickt, blüht unter diesem Vertrauen auf. Wie Kleber steuerte er zwölf Punkte zum Sieg bei, wie Kleber setzte er Akzente in der Defense. Das war es aber weitgehend mit positiven Erkenntnissen, neben dem Ergebnis selbstredend. Denn Gießen kämpft in einer anderen Gewichtsklasse als die Bayern, die Mittelhessen rekrutierten unbekannte Spieler oder aus der zweiten Liga, der FCB sieht sich in den europäischen Top-Ligen nach tauglichen Spielern um. Entsprechend begann die Partie, die Bayern spielten sicher den Matchplan herunter, alles deutete auf eine ähnliche Lehrstunde wie vor Wochenfrist in Göttingen hin. Vladimir Lucic versenkte wie selbstverständlich zwei Dreier, hinterließ mit einem Block Eindruck beim Gegner, die Münchner lagen schnell 20:10 vorn. Doch die 49ers glaubten unerlaubter Weise an ihre Chance, kämpften ohne Unterlass und plötzlich saßen ihre Würfe.

Nach Ende des ersten Viertels war der Anschluss (18:20) hergestellt, die Bayern zeigten Wirkung. Bestes Beispiel war 2,04-Meter-Mann Lucic, Eurocup-Gewinner mit dem spanischen Top-Klub Valencia: Nachdem er sich von 1,86-Mann Wells beim Wurf blocken ließ, schien er sich zusehends zu entmaterialisieren und war kaum mehr zu sehen. 40:33 führte der Außenseiter zur Halbzeit, nach dem Wechsel wuchs der Vorsprung auf bis zu 13 Zähler an. Und die Gastgeber hatten keine besondere Mühe diesen zu halten, vor dem letzten Viertel (54:48) waren es noch sechs Punkte. Dies war eigentlich der interessanteste Aspekt des Spiels, wie würde sich das neu formierte Münchner Team in so einer Situation verhalten? Würfe im gellenden Pfeifkonzert, ein Kampf gegen einen nie aufsteckenden Außenseiter, der mit der Energie der frenetischen Fans in einer kleinen, vollen Halle über sich hinauswächst. München hatte große Probleme, für Spieler wie Lucic, Devin Booker, Reggie Redding oder Ondrej Balvin, allesamt Hochkaräter, offenbar eine neue Erfahrung. Auch von der Bank kam wenig Hilfe, Nihad Djedovic, ansonsten verlässlicher Punktesammler, erwischte einen schwarzen Tag, für Alex Renfroe sind die Diskussionen um seine Person augenscheinlich nicht förderlich. Immerhin drehte der FCB das Spiel im letzten Viertel, blieb im entscheidenden Moment ruhig, hatte in Redding (8 Punkte) einen Akteur, der auf eigene Faust Punkte sammelte, in Danilo Barthel (11) einen verlässlichen Back-up-Center - und Kleber.

Man wird Djordjevic nicht darauf aufmerksam machen müssen, dass sich sein Team angesichts des Eurocup-Auftakts am Mittwoch in St. Petersburg (19 Uhr) ein bisschen steigern sollte, der mit Olympiasilber dekorierte Serbe wird seine Schlüsse ziehen, schon zur Halbzeit sagte er, dass man sich "in allen Belangen" steigern müsse. Bekanntlich sondieren die Münchner längst den Markt nach einem starken Spielmacher, Neuigkeiten sind zu erwarten, wenn in der NBA die letzten Entscheidungen gefallen sind. Denn der Anspruch der Bayern ist ein anderer, als enge Spiele in Gießen zu drehen.

© SZ vom 10.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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