Alpenvolleys-Manager Hannes Kronthaler:"Die Chance beim Schopf gepackt"

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General Manager Hannes Kronthaler über sein transnationales Projekt Alpenvolleys Tirol-Haching, die Rolle von Mihai Paduretu, das Ziel Champions League und ein Wiesel als Maskottchen.

Interview von Sebastian Winter

Die Österreicher kommen, und zwar in bayerischem Gewand: An diesem Sonntag haben die Hypo Tirol Alpenvolleys Haching ihre Premiere in der Volleyball-Bundesliga. Ein einzigartiges EU-Projekt zwischen Innsbruck und Unterhaching, das per Wildcard in die Profiliga strebt. Magister Hannes Kronthaler, Vater, General Manager und Sponsor dieses außergewöhnlichen Neulings, freut sich auf künftigen Grenzverkehr.

SZ: Herr Kronthaler, von Innsbruck nach Friedrichshafen sind es ein paar Kilometer. Fahren Sie zum Saisonauftakt der Alpenvolleys mit an den Bodensee?

Hannes Kronthaler: Natürlich, wir fahren am Sonntag um 9 Uhr los. Drei Stunden, nicht länger, Mittagessen, spielen.

Gewinnen?

Das glaub' ich nicht. Wir haben noch nicht das Niveau von Friedrichshafen, und das ist auch nicht unser Ziel im ersten Jahr. Jeder hat doch gerade im Supercup (den Pokalsieger Friedrichshafen mit 3:1 gegen den deutschen Meister Berlin gewann, Anm. d. Red.) gesehen, dass die super drauf sind. Jede Position ist bei denen besser besetzt als bei uns, sie haben das zweieinhalbfache Budget. Und sie haben eine lange Tradition, im Gegensatz zu uns. Die Alpenvolleys gibt es ja erst seit Mai. Wir können da locker hineingehen und uns an die Liga und das Umfeld gewöhnen.

Sie gelten als Erfinder der Alpenvolleys, dieser deutsch-österreichischen Kooperation von Unterhaching und Innsbruck, die am Sonntag gegen Friedrichshafen per Wildcard in die Bundesliga einsteigt. So ein Projekt gab es noch nie im deutschen Volleyballsport. Können Sie dem Laien zunächst einmal kurz erklären, wer Sie sind?

Ich bin seit 14 Jahren Manager des Hypo Tirol Volleyball-Teams aus Innsbruck, gleichzeitig Österreichs Rekord-Nationalspieler mit knapp 150 Länderspielen, davon fünf Jahre als Kapitän. Mit 35 habe ich aufgehört als Spieler und seither Innsbruck gemanagt. Beachvolleyball in Österreich hab ich auch aufgebaut und dort die nationale Serie gegründet. Nach dem zehnten Meistertitel und acht Champions-League-Teilnahmen mit Innsbruck hat sich der Gedanke verfestigt, dass ich in Österreich nicht noch zehn Jahre das Gleiche machen will.

Warum?

Erstens habe ich in den letzten vier Jahren kein einziges Spiel in der Liga verloren. Zweitens waren die Spiele nach 45 Minuten vorbei. Drittens sind nicht nur sportliche Gesichtspunkte dafür ausschlaggebend: Die Zuschauer haben alles gekannt, ich auch, das Ganze war etwas abgestumpft. Schauen Sie, ich habe den Verein vor 20 Jahren mit genau null Euro übernommen, zuletzt lag der Etat bei 1,1 Millionen Euro. Der Tiroler Markt ist erschöpft. Zugleich will ich immer eine Steigerung haben. Da bringt es mir nichts, noch fünfmal österreichischer Meister zu werden.

Der Bundesliga-Einstieg war also schon länger ihr Plan?

Seit Jahren lote ich schon Möglichkeiten aus, in einer besseren Liga zu spielen. Ich habe geprüft, mit Innsbruck in der italienischen Liga zu spielen, das hat mir der Österreichische Volleyball-Verband damals aber verboten. Eigentlich hatte ich dann den Spitzensport ad acta gelegt.

Und dann kamen Sie wie die Jungfrau zum Kind zu der Wildcard, die die Volleyball-Bundesliga Ende des vergangenen Jahres ausgeschrieben hat?

Ich hatte den Einstieg in die Bundesliga schon 2014 im Kopf, als Haching sich gerade ohne Hauptsponsor zurückzog aus dem Profivolleyball. Wäre ich damals eingestiegen bei Hachings GmbH, hätte ich nicht einmal die Wildcard zahlen müssen, immerhin gut 50 000 Euro. Es wäre einfacher gewesen, doch das hab ich irgendwie verschlafen. Und jetzt gab es diese Topchance.

Stimmt es, dass ausgerechnet Unterhachings Lokalrivale Herrsching, der sein Viertelfinal-Heimspiel im vergangenen Februar mangels eigener adäquater Halle bei Ihnen in Innsbruck ausgetragen hat, Sie erst auf die Idee gebracht hat, per Wildcard umzusiedeln?

Von Herrsching habe ich tatsächlich von der Möglichkeit erfahren, in Deutschland per Wildcard zu spielen. Und dann diese Chance beim Schopf gepackt, die Kooperation mit Unterhaching einzugehen.

Welche Intention steckt dahinter?

Innsbruck bleibt als Volleyball-Standort (in der zweiten österreichischen Liga) erhalten, was für den Nachwuchs des Hypo Tirol Volleyballteams gut ist. Zudem sollen künftig österreichische Nationalspieler bei den Alpenvolleys in der Bundesliga lernen. Und außerdem kommt der Volleyball-Hotspot Unterhaching wieder zurück in den Spitzensport - was dann auch wieder für seinen Nachwuchs gut ist. Das ist überhaupt der Hauptgrund der Mannschaft. Die Junioren der beiden Klubs sollen wieder eine Perspektive haben. Und wir können dabei aus dem Doppelten schöpfen.

In der Kooperation ist Unterhaching als deutscher Klub mit seiner GmbH Wildcard-Nehmer, da laut der Statuten kein ausländischer Klub in der Liga spielen darf. Sie aber haben als Geschäftsführer das Sagen und steuern den Etat von immerhin 1,1 Millionen Euro bei - auch ihre Baufirma ist unter den Sponsoren.

Das war in Österreich auch so. Ich kann ja nicht andere Firmen vom Volleyball-Sponsoring überzeugen, wenn ich selbst nichts tue. Die Alpenvolleys haben 26 Sponsoren, ich bin sicher unter den Top 5. Bevor ich in Volleyball eingestiegen bin, habe ich 50 Klubs mit Kleinsummen gesponsert, das hat genau gar nichts gebracht. Jetzt sponsere ich einen gescheit, und jeder weiß es. Ich musste ja für die Alpenvolleys allein 250 000 Euro für Infrastruktur ausgeben, inklusive LED-Banden, Boden und Wildcard.

Welche Rolle spielt Mihai Paduretu, Geschäftsführer des TSV Unterhaching, Erbauer und Trainer des viermaligen Pokalsiegers Haching, bei dem Projekt?

Er ist als TSV-Geschäftsführer unser Ansprechpartner in Unterhaching, wo wir ja einige unserer Heimspiele austragen. Und er entwickelt mit Trainer Stefan Chrtiansky den Spielerkader für heuer und fürs kommende Jahr. Er kennt die Spieler in Deutschland, sie kennen ihn. Er ist unser Sportdirektor, unser Mann für das operative Geschäft in Unterhaching und voll involviert.

Der Kader ist sehr bunt: sieben Nationen, allein vier Brasilianer, der Trainer-Sohn Stefan Chrtiansky junior und ihr eigener Sohn Niklas als Außenangreifer. In Georgi Topalov und Jonas Sagstetter hat Paduretu nur zwei Hachinger untergebracht. Und neben den beiden Hachingern gibt es auch nur einen Österreicher und einen Deutschen im Team.

Es ist eine bunte Mischung, was die Nationen angeht. Sechsmal alt - aus dem letztjährigen Innsbrucker Team - und sechsmal neu. Topalov ist zweiter Zuspieler, Sagstetter Perspektivmann, er pendelt zwischen zweiter und erster Mannschaft. Ich gehe davon aus, dass er sich reinkämpft ins Team. Ich könnte mir auch vorstellen, dass Mihais Sohn Eric nächstes Jahr den Sprung schafft. Dass es mir heuer nicht gelungen ist, mehr Deutsche und Österreicher zu bekommen, hat den einfachen Grund, dass alle interessanten Spieler schon Verträge hatten, als die Liga grünes Licht für die Wildcard gegeben hat. Nächstes Jahr wird das anders sein.

Die Spieler wohnen und trainieren in Innsbruck, Trainer, Management, Geschäftsstelle, Ärzte und Physiotherapeuten sind dort. Wirkt Unterhaching da nicht wie der Juniorpartner Innsbrucks?

Es muss dort erst wieder etwas wachsen. Und Sie werden bei den Heimspieltagen sehen, dass wir zusammengehören. Ob in Innsbruck oder Unterhaching: Alles schaut total gleich aus. Vom Aufbau über die Musik bis zum Spielablauf. Es gibt ein Sprecher-Duo, ein Vereinslied, das Maskottchen ist der Willi Wiesel, den wir schon immer hatten, der aber jetzt das Alpenvolleys-Dress trägt. Die Fans in Innsbruck und Haching haben sich schon kennengelernt und werden die Spieltage gemeinsam planen. Und was die Fahrzeit von 1:20 Stunden angeht: Wenn ein Fußballfan aus Unterhaching zu den Bayern in die Allianz-Arena will, fährt er mitunter länger.

Sieben Ligaspiele sind in Innsbruck geplant, wo die Alpenvolleys am 21. Oktober gegen Bühl Heimpremiere haben, drei Ligaspiele und der Pokal in Unterhaching, wo Ihnen Herrsching zugelost wurde.

Auf das Pokal-Achtelfinale gegen Herrsching am 8. November und das Liga-Derby drei Tage später in Herrsching freue ich mich besonders. Zweimal binnen drei Tagen ein bayerisches Derby, das ist super. Das Pokalspiel haben wir ja auch deshalb nach Unterhaching und nicht nach Innsbruck gelegt, wo wir übrigens ab Jänner 2018 alle Spiele in der Olympiahalle austragen. Herrsching ist, wie Bühl, ein Team, das wir schlagen müssen, wenn wir erreichen wollen, was wir erreichen wollen.

Was wollen Sie erreichen?

Platz fünf, dass wir uns für den Europacup qualifizieren. Dann schauen wir, dass wir nächste Saison ins Semi-Finale kommen. Und dann wachsen die Bäume höher.

Wohin? Zum DM-Titel oder in die Champions League?

Natürlich will ich das alles. Wenn ich das Budget mit den Alpenvolleys noch einmal um 1,1 Millionen Euro steigere, bin ich bald in der Sphäre von Berlin und Friedrichshafen. Dann kann ich angreifen. Aber das braucht drei, vier Jahre. Jetzt können wir erst einmal anfangen, die Voraussetzungen sind geschaffen. Und ich kann mich um die strategischen Dinge kümmern und dazu natürlich auch mit Mihai und den Unterhachingern reden: Wo sind Sponsoren in München? Wie können wir unser Budget steigern? Und wie unseren Bekanntheitsgrad in Bayern? In Tirol brauch' ich das nicht mehr, da bin ich schon bekannt.

© SZ vom 13.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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