Abstiegskampf in der 3. Liga:Am Anschlag

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Ein Sieg, und die SpVgg bleibt drin - vielleicht. Eine Niederlage, und sie steigt ab - oder auch nicht. Nach 34 Jahren Profifußball ist Unterhachings Zukunft ungewiss - vermutlich über den letzten Spieltag hinaus

Von Stefan Galler, Unterhaching

Mit dem Einschlafen habe er keine Probleme, sagt Claus Schromm: "Obwohl ich beim Thema Fußball derzeit am Anschlag bin." Und deshalb findet er auch nicht dauerhaft Ruhe. "Anfang der Woche war die Nacht um halb vier vorbei." Die Anspannung ist immens für den Trainer der SpVgg Unterhaching. Aber nicht nur für ihn: "Wenn ich Präsident Manfred Schwabl auf der Bank sitzen sehe, würde ich am liebsten mit ihm im VIP-Haus ein Bier trinken gehen."

An diesem Wochenende entscheidet sich zumindest sportlich, wie es mit den Hachingern weitergehen könnte. Ein Sieg bei Rot-Weiß Erfurt (Samstag, 13.30 Uhr) ist Voraussetzung, um die Klasse zu halten. Sollte darüber hinaus entweder Hansa Rostock (in Dresden) oder Mainz II (gegen Chemnitz) verlieren, wäre der Abstieg verhindert. So richtig abgerechnet wird allerdings erst danach, denn noch ist weder Hachings Lizenz für die nächste Drittligasaison gesichert, noch jene von Zweitligaabsteiger VfR Aalen. Schromm, der Cheftrainer bleibt, ganz egal, in welcher Liga Haching nächste Saison antritt, hat auch diesen Strohhalm längst erkannt: "Es könnte sein, dass auch der drittletzte Platz reicht. Deshalb werden wir uns genau informieren, wie es bei den anderen steht." Was nichts anderes heißt, als dass Schromm im Zweifelsfall auf ein Remis aus ist, um Rang 17 zu sichern, sollten die Abstiegskonkurrenten klar in Führung liegen.

Sollte die SpVgg absteigen, würde eine Ära zu Ende gehen. Seit 1981 spielen die Rot-Blauen immer in einer der drei höchsten Klassen. Kalt lässt das Schicksal des kleinen Vorortklubs keinen von denen, die früher einmal mit ihm zu tun hatten. André Breitenreiter, als Trainer des SC Paderborn diesen Samstag gegen den VfB Stuttgart selbst vor einem Endspiel um den Klassenerhalt in der Bundesliga, hat schon vor einigen Tagen eine Videobotschaft gen Süden geschickt. "Ich wünsche Euch nichts mehr als den Klassenerhalt", sagt der frühere Torjäger, der die SpVgg in ihrem ersten Bundesligajahr 1999/2000 mit seinem 1:0 gegen Werder Bremen am 32. Spieltag zum vorzeitigen Klassenerhalt schoss. Die Ehemaligen fiebern mit, das gilt insbesondere für Markus Oberleitner. Auch dem 41-Jährigen ist einmal ein bemerkenswertes Tor für Haching gelungen: Sein 2:0 gegen Leverkusen im Mai 2000 machte den FC Bayern am letzten Spieltag zum Meister. Mittlerweile ist er der letzte der alten Helden, der noch unmittelbar mit dem Verein verbunden ist. Oberleitner ist ehrenamtlicher Nachwuchskoordinator für den Bereich U13 bis U15, gehört außerdem zum engsten Beraterkreis von Präsident Schwabl, gemeinsam mit Trainer Schromm, dem künftigen Sportlichen Leiter des Nachwuchsleistungszentrums Daniel Wimmer sowie dem langjährigen U19-Coach Mike Frühbeis. Oberleitner ist also schon aus Vereinsräson optimistisch: "Wir schaffen das hundertprozentig, davon bin ich felsenfest überzeugt."

Schaffen sie, was sie wollen? Die SpVgg sitzt zwischen Glauben und Bangen (im Bild Alfonso Garcia, der von 1991 bis 2001 für Unterhaching spielte). (Foto: dpa)

Sollte die SpVgg dennoch absteigen, wäre zumindest die Teilnahme an der Regionalliga in der kommenden Saison formal gesichert, ein Sturz ins Bodenlose ausgeschlossen, bestätigt Oberleitner: "Wir haben immerhin ein zertifiziertes Nachwuchsleistungszentrum. Das werden wir aufrechterhalten und wieder nach oben kommen."

Auch andere, deren Werdegang eng mit der SpVgg verbunden ist, machen sich ihre Gedanken über den Verein. Ralf Bucher etwa, der für Haching weit mehr als 300 Mal die Stiefel schnürte und nach seiner aktiven Laufbahn zwischenzeitlich Marketingleiter, Manager und Co-Trainer war, attestiert den Verantwortlichen eine "gute Leistung". Schließlich hätten sie ohne finanzielle Ausstattung eine junge, starke Mannschaft geformt. "Es würde mir persönlich sehr leid tun, wenn sie absteigen müssten", sagt Bucher, "auch wenn das, wie sich der Verein jetzt aufstellt, gar nichts mehr zu tun hat mit dem, was früher war". Bucher, der mittlerweile für einen Automobilzulieferer arbeitet und die U11 des SV Waldperlach trainiert, sieht die SpVgg im letzten Spiel in der Favoritenrolle: "Anfangs wird auch Erfurt noch Gas geben, obwohl es für die um nichts mehr geht. Haching muss so auftreten, dass sich die Erfurter denken: 'Ach, das ist doch nicht mehr so wichtig'."

Für Ralph Hasenhüttl steht das Pfingstwochenende natürlich im Zeichen der Feiern um den Bundesliga-Aufstieg mit seinem FC Ingolstadt. Und doch wird der Trainer das Saisonfinale in der dritten Liga am Samstag verfolgen, immerhin war er insgesamt sechs Jahre bei der SpVgg tätig, zunächst als Trainer der U18, später als Assistent von Harry Deutinger und Werner Lorant sowie zweieinhalb Jahre als Chefcoach. "Es wäre sehr schade, wenn Haching absteigen würde", sagt der Österreicher. Auch wenn er den Hut davor ziehe, dass sich der Verein angesichts seiner permanenten Geldknappheit "überhaupt in der Liga behauptet", habe sich in dieser Saison wieder gezeigt, dass es der jungen Elf an Konstanz fehle: "Diese Phasen, in denen du nichts holst, sind am Ende tödlich."

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(Foto: dpa)

André Breitenreiter (1999-2002).

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(Foto: dpa)

Markus Oberleitner (1997-2001).

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(Foto: Claus Schunk)

Ralf Bucher (1989-2009).

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(Foto: Claus Schunk)

Ralph Hasenhüttl (2007-10).

Hasenhüttl, der noch immer in der Nähe des Sportparks wohnt, vermisst wie Bucher die bekannten Identifikationsfiguren im Verein. Dennoch schaut er auf seinen Radtouren immer wieder mal bei Jugendspielen zu: "Leider hatte ich in dieser Saison dazu nicht so oft Zeit." Wie Schromm befindet sich auch Hasenhüttl beim Thema Fußball am Anschlag. Nur eben am anderen Ende der Skala.

© SZ vom 23.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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