3. Liga:Nach Art des Chefs

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Deko auf leeren Sitzschalen: Wenn Türkgücü spielte, blieb das Olympiastadion meist recht leer - nicht nur bei Geisterspielen. Für das Derby sind bisher auch nur rund 6500 Karten verkauft. (Foto: Sven Sonntag/Picture Point/Imago)

Mit dem Rücktritt vom Rücktritt hat Türkgücü-Investor Hasan Kivran dem Aufsteiger die neueste Wendung in seiner kurzen, aber bewegten Geschichte im Profifußball beschert. Sogar weitere Zugänge sind im Gespräch. Zunächst aber versucht der Drittligist, einige Reservisten loszuwerden - der Geschäftsführer spricht von "Altlasten".

Von Christoph Leischwitz, München

Er wolle sich doch nur "auf das Sportliche fokussieren", sagt Alexander Schmidt gerne. Doch als Trainer von Türkgücü München hat er es da nicht gerade leicht. Nun steht am Montag zwar auch wieder ein Fußballspiel an für den Drittligisten, die Mannschaft empfängt den Spitzenreiter Dynamo Dresden (19 Uhr, Grünwalder Stadion). Aber am Samstagvormittag fiel es dem Coach besonders schwer, sich an die eigene Vorgabe zu halten. Denn der zeitliche Zufall wollte es, dass Schmidt während der Online-Pressekonferenz zum Spiel bereits wusste, dass Investor Hasan Kivran den Verein nun doch nicht verlässt - dem Vernehmen nach hatte die Belegschaft am Freitagabend darüber Gewissheit erhalten. Schmidt durfte allerdings noch nichts verraten. Und so sagte er auf Nachfragen zur Zukunft kryptische Dinge wie: "Es gibt nur eine Antwort: Hasan Kivran. Er ist unser Mentor, er ist unser Boss hier. Ich hoffe einfach, dass er weitermacht." Wenig später, kurz vor dem Training, erfuhr es dann auch die Mannschaft: Kivran macht weiter. Die Erleichterung dürfte groß gewesen sein. Und damit zum Sportlichen.

Für das Duell mit Spitzenreiter Dresden erwartet Trainer Schmidt einen "Kampf um jeden Zentimeter"

Die Zielsetzung beim Aufsteiger hat sich dadurch erneut geändert. Vor Weihnachten lautete sie offiziell: oben mitspielen - und intern: unbedingt durchmarschieren! Es folgte eine kurze Zeit der Ungewissheit, ob der Laden nicht stattdessen zugesperrt werden muss, zumindest nach der Saison. Jetzt ist der Klub gerade dabei, sich wieder zu sammeln. Die Partie gegen Dresden bedeutet nun gleich zum Auftakt nach der kurzen Pause eine Standortbestimmung, wohin die Reise für Türkgücü in der Tabelle noch gehen kann. "Wir sind in der Außenseiterrolle", sagt Schmidt. Gegen Dresden stehe ein "Kampf um jeden Zentimeter" an. Man brauche einen perfekten Tag, um zu gewinnen.

Einige Spieler, die den Ansprüchen hinterherhinken, haben und sollen den Verein verlassen. Wenn aber der vom Deutschen Fußball-Bund geforderte Liquiditätsnachweis am 21. Januar erbracht ist, so ist zu hören, könne man sich bei Türkgücü vorstellen, auch gleich wieder ein paar Verstärkungen zu verpflichten. Die zwölf, 13 wichtigsten Spieler, bestätigte Geschäftsführer Max Kothny, werden auf jeden Fall erst mal bleiben.

"Es gibt nur eine Antwort: Hasan Kivran. Er ist unser Mentor, er ist unser Boss." Hier links im Bild. (Foto: Markus Fischer/imago)

Andere haben den Verein verlassen, das Transferfenster ist bereits geöffnet. Tom Boere, Marco Holz, Marco Raimondo-Metzger, zuletzt Thomas Haas und nach SZ-Informationen auch Emre Kurt. Schmidt betont, dass die Weggänge sportliche wie finanzielle Gründe haben. Besonders schnell ging es bei Boere, dessen Verpflichtung Ende Juli mit der Überschrift "Transfer-Hammer" verschickt worden war. Danach stand der 28-Jährige lediglich zweimal über volle 90 Minuten auf dem Platz. Sein Abschied hatte sich schon länger abgezeichnet, am 12. Dezember war das Tischtuch zerschnitten. Wie der Verein bestätigt, hatte sich der Angreifer beim Auswärtsspiel in Uerdingen, Boeres vorigem Arbeitgeber, nach seiner Auswechslung eine Undiszipliniertheit erlaubt.

Es sei klar gewesen, dass im Winter eine Auslese stattfinden müsse, heißt es vom Verein. Fraglich, ob das auch alle Spieler wussten

In anderen Fällen scheint es aber schlicht darum zu gehen, Spielergehälter zu sparen. Nach SZ-Informationen hat der Verein einige seiner Profis anderen Vereinen angeboten, ohne dass sie davon Kenntnis hatten. Sportliche Konsequenzen haben die bisherigen Weggänge nicht: Die meisten Spieler gehörten schon länger einer "Trainingsgruppe 2" an, deren Akteure sich keine Chancen auf einen Pflichtspiel-Einsatz mehr machen durften. "Bei so vielen Spielern war es klar, dass im Winter eine Auslese stattfindet", sagt Trainer Schmidt. Es ist allerdings fraglich, ob auch allen Spielern bekannt war, dass solch eine Winterlese bevorstehen würde. Auf Nachfrage räumt Geschäftsführer Kothny ein, dass der Kader zuletzt zu groß gewesen sei. Er merkt allerdings an, dass es sich zu einem gewissen Teil um "Altlasten" aus der Regionalliga-Saison gehandelt habe - um mehrere Spieler mit langfristigen Verträgen also, die man nicht unbedingt für die dritte Liga eingeplant hatte.

Schmidt bedankte sich dann auch bei den vielen Fans, die den Verein unterstützt hatten in den vergangenen Tagen. Wegen der ungewissen Zukunft hatte Türkgücü eine Art Hilfsaktion gestartet und für das Spiel gegen Dresden sogenannte Geistertickets verkauft, mehr als 8000 sollen es am Schluss gewesen sein. Eine weitere Aktion - Dynamo-Fans hätten sich das Aufhängen ihrer Banner im Stadion während des Spiels erkaufen können - wurde nach empörten Protesten aus Dresden schnell wieder eingestellt. Nachdem nun Türkgücüs Investor immer noch da ist, stellen sich viele Fragen. Eine, zugegeben nachrangige, lautet: Wird das durch den Ticketverkauf eingenommene Geld zurückgezahlt? Der Verein ließ sie zunächst unbeantwortet. Trainer Schmidt wird sich freuen, dass er angesichts von sechs Spielen allein im Januar viele weitere Fragen nicht mehr beantworten muss. Das können nun wieder seine Spieler auf dem Platz tun.

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