1860 München II:Löwen mit Bayern-Dusel

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Kapitän Felix Weber glich mit einer Kopfball-Bogenlampe aus, da war der Stadionsprecher von Schalding-Heining schon recht leise. (Foto: Johannes Simon)

Die U21 der Sechziger ist nun endgültig eine Spitzenmannschaft - denn sie gewinnt trotz fahriger Vorstellung beim SV Schalding-Heining mit 3:1.

Von Gerhard Fischer, Passau

Am Ende murmelte der Stadionsprecher bloß noch in sein Mikrofon, und das war ein schlechtes Zeichen für den SV Schalding-Heining gegen die U21 des TSV 1860. Lange Zeit hatte er nämlich laut geredet und froh geklungen, etwa als er nach zwölf Minuten rief: "Torschütze zum 1:0 ist unser Kapitän Beppo Eibl." Oder als er kurz nach der Pause verkündete: "Der Friseursalon Figaro präsentiert die Zuschauerzahl - 1974." Oder als er bekannt gab, der Zuschauer mit der Ticket-Nummer 255 habe eine Lederhose gewonnen.

Aber dann wurde der Stadionsprecher immer leiser, beim 1:1 durch Felix Weber konnte man ihn schwer verstehen, beim 1:2 und beim 1:3 durch Menelik Ngu'Ewodo flüsterte er bloß noch - gerade so, als wolle er die Tore des TSV 1860 verschweigen und damit ungeschehen machen. Man konnte ihn verstehen, im Sinne von nachempfinden, denn gerecht war das Ergebnis nicht. Schalding-Heining hätte gegen die fahrigen Löwen einen Punkt verdient gehabt, mindestens. Aber 1860-Keeper Marco Hiller, der den leicht verletzten Max Engl vertrat, hielt famos und verhinderte, dass der Stadionsprecher öfter laut reden und froh klingen konnte.

Schalding, ein Stadtteil von Passau, liegt knapp 180 Kilometer von München entfernt. Zu den ungelösten, aber schönen Rätseln dieser Erde gehört es, warum es Menschen gibt, die sich an einem sonnigen Samstag fast sechs Stunden Hin- und Rückreise mit der Bahn aufhalsen, um als Münchner in Schalding ein Regionalliga-Spiel anzusehen. Weniger schön ist es, wenn einige von diesen rätselhaften Menschen - in diesem Fall waren es etwa zwei Dutzend Löwen-Fans - anderen mit ihrem Verhalten Angst machen. Als sie am Samstagmittag in Passau aus dem Zug stiegen, brüllten sie nicht nur laut, sondern warfen auch Bierflaschen auf die Gleise. Der Fahrer des Busses, der sie ins zehn Kilometer entfernte Schalding bringen sollte, schloss vor den 1860-Anhängern die Tür: "Hier kommt keiner mit Bier rein", sagte er.

Offen blieb, ob es diese Fans bis zum Fußballplatz schafften, der idyllisch hoch über der Donau liegt und so charmant repressionsfrei ist wie viele Spielstätten auf den Dörfern. Ballkinder liefen mit den Spielern ein, und ihre Eltern hinterher, um sie zu filmen.

War es diese Atmosphäre, die den Löwen-Kickern die Spannung nahm? Oder war es die Siegesserie, die hinter ihnen liegt und sie sorglos machte? 1860-Trainer Daniel Bierofka hatte schon vor dem Spiel gewarnt, das Selbstvertrauen dürfe "nicht in Überheblichkeit ausarten".

Klar, der Platz war etwas holprig; aber das entschuldigt nicht, dass die Löwen in der ersten Halbzeit mehr Fehlpässe spielten als in den letzten vergangenen Spielen zusammen. Zunächst klärte Hiller noch gegen Markus Gallmaier (10.), aber gegen den abgefälschten Schuss von Josef Eibl, den nicht nur der Stadionsprecher "Beppo" ruft, war der Tormann dann machtlos (12.). Es war das erste Tor, das die Löwen 2017 kassierten.

Ein zweites wäre um ein Haar gefolgt (und hätte dann auch vom Friseursalon präsentiert werden können), als Fuchs einen Fehlpass spielte, Rockinger aber am Helden Hiller scheiterte (24.). Zur Pause führte der Vorletzte gegen den Zweiten 1:0.

Schneller Joker: Sechzigs Menelik Ngu'Ewodo schießt zwei Konter-Tore

Bierofka sagte nach dem Spiel, er sei in der Kabine laut geworden; er habe seine Spieler daran erinnert, dass man in der Regionalliga gegen jede Mannschaft 100 Prozent geben müsse; und er brachte in Felix Bachschmid einen Stürmer für Abwehrmann Eric Weeger. Angreifer Kodjovi Koussou rückte nach hinten, um von dort aus das Löwen-Spiel anzuschieben. Es war dann nicht Koussou, aber ein anderer Defensivmann, der das überraschende 1:1 erzielte: Kapitän Felix Weber traf mit einer Kopfball-Bogenlampe (54.).

Die schneidigen Schaldinger eroberten weiterhin viele Bälle, nutzten fast 180 Kilometer breite Lücken in der 1860-Abwehr, hatten Chancen, scheiterten an Hiller, trafen das Außennetz - und liefen in zwei Konter, die der rasend schnelle Joker Menelik Ngu'Ewodo schnörkellos verwertete (63., 88.). Läuft bei den Löwen. Ein bisschen Bayern-Dusel hatten sie aber schon.

"Wir waren cool", sagte Ngu'Ewodo. "Es war in der ersten Halbzeit keine tolle Leistung, aber wir haben gut reagiert - das zeichnet eine Spitzenmannschaft aus." Apropos Spitze: Der Rückstand zu Unterhaching ist von 21 auf zwölf Punkte geschmolzen. Für Spieler und Trainer ist es kein Thema, die Hachinger noch abzufangen. Für manche Anhänger schon, heißt es aus Fankreisen. Aber nur spaßeshalber. Noch.

Für einige verhaltensauffällige Fans war die Rückfahrt übrigens zunächst in Landshut beendet. Die Polizei sagte am Sonntag, eine Zugbegleiterin habe sie zu Hilfe gerufen und "fünf oder sechs Fans wegen ihres Benehmens des Zuges verwiesen". Offen blieb, wie es die Fans dann nach Hause schafften.

© SZ vom 03.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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