Sport in München:Die Roten und der Rest

Lesezeit: 4 min

Hoeneß hier, Hoeneß da, Hoeneß überall: Am FC Bayern und seinem Präsidenten führt kein Weg vorbei im Spitzensport. (Foto: Alexandra Beier/Bongarts/Getty Images)

Eine Geschichte über die Mechanismen der Macht im Münchner Sport kann bei niemand anderem beginnen als bei Uli Hoeneß. Die Marke FC Bayern überstrahlt alles in der Stadt, aber die eigentlichen Helden sind andere.

Von Ralf Tögel

Ein Blick genügt. Die Pressekonferenz ist gerade vorbei, alles gesagt, erörtert, verkündet. Die vier Protagonisten erheben sich und verlassen langsam das Podium. Plötzlich kommt hektische Betriebsamkeit in den Tross der Journalisten und Kamerateams. Es gilt, einen guten Platz zu ergattern in der Traube, die sich in Sekundenschnelle um Uli Hoeneß bildet. Nebenan stehen Vizepräsident Rudolf Schels, Basketballtrainer Svetislav Pesic und Sportdirektor Marko Pesic wie dekoratives Beiwerk, jeder für sich eine nicht unwichtige Person im Verein.

Doch das öffentliche Interesse fokussiert sich ganz auf den Präsidenten des FC Bayern München. Er soll etwas sagen zur neuen Saison der Basketballer, weswegen er eigentlich hier ist, zu den Fußballern, zur Wahl. Hoeneß könnte auch noch ein paar Gedanken zur Konsistenz seiner Bratwürste, der Untertunnelung des Englischen Gartens oder dem bevorstehenden Weihnachtsfest äußern, es würde dankbar aufgenommen werden. Das bevorstehende Verfahren wegen Steuerhinterziehung ist kein Thema, auch das ist Ausdruck des Stellenwerts des Münchner Ober-Funktionärs.

Eine Geschichte über die Mechanismen der Macht im Münchner Sport kann bei niemand anderem beginnen, als bei Uli Hoeneß. Die Basketballer sind ein anschauliches Beispiel. Bis vor drei Jahren dümpelte die Abteilung im Verein vor sich hin, zweite Liga, kleine Halle an der Säbener Straße, im Schatten der Fußballer, kaum bemerkt. Die übermächtigen Kicker, das oftmals beschriebene Meisterwerk des ehemaligen Managers, als welcher er den Klub zur Weltmarke formte. Jetzt also die Basketballer.

Der Aufstieg als logische Folge

Vor drei Jahren ließ sich der bekennende Basketballfan Hoeneß vom damaligen Vizepräsidenten Bernd Rauch nach jahrelanger Lobbyarbeit mürbe machen und stimmte dem Projekt zu. Nicht ohne sich vorher das Mandat der Basis mittels einer Mitgliederbefragung einzuholen. Dann ging alles ganz schnell. Es kamen zwei Nationalspieler und der Bundestrainer, der Aufstieg in die erste Bundesliga war die logische Folge. Mittlerweile mischen die Bayern die Liga auf, der dritte Titel (nach 1954 und 1955) scheint programmiert zu sein. Der Klub wurde per Wildcard in die Euroleague eingeladen (vergleichbar mit der Champions League im Fußball), wo er als Novize ebenfalls für Furore sorgt.

"Wenn wir etwas machen, dann richtig", pflegt Hoeneß zu sagen, diesem Credo lässt er gerne kleine Machtbeweise folgen. Das Zweitliga-Spitzenspiel gegen Würzburg etwa fand in der ausverkauften Olympiahalle statt, der BR übertrug live. Bis dahin schien es unmöglich, ein Bundesliga-Basketballspiel ins öffentlich-rechtliche Fernsehen zu bekommen. Der Sportart dient die Präsenz des Riesen ungemein, sein langer Schatten aber nimmt den restlichen Münchner Vereinen viel Licht. Licht, das diese brauchen, um selbst zu gedeihen. Sei es bei Sponsoren oder Zuschauern.

Engagement in München
:Macher im Sport

Blind hat sie den Kilimandscharo bestiegen, jetzt macht sich Verena Bentele für Schulsport stark. Auf dem Spielfeld beweist Philipp Lahm sein Können, außerhalb setzt er sich gegen Rassismus und Homophobie ein. Hier stellen wir Ihnen unsere Macher im Sport vor.

Erste Klasse nur in Randsportarten

Diese Erfahrung machen gerade Unterhachings Volleyballer, dem deutschen Pokalsieger ist der Hauptsponsor abgesprungen, weshalb er sich wohl demnächst aus dem Spielbetrieb zurückziehen muss. Erstklassigen Sport gibt es in München (neben Eishockey) ansonsten nur in Randsportarten, Hockey, Lacrosse oder American Football - meist mit Zuschauerzahlen im zweistelligen Bereich. Die Milbertshofener Handballer gewannen Anfang der Neunzigerjahre den Europapokal der Pokalsieger, jetzt spielen sie Landesliga. Für den FCB ist Geld kein Problem, die Basketballer brauchen nicht einmal die Hilfe der prosperierenden Fußballer, darauf legt Hoeneß größten Wert. Es gibt in Deutschland wohl keinen attraktiveren Werbepartner als die Weltmarke von der Isar.

Und das nächste Großprojekt steht schon im Raum, unter Beteiligung eines noch potenteren Partners: Der Spaßgetränke-Hersteller Red Bull, der den ortsansässigen Eishockeyklub EHC vor der Insolvenz gerettet hat, will eine Multifunktionshalle in den Olympiapark bauen. Für Eishockey und Basketball, der FC Bayern soll seine Spiele dort vor bis zu 11 000 Zuschauern bestreiten. Lachender Dritter wäre die Stadt, die sich viel Geld sparen würde und mittels dem Erbbaurecht-Modell im Spiel bliebe. Sollte darüber hinaus die neuerliche Olympia-Bewerbung erfolgreich sein, würde eine weitere große Halle auf dem Gelände entstehen, das ist Vorgabe des IOC.

Es rührt sich was im Spitzensport, doch wie kann der Breitensport in der Landeshauptstadt davon profitieren? Erfolgreiche Sportler sind nach wie vor Idole für Kinder, bringen Nachwuchs in die Sportarten, erklärt Sportamtsleiter Thomas Urban. "Es gibt nachweisbare Zahlen", sagt Urban, "Spitzensport motiviert Menschen, diesen Sport auch zu betreiben." Urban ist der wohl wichtigste Ansprechpartner für die Sportvereine, wenn es um Hallenbelegungen oder Erhalt, Sanierung und Bau von städtischen Sportanlagen geht. Das Sportamt erstellt jährlich eine Prioritätenliste, entschieden wird vom Stadtrat.

Doch auch in diesem Bereich kann es Symbiosen zwischen Profi- und Breitensport geben. Wenn etwa die FCB-Basketballer dereinst in der neuen Arena spielen, kann die zum Audi Dome sanierte Rudi-Sedlmayer-Halle, die ja der Stadt gehört, von Breitensportlern genutzt werden. "Derzeit laufen Gespräche", sagt Urban, auch für die Idee, andere Klubs in die Halle zu lassen, seien die Bayern offen.

"Top Ten" der Wirtschaft
:Wer in München die Macht hat

Eigentlich ist es Nebensache, wer im Rathaus regiert - die wahre Macht in München haben sowieso die Macher aus der Wirtschaft. Wer aber ist der Wichtigste von ihnen? Vielleicht jene verschwiegene Unternehmerin aus Bogenhausen, die unsere Banknoten druckt.

Von Ulrich Schäfer

44 Halleneinheiten bis 2017

Der Bedarf an Hallen und Sportplätzen der Vereine kann in München dennoch bei weitem nicht gedeckt werden. "Die Stadt plant, 44 weitere Halleneinheiten bis 2017 zu bauen", erklärt Urban. Der momentane Bedarf liege bei 100 Einheiten, eine Dreifachhalle zählt deren drei. Auch habe der Stadtrat einen Beschluss verabschiedet, der bei jedem Neubau einer Schule - so räumlich machbar - eine Dreifachhalle vorsieht. Sind die Anlagen im Vereinsbesitz, kann dieser einen Antrag auf Zuschüsse bei der Stadt stellen oder beim Bayerischen Landessportverband (BLSV).

Hier kommt Hans-Ulrich Hesse ins Spiel, der Kreisvorsitzende ist in München BLSV-Ansprechpartner. Für die drängenden Probleme vieler Münchner Vereine bieten diese beiden Gremien zwar wertvolle Hilfestellungen, die Not ist dennoch vielerorts groß. Dabei seien gerade diese Vereine auch für den Spitzensport so wichtig: "Ohne Breite kann keine Spitze entstehen", sagt Norbert Kreitl, kritischer Geist und seit 19 Jahren Vorsitzender des SVN München, dem laut Kreitl mit 6500 Mitgliedern zweitgrößten Verein in der Stadt. Insgesamt gibt es aktuell 712 Vereine und etwa 700 000 darin organisierte Sportler in München. Doch nicht die Größe eines Vereins sei entscheidend, sagt Kreitl, sondern seine Kreativität.

Wäre sein SVN allein von Zuschüssen und Mitgliedsbeiträgen abhängig, dann "könnten wir morgen unsere Aufgaben nicht mehr wahrnehmen", sagt Kreitl. Sponsorengelder seien zu vernachlässigen, "wir müssen solide wirtschaften wie ein Unternehmen". Es gelte Überschüsse zu erwirtschaften, erklärt der Vorsitzende, was der SVN in erster Linie mit einem Fitnessstudio mache. Dieses Geld werde wiederum in andere Bereiche wie Jugendarbeit gesteckt. "Wir müssen ständig neue Ideen entwickeln und umsetzen", sagt Kreitl, etwa "Kooperationen mit Firmen in unserem Stadtteil". So biete der SVN günstige Beiträge oder Kurse an, erhalte im Gegenzug Zuschüsse von der Firma. Kreitl hat in diesem Jahr den Ehrenamtspreis des BLSV für Innovation erhalten. Bei der Verleihung hat er mehr Unterstützung durch die Verbände angemahnt.

Wer denn nun die Protagonisten in der Münchner Sportlandschaft seien? Kreitl muss keine Sekunde überlegen, er sagt: Natürlich überstrahle die Marke FC Bayern alles. Aber "die eigentlichen Macher im Münchner Sport sind alle Männer und Frauen, die ehrenamtlich tätig sind".

Morgen in der Serie: Wer in Münchens Gastronomieszene das Sagen hat

© SZ vom 06.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Kulturmacher in München
:Keine Könige und mächtige Manager

Christian Stückl kennt fast jeder. Als Intendant des Münchner Volkstheaters prägt er die Kulturszene der Stadt - so wie viele unabhängige Theater-Verrückte, Tanz-Wütige, Musik-Fanatiker oder Freie-Szene-Freunde. Hier stellen wir Ihnen unsere Top-Ten vor.

Von Egbert Tholl und Karl Forster
Jetzt entdecken

Gutscheine: