Kulturmacher in München:Keine Könige und mächtige Manager

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Christian Stückl kennt fast jeder. Als Intendant des Münchner Volkstheaters prägt er die Kulturszene der Stadt - so wie viele unabhängige Theater-Verrückte, Tanz-Wütige, Musik-Fanatiker oder Freie-Szene-Freunde. Hier stellen wir Ihnen unsere Top-Ten vor.

Von Egbert Tholl und Karl Forster

Jede Stadt hat ihr ganz eigenes kulturelles Gesicht. Es wird geprägt von ihren Bewohnern, von deren Gemütszustand und über Generationen gewachsenen Vorlieben. Ihnen zu Diensten stehen die Kulturmacher, die sich zwar gerne als Manager verstehen, letztendlich aber nichts weiter sind als Dienstleister, Dienstleister am Publikum, das diesen Dienst dann goutiert oder auch nicht.

Dazu zählen amtlich bestallte Kulturmöglichmacher auf politischen oder halbpolitischen Posten, dazu zählen aber auch Mäzene und Sponsoren und eine ganze Riege von Mitbürgern, die die Organisation von kulturellen Ereignissen als privatwirtschaftliche Aufgabe verstehen; wobei das Wort "wirtschaftlich" nicht immer zutrifft, weil ohne öffentliche Gelder solche Unternehmungen oft gar nicht möglich wären. Manche nennen es deshalb auch "Mission".

Das kulturelle Gesicht Münchens hat ein sehr vielfältiges Mienenspiel. Es gibt den satten, leicht behäbigen Gesichtsausdruck der Abonnenten, zufrieden, wenn Oper, Theater und Konzert Erwartbares liefern, aber schnell grantig bis zum lauten Buh, wenn das Erwartbare dem Experiment, dem Neuen geopfert wird.

Doch ohne Aufregung wäre es doch fad, und das Reden über Kultur, ganz Monaco-Franze-mäßig, wird bestimmt von dem, was die großen Institutionen darbieten, die Staatsoper und das Gärtnerplatztheater, das Residenztheater, die Kammerspiele, das Volkstheater und die Schauburg. Dazu kommen natürlich die großen Orchester, die Platzhirsche Münchner Philharmoniker, das Staatsorchester und das BR-Symphonieorchester, aber auch das Rundfunkorchester, das Münchener Kammerorchester, die Münchner Symphoniker.

Es geht nicht um Geld, sondern um Kunst

Was vergessen? Einen Riesenhaufen. Denn neben den vollsubventionierten Einrichtungen gibt es die Geschickten und die Wahnsinnigen, die Selbstausbeuter und Enthusiasten. Nicht, dass die oben erwähnten nicht auch von solchen für die Kunst brennenden Menschen bevölkert würden, aber schon bei den institutionalisierten Einrichtungen kommt es darauf an, wo man gelandet ist, ob man wirklich ein gutes Auskommen haben kann. Aber wir reden nicht von Geld, sondern von Kunst.

Von der klassischen Musikstadt München beispielsweise. Einerseits gibt es hier drei der weltbesten Orchester, sie geben zusammen im Jahr etwa 160 Konzerte; andererseits gibt es - in der allerhöchsten Kunstansprüchen genügenden professionellen Liga - in eben jeder Saison noch eine riesige Zahl von Konzerten, die stattfinden, weil private Veranstalter dafür sorgen.

Redet man von der Musikstadt München, dann redet man von mindestens 350, wohl eher 400 oder mehr Konzerten pro Jahr, die Schessl, Pauli, Schreyer, Hörtnagel, Winderstein und Lenz und noch ein paar andere organisieren. Dann spricht man von der unübersehbaren Fülle von Ensembles - bis hin zur symphonischen Größe des Bach-Collegiums -, von Chören und Kammermusikern, deren unermüdliches Wirken erst die sogenannte Musikstadt München komplettieren. Und die oft dabei schauen müssen, wie sie über die Runden kommen.

Was natürlich alle kulturellen Bereiche trifft. Filmschaffende, Kunstschaffende, Literaten und Verleger. Da trifft es sich gut, dass nun Hanserchef Michael Krüger den Vorsitz der Akademie der Schönen Künste übernimmt. Das passt irgendwie.

Zusammenspiel: Kabarettisten, Schauspieler, Drehbuchspezialisten, Musiker - bei der Tollwood-Jubiläumsproduktion 2013 von Ludwig Thomas "Erster Klasse" wirkten alle freien Radikalen der Münchner Szene mit. (Foto: Wackerbauer)

Jeder Kommune hält sich einen Kulturreferenten

Natürlich, jede Kommune, die was auf sich hält, hält sich auch einen politisch verantwortlichen Kulturorganisator, den Kulturreferenten. In München ist das seit 2007 Hans-Georg Küppers, ein Mann von so dezenter wie konsequenter Durchschlagskraft, der dennoch wohl manchmal verzweifelt, weil längst nicht alles, was er gerne ermöglichen würde, angesichts des städtischen Haushalts möglich ist. Den fressen in der Kultur vor allem Volkshochschule, Philharmoniker, Stadtbibliothek, Kammerspiele und ein paar Museen auf. Dann kriegen noch das Volkstheater und das Kammerorchester etwas, der Rest ist, grob gesagt, freie Szene, in der manche halbfrei (regelmäßige Förderung wie etwa von Spielstätten), manche frei (mal gibt es Geld für ein Projekt, mal nicht), andere völlig frei (also förderungslos) spielen und kreieren und darstellen und weiß der Teufel was sonst noch alles machen.

Vor 20, 25 Jahren beispielsweise gab es in München eine Fülle von Spielstätten der freien Theaterszene, die lockten vielleicht so viele Zuschauer an wie die beiden großen Bühnen in der Stadt. Inzwischen sind es nur noch wenige, weil sich die Vorlieben des Publikums und die künstlerischen Prozesse verändert haben (und weil immer auch zu wenig Geld da ist).

Aber es gibt sie noch, das Metropol, das TamS, das Teamtheater, das Pathos und das Schwere Reiter, das I-Camp und das Theater. . .undsofort, sogar die Blaue Maus ist noch da, alle erhalten ein bisschen Geld, manche mehr, manche weniger. Und wer von München als Theaterstadt spricht, der meint nicht nur eine Einladung zum Berliner Theatertreffen, der meint auch das Unwägbare, Freie, Seltsame in grindigen Kellern und halb abbruchreifen Häusern - auch wenn es hier längst nicht so zugeht wie in Berlin, wo es allerdings auch mehr arbeitslose Schauspieler gibt.

Küppers gegenüber gibt es Toni Schmid, der sitzt im Kunstministerium und sorgt als Strippenzieher im Hintergrund bei den staatlichen Museen und Theatern dafür, dass München leuchtet. Mit immer wieder spektakulären Personalentscheidungen: mutigen - wie Okwui Enwezor an die Spitze des Hauses der Kunst zu manövrieren -, fabelhaften - wie Kirill Petrenko als Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper zu berufen.

Halb politisch, aber sehr öffentlich ist auch das Amt des Intendanten des Bayerischen Rundfunks. Und das nicht nur des Kulturauftrags als öffentlich-rechtlicher Sender wegen, dem er mit Zündfunk auf Bayern 2 oder TV-Sendungen wie "Quer" ganz vorzüglich nachkommt. Intendant Ulrich Wilhelm ist schließlich auch Arbeitgeber für zwei Qualitätsorchester und einen Profi-Chor höchsten Renommees, darin gehen viele Rundfunkgebühren auf.

Und was ist mit den Freien?

München profitiert also davon, eine Schnittstelle von staatlichen, städtischen und öffentlich-rechtlichen Einrichtungen zu sein. Die alle haben Leiter, Intendanten und Manager, die sich um die Belange der jeweiligen Einrichtungen kümmern. Und die Freien? Die schreiben dann: "Natürlich wäre eine solche Produktion nicht möglich ohne unsere Sponsoren. . ." in ihre Programmhefte.

Der Satz ist Indiz dafür, dass zum einen diese freie Szene so frei auch wieder nicht ist, dass aber auch Münchens Wirtschaft ein kräftig brummender Motor für das kulturelle Leben der Stadt ist. Und weil es gerade brummt, sei als Beispiel auf das Theaterfestival "Spielart" verwiesen, welches es ohne den Verein "Spielmotor" nicht gäbe. Dieser Verein wurde vor 30 Jahren von BMW und der Stadt München gegründet. Ohne ihn hätte es keine Alabamahalle gegeben und gäbe es heute weder das Festival "Dance" noch eben jenes namens "Spielart", zu dem die Stadt auch noch ordentlich beisteuert. Sponsoring ähnlicher Art verdankt die Stadt die Hypo-Kunsthalle oder den Siemens Musikpreis. Nicht zu vergessen: die Kulturstiftung der Stadtsparkasse München, ein Institut, das quasi alle Felder der Kultur mit Finanzen düngt.

Jenseits all dieser am Tropf irgendwelcher Geldgeber hängenden Organisatoren kultureller Ereignisse wirkt die Privatwirtschaft als direkt die Unterhaltungsszene beeinflussende Größe. Und die ist in München weit überdurchschnittlich aktiv. Eine gute Hand voll großer Schauspieleragenturen sorgen für Leben auf den - nicht nur - privaten Bühnen und vor den Film- und Fernsehkameras. Falckenbergschule, Theaterakademie und diverse engagierte private Unterrichtseinrichtungen bringen dem Nachwuchs das dafür nötige Handwerk bei - und lassen Kritiker die eine oder andere Entdeckung feiern.

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Eigentlich ist es Nebensache, wer im Rathaus regiert - die wahre Macht in München haben sowieso die Macher aus der Wirtschaft. Wer aber ist der Wichtigste von ihnen? Vielleicht jene verschwiegene Unternehmerin aus Bogenhausen, die unsere Banknoten druckt.

Von Ulrich Schäfer

Tickets verticken auf Teufel komm raus

Wobei gerade die Funktion der Medien für die Kulturszene eine eigene Betrachtung wert wäre. Das sagen vor allem jene privat Wirkenden, die Kultur verkaufen müssen, um zu ihrem Geld zu kommen: die Veranstalter. Ob Pop oder Klassik oder die Überregionalen und Internationalen mit ihren lokalen Ablegern, für alle heißt es: Tickets verticken auf Teufel komm raus. 2387 Sitze hat die Philharmonie. Die müssen erst einmal verkauft werden.

Denn die Saalmiete liegt weit im fünfstelligen Bereich, ein Orchester unter 20.000 Euro pro Abend gilt dem verwöhnten Münchner Publikum als nicht satisfaktionsfähig, ein Solist weiß meist dank seines Agenten um seinen Preis. Da kommt einiges zusammen. Und man kann verstehen, dass der Veranstalter als solcher gerne einen sehr direkten Draht zu den Mächtigen der Vorankündigungen in Presse, Rundfunk und Fernsehen hätte. Und manchmal auch hat. Trotzdem: 70.000 Fans ins Olympiastadion zu locken, verlangt eine gewisse Risikobereitschaft.

Kleine Könige der Kulturlandschaft aber sind jene, die sich die Bühne für ihre Veranstaltungen selbst geschaffen haben. Die (weitgehend) unabhängig vom öffentlichen Tropf handeln können. Die einen Weg gefunden haben, das Publikum so zu faszinieren, dass es ihnen treu bleibt. Ob Peppi Bachmeier im Fraunhofer mit seinem kleinen Theater, ob der kulturelle Multiunternehmer Till Hoffmann, ob die kreativ gegen die Internetisierung der Buchbranche kämpfende Buchhandlung Lehmkuhl oder ob Rita Rottenwallner mit ihrem Tollwood-Festival, sie eint eines: die Freiheit im kulturellen Überlebenskampf. Und das gibt Münchens kulturellem Gesicht eine so gesunde Farbe.

Morgen in der Serie: Wer die Sportstadt München prägt

© SZ vom 05.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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