Sperrzeiten in Tram und S-Bahn:Radler wollen mehr Rechte in der Bahn

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Platz gibt es selten und die Fahrradkarte kostet in München mitunter mehr als das Ticket für den Radler: ADFC und Bund Naturschutz fordern, die Mitnahme von Fahrrädern in Bussen und Bahnen zu erleichtern - und stoßen damit auf wenig Gegenliebe.

Von Marco Völklein

Wenn Martin Glas vom Radfahrerverband ADFC in andere Städte schaut, wird er mitunter ganz wehmütig. "In Berlin zum Beispiel gibt es keine Sperrzeiten für die Fahrradmitnahme in U- und S-Bahnen." Zudem können Radfahrer in der Bundeshauptstadt ihre Gefährte meist ohne größere Probleme in der Trambahn transportieren, ebenso im badischen Karlsruhe oder im nordhessischen Kassel. "In München ist das undenkbar." Allerdings nicht für den Radaktivisten Glas. Und ebenso wenig für Martin Hänsel vom Bund Naturschutz (BN). Beide plädieren für spürbare Verbesserungen für Radfahrer im Münchner Nahverkehr.

So sei es "ein Unding, dass ein Radfahrer, der beispielsweise auf einer Kurzstrecke sein Rad mitnehmen möchte, ein Fahrrad-Tagesticket für 2,50 Euro kaufen muss - und damit die Radmitnahme fast doppelt so teuer ist wie die Kurzstreckenfahrt", findet Glas. In Berlin zum Beispiel können Vielnutzer eine Monatskarte für die Radmitnahme erwerben. In Hamburg wiederum können Käufer einer Gruppen-Tageskarte entscheiden, ob sie damit bis zu fünf Personen transportieren wollen. Oder aber statt Menschen lieber ein oder zwei Fahrräder darauf mitnehmen.

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Auch BN-Mann Hänsel ist der Meinung, dass "die Fahrradmitnahme im MVV einfacher und besser werden muss, vor allem auch in der Hauptverkehrszeit". Dazu allerdings, das räumen beide Radaktivisten ein, sei es erforderlich, deutlich mehr Kapazitäten in den Fahrzeugen zu schaffen. "Ich kann jeden Pendler verstehen, der sauer ist, wenn jemand versucht, sich mitsamt Fahrrad in die eh schon übervolle S-Bahn zu quetschen", sagt Hänsel.

Eine Abschaffung oder Lockerung der Sperrzeitenregelung lehnen die Verantwortlichen bei den Nahverkehrsunternehmen daher auch strikt ab. Dass derzeit morgens und am Nachmittag Fahrräder in den U- und S-Bahnen nicht erlaubt sind, sei "aufgrund der Auslastungssituation während der Hauptverkehrszeiten dringend erforderlich", sagt Martin Schenck vom Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV).

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In den Trambahnen sind Velos grundsätzlich untersagt - auch weil im Münchner Netz aus historischen Gründen Niederflurstraßenbahnen mit maximal 2,30 Meter Breite zugelassen sind, ergänzt Matthias Korte von der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG). Die Räder würden nicht nur viel Platz wegnehmen, sondern auch noch "Zugangs- und Bewegungsflächen unakzeptabel verstellen".

Dennoch, findet ADFC-Mann Glas, könnte der MVV sich in diesem Punkt kundenfreundlicher zeigen - und zum Beispiel morgens eine Radl-Mitnahme in den stadtauswärts fahrenden S-Bahnen ab der Stadtgrenze gestatten. MVV-Vertreter Schenck aber glaubt, dass dies "nicht praktikabel" - und eine so komplizierte Regelung "unseren Kunden nicht zu vermitteln" wäre.

Zudem wachse die Nachfrage zahlreicher Nutzergruppen stetig, ergänzt MVG-Sprecher Korte. "Die Folge sind Engpässe und zunehmende Nutzerkonflikte: Rollstuhlfahrer, Kunden mit Kinderwagen sowie Fahrgäste mit Rollatoren haben Vorrang." Sie bräuchten den Platz dringender als Radfahrer, sagt Korte.

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Dennoch findet BN-Mann Hänsel, dass München mehr machen müsste, um die kombinierte Nutzung von Bussen und Bahnen auf der einen und Fahrrädern auf der anderen Seite zu fördern. In der Schweiz oder in Kanada zum Beispiel haben Verkehrsbetriebe schon seit Jahren an ihren Bussen spezielle Ständer, sogenannte "Bike-Racks", montiert, in denen die Kunden ihre Fahrräder einhängen können. In manchen deutschen Ferienregionen kuppeln die Firmen auch Anhänger an die Busse, in denen die Urlauber ihre Velos verstauen können. Das, findet Hänsel, wäre zumindest auch auf einigen Strecken in München oder seinem Umland denkbar.

Anhänger oder Bike-Racks

Laut MVV-Mann Schenck gibt es derzeit aber "noch keine näheren Überlegungen" in diese Richtung. Das Netz aus S-Bahnen und Regionalzügen sei im MVV-Raum ausreichend eng geknüpft, um zum Beispiel Ausflüglern am Wochenende genügend Möglichkeiten für die Fahrradmitnahme zu bieten. Auch die MVG hält nichts von Bike-Racks oder Anhängern speziell für Fahrräder. Diese seien "im eng getakteten, hoch belasteten und auch räumlich eingeschränkten Stadtverkehr kein Thema", sagt Korte. Die Busse würden an den Haltestellen nur unnötig lange aufgehalten, wenn Radfahrer dort Räder auf- oder abladen würden. "Die Fahrzeitverluste würden sämtliche Bemühungen konterkarieren, den Nahverkehr trotz zunehmender Auslastung attraktiver zu gestalten."

Die Politik müsse "schnellstmöglich bessere Rahmenbedingungen schaffen", sagt dennoch Naturschützer Hänsel, um zum Beispiel mehr Züge anzuschaffen und so das Platzangebot zu erweitern. Im Kopf spukt ihm zum Beispiel seit Längerem ein Busanhänger herum, in dem es keine Sitzplätze gibt - sondern nur Haltestangen. Und jede Menge Platz für Fahrräder, Kinderwägen oder Rollstühle. Das allerdings trifft beim MVV auf wenig Gegenliebe: "Der Wunsch einer sehr großen Mehrheit der Fahrgäste nach einem Sitzplatz ist sehr ausgeprägt", sagt MVV-Mann Schenck. Verzichte man in den Bussen auf Sitzplätze zugunsten von Fahrrädern, seien "massive Fahrgastbeschwerden" zu erwarten.

© SZ vom 07.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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