Soziologie:"Recht auf Reparatur"

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Tom Hansing hat in München und Berlin Soziologie studiert. Seit neun Jahren arbeitet er für die Stiftung Anstiftung, die unter anderem in Sendling ein Repair-Café betreibt. (Foto: Privat)

Warum es wichtig ist, Dinge zu retten, anstatt sie wegzuwerfen

Interview von Sabine Buchwald

Der Soziologe Tom Hansing beschäftigt sich seit Jahren mit dem Wert von Dingen. Zusammen mit Professoren der Hochschule München und Wolfgang M. Heckl, Leiter des Deutschen Museums, diskutiert er am Sonntag über eine neue Reparierkultur.

SZ: Was ist ein Maker?

Tom Hansing: Der Begriff geht auf die Zeitschrift Make aus den USA zurück. Gemeint sind Bastler neuen Typs, die sich auch mit digitalen Fertigungsmethoden beschäftigen, etwa mit 3-D-Druck oder dem Programmieren von Ein-Platinen-Rechnern. Aber auch wer schweißt, schraubt, flext, repariert ist ein Maker, also ein Macher.

Sie werden mit Professoren über Reparaturfähigkeit diskutieren. Wieso ist das Reparieren ein akademisches Thema?

Man hat heute ein transdisziplinäres Verständnis von Wissenschaft. Im Ingenieurwesen spielen längst auch soziologische und ökologische Fragen eine Rolle. Unser Ansatz ist, die Nutzungszeit so lange wie möglich auszudehnen. Deshalb ist Reparieren ein Gegenentwurf zur Wegwerfindustrie geworden, wenn Hersteller ihren Produkten nur noch eine begrenzte Lebenszeit gewähren.

Wenn man Kuchen will, holt man ihn schnell beim Bäcker. So geht es mit vielen Alltagsbedürfnissen. Warum sollte man selbst die Finger krumm machen?

Weil man dadurch viel lernt und weil es große Freude bereitet, eigene Dinge in die Welt zu bringen. Kaufen macht nicht langfristig glücklich. Und der unkritische Glaube an Expertentum erzeugt Unsicherheit. Wer etwas selber macht, lernt Entscheidungen zu treffen und mit den Konsequenzen konstruktiv klar zu kommen.

Aber wer hat schon immer Zeit dafür?

Man muss sie sich halt nehmen. Der selbstbestimmte Einsatz von Zeit ist eine neue Form von Wohlstand.

Wie erklärt man Kindern, welchen Wert Handarbeit eigentlich hat?

Indem man Ihnen Erfahrung damit ermöglicht. Leider aber erfahren sie oft, dass ihr Tun sinnvoll und am besten berufsorientiert sein muss. Dabei wissen wir doch heute nicht, welche Kompetenzen später lebensnotwendig sind. Eine Idee wäre, Bibliotheken auch als offene Infrastruktur mit Werkstätten zu nutzen. Literatur ist gesellschaftliches Kulturgut, handwerkliche Arbeit und Experimentierfreude.

Dennoch gibt es keinen Werkunterricht mehr an Schulen.

Wir reden viel über künstliche Intelligenz, aber es gibt menschliche Begabungen, die keine Maschine ersetzen wird. Wenn man handwerklicher Arbeit keinen Freiraum gibt, dann verkümmert diese Kulturtechnik. Auch mit Smartdevices lässt sich experimentieren. Das Verstehen von Software könnte eine neue Spielwiese werden.

Was denken Sie auf einem Wertstoffhof?

Was für ein fantastisches Potenzial hier wartet. Er könnte ein "Mehrwerthof" sein, von wo aus so viele Stoffe und Materialien in einen anderen Kreislauf gebracht werden könnten. Nicht nur für Bastelarbeiten.

Wie könnte das laufen?

Elektrogeräte wären doch wunderbare Ersatzteillager. Nach dem Prinzip der Lebensmittelretter in Supermärkten müssten die Sachen einfach freigegeben werden. Denkbar wäre eine Art Transitzone, in der bestimmte Dinge für ein paar Wochen zugänglich sind.

Dinge einfach mitzunehmen ist verboten.

Eben. Deshalb ist ein gesetzliches Recht auf Reparatur und uneingeschränkten Zugang zu Ersatzteilen - insbesondere von der Industrie - so wichtig. Die Reparierbewegung ist da. Dieses Jahr werden wir wohl 1000 Repair-Cafés in Deutschland haben. 2014 waren es erst ein paar wenige. Das ist aktiver Umweltschutz.

© SZ vom 01.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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