Sinnvolle Abwechslung:"Das Rumhängen mit Kumpels hat auch seinen Sinn"

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Der Psychologe Bernhard Kühnl leitet die städtischen Beratungsstellen für Eltern, Kinder und Jugendliche. (Foto: Stephan Rumpf)

Erziehungsberater Bernhard Kühnl erklärt, wie Eltern und Kinder die Sommerferien gestalten können - mit Erlebnissen und Erholungszeiten

Interview von Kathrin Aldenhoff

Sechs Wochen Sommerferien haben Eltern und Kinder in Bayern von diesem Freitag an vor sich. Aber wie lässt sich diese lange Pause am besten nutzen? Wie viel Zeit brauchen Kinder, um einfach gar nichts zu machen, und welche Angebote sollen Eltern ihren Kindern machen? Bernhard Kühnl, Psychologe und Leiter der städtischen Erziehungsberatungsstellen, über die richtige Mischung aus erleben und rumhängen.

SZ: Herr Kühnl, sollten Kinder in den Ferien machen dürfen, was sie wollen?

Bernhard Kühnl: Nein, sollten sie nicht. Kinder haben manchmal Wünsche, die über ihre Möglichkeiten und Fähigkeiten hinausgehen - wenn zum Beispiel eine 13-Jährige vier Wochen alleine nach Spanien fahren möchte oder ein Achtjähriger sechs Wochen lang Computer spielen will. Aber natürlich sollten Kinder in den Ferien Dinge erleben können, die sie im Alltag nicht machen können.

Warum ist es wichtig, dass Kinder in den Ferien nicht nur vor dem Computer oder der Playstation sitzen?

Die Playstation ist nicht zu verteufeln, auch an der kann man Erfahrungen machen. Es sind allerdings virtuelle Erfahrungen. Wenn Kinder rausgehen, haben sie reale Erfahrungen. Die würde ich bevorzugen.

Sind die realen Erfahrungen wertvoller für die Entwicklung?

Wenn Kinder etwas wirklich erleben, müssen sie ihre Sinne schärfen und aktivieren. Deswegen sollten Kinder in den Ferien auch rausgehen und dort etwas erleben. Für solche Erlebnisse braucht es keine Flugreise, die können sie auch in München und in der Umgebung machen. Ferien weit weg sind keine besseren Ferien.

Es geht also darum, Dinge zu machen, für die sonst wenig Zeit ist?

Ja, und darum, neue Erfahrungen zu machen - einen Theaterworkshop zu machen zum Beispiel, einen Zirkusworkshop, Kanufahren, Paddeln, was auch immer. Der Urlaub kann dazu dienen, Dinge auszuprobieren.

Gar nicht so einfach für die Eltern, sich ein buntes Programm für sechs Wochen auszudenken.

Normalerweise haben die Eltern nicht so lange Urlaub wie ihre Kinder Ferien haben. Sie sind oft auf Ferienprogramme angewiesen. Aber auch die gemeinsame Zeit sollten Eltern mit ihren Kindern planen. Und sich überlegen, ob sie einen Ausflug machen wollen, mit dem Rad oder zum Baden, was auch immer. Das ist besser, als die Wochen vor sich hinplätschern zu lassen. Auch wenn natürlich das Nichtstun ebenfalls seinen Sinn hat.

Wofür ist denn Nichtstun gut?

Wir leben in einer sehr hektischen Gesellschaft und kommen selbst nicht mehr zum Luftholen. Auch unsere Kinder kommen aufgrund der vielen Anforderungen, die wir an sie stellen, nicht mehr zum Nichtstun. Dazu, die Seele baumeln zu lassen. Dabei ist das eine wichtige Erfahrung, die wir alle machen müssen. Die besten Ideen kommen manchmal erst durchs Nichtstun. Auch Kinder brauchen Zeiten, in denen sie nicht in ein Programm eingetaktet sind. In denen nicht jede halbe Stunde eine neue Aktivität ansteht.

Was mache ich, wenn mein Kind auf nichts Lust hat und nur mit seinen Kumpels rumhängen will?

Wenn es mit Kumpels rumhängt, dann macht es ja schon was. Dann müssen Sie akzeptieren, dass Ihr Kind in einer Phase des Rumhängens ist. Sie können versuchen, Ihr Kind zu motivieren, können Unternehmungen ja teilweise auch noch vorgeben. Aber das Rumhängen mit Kumpels hat auch seinen Sinn. Für Jugendliche haben Eltern nicht mehr die Wichtigkeit, die sie für ein fünf Jahre altes Kind haben.

Wie sehen die idealen Ferien aus?

Die gibt es nicht. Eltern sollten das immer mit ihrem Kind besprechen, denn Kinder haben sehr unterschiedliche Bedürfnisse. Allgemein lässt sich sagen, dass Ferien eine Mischung sein sollten aus Nichtstun und Aktivitäten, mit und ohne Eltern und auch mit anderen Kindern. Ob das Kind mehr mit anderen Kindern oder ob die Eltern mehr mit ihrem Kind machen möchten, das muss die Familie gemeinsam abstimmen. Ferien und Urlaub sind eine Möglichkeit, aus dem Alltagstrott rauszukommen. Diese Möglichkeit sollten auch Kinder haben.

© SZ vom 25.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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