Serie Mensch und Tier:Adler und Ameisenbär

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Steinadler Adonis umfasst den Handschuh von Stephanie Schmidl ganz vorsichtig. Er könnte auch anders, mit 80 Kilogramm Greifkraft. (Foto: Catherina Hess)

Stephanie Schmidl hat es mit Greifvögeln und Termiten-Fressern zu tun. Die einen fliegen, die anderen laufen, und beide können einem durchaus gefährlich werden

Von Philipp Crone, München

Der spitze, nach unten gebogene Schnabel des Steinadlers ist zehn Zentimeter von Stephanie Schmidls linkem Auge entfernt. Die 26-jährige Tierpflegerin, rotbraunes Haar, zum Pferdeschwanz gebunden, hält den Adler Adonis auf ihrem linken Arm. Das Tier, zehn Jahre alt, rotbraunes Federkleid, ist mit einem Seil an ihrem Lederhandschuh angeleint.

Adonis fiepst und schnappt leicht mit dem Schnabel, als bekäme das Tier keine Luft. "Das ist das Zeichen für: Ich möchte etwas zu essen", sagt Schmidl. Adonis reibt seinen Schnabel jetzt an Schmidls linker Schulter. Es wirkt fast wie die vertrauliche Geste unter Menschen. "Unter hundert Adlern findet man wahrscheinlich nur zwei, die so brav sind wie er." Das ist gut für Schmidl, vor allem für ihren Rücken und ihren linken Arm. Denn wäre das Tier nicht so zahm, müsste die Pflegerin es bei der Greifvogel-Show weit von sich weg halten. Wobei noch gefährlicher als der Schnabel die Krallen der Tiere sind. "Die haben 80 Kilogramm Griffkraft, die können damit Rehe erlegen."

Stephanie Schmidl möchte, dass das Tier seine Flügel aufmacht, was Adonis auch sofort tut. Dafür hat die 26-jährige Frau ihren linken Arm, auf dem das Tier sitzt, leicht nach hinten und dann wieder nach vorne gedreht. Dadurch muss der Vogel das Gleichgewicht wieder finden und breitet dafür die Flügel aus, damit ist er mit seinen zwei Metern Spannweite für einen Moment deutlich breiter als Schmidl hoch. Der Steinadler scheißt kurz, was in der Ornithologensprache abschmelzen heißt. "Das machen sie oft, bevor sie losfliegen." Und da der Vogel gerade im Freien ist, erwartet er, gleich fliegen zu können. Schmidl streicht ihm durch die Federn, "unglaublich seidig".

Die 26-Jährige hat vor elf Jahren in Hellabrunn ihre Ausbildung angetreten, war zwischendurch auch in Österreich und in der Tierklinik von Gut Aiderbichl, seit dem Jahr 2012 ist sie wieder in Hellabrunn, und da für Adonis und Co., aber auch zum Beispiel für Xippe zuständig. Ein Tier, das nicht fliegen kann und harmlos aussieht, es aber nicht ist: eine 18 Jahre alte Ameisenbärin. "Diese Tiere fressen normalerweise Termiten." Bis zu 30 000 am Tag. "Es ist aber für einen Zoo zu teuer, dafür extra Termiten zu halten." Xippe bekommt deshalb in Hellabrunn einen Brei aus Hackfleisch, Bananen, Eiern und Haferflocken.

Wenn Stephanie Schmidl allerdings zu Ameisenbär Xippe ins Gehege kommt, muss sie aufpassen. "Die haben unglaublich viel Kraft in den Vorderbeinen." Vor Jahren stand Schmidl einmal dem Tier im Weg, "und die hat mich, bevor ich was kapiert habe, einfach umgehauen". Mit den kräftigen Armen knacken die Tiere in freier Wildbahn die Termitenhügel. "Außerdem haben sie lange Krallen, die man nicht sieht, weil sie auf den Knöcheln laufen."

Allerdings sind Xippes Krallen kein Vergleich zu denen von Steinadler Adonis, der dazu auch noch die sprichwörtlich guten Augen hat. Aus ihrer Flughöhe von etwa 30 Metern oder mehr könnten die Tiere theoretisch diesen Text in der Zeitung lesen und vor allem auf einem der Fotos jederzeit die Maus von der Ratte unterscheiden. Schmidl hat im Übrigen "auch Adleraugen", das bedeutet, wenn sie mit Freunden in den Zoo kommt, was sie gerne macht, um zum Beispiel die Giraffen zu besuchen, dann sieht sie Adonis auch schon von Weitem und nicht nur er sie. Wenn er nicht gerade in seiner mit Holz ausgekleideten Voliere ist. "Holz muss es sein, weil die Tiere bei einem Gitter, obwohl sie es sehen, dagegenfliegen würden, weil sie solche Strukturen nicht kennen."

Adonis, dieser Adler mit dem griechischen Namen des Schönlings, trägt aber an guten Tagen auch selbst direkt dazu bei, dass seine Pflegerin gut aussieht. "Er zupft mir manchmal die Augenbrauen", sagt Schmidl.

© SZ vom 28.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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