Seminare:"So habe ich das noch nie gesehen"

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Schülerinnen des Rasso-Graf-Gymnasiums in Fürstenfeldbruck sehen sich die Ausstellung an. (Foto: Robert Haas)

Viele Lehrer und ihre Schulklassen besuchen die Ausstellung - das Vorwissen der Kinder und Jugendlichen ist dabei höchst unterschiedlich

Von Christina Rebhahn-Roither, München

Es ist viel los im NS-Dokumentationszentrum. Zwischen einer Gruppe, die den Rundgang auf Spanisch gebucht hat, und einzelnen Besuchern kann man kaum verstehen, was die Schüler des Graf-Rasso-Gymnasiums erzählen und fragen. Die neunte Klasse aus Fürstenfeldbruck steckt mitten in einem Rechercheseminar.

Nachdem sich die Schüler zu Beginn individuell umschauen durften, sollen sie in Kleingruppen zum Thema Ausgrenzungsgesellschaft recherchieren und ihren Klassenkollegen die Ergebnisse präsentieren. Drei Schülerinnen sitzen vor einer Wand und haben schon einen Schriftzug entdeckt, den sie den anderen zeigen möchten. "Es ist Juden ab 6 Jahren vom 19. September an verboten, sich in der Öffentlichkeit ohne Judenstern zu zeigen. (1.9.1941)" Für die Mädchen ein ganz klares Zeichen von Ausgrenzung. Ihr Klassenkamerad Johann von Laffert informiert sich währenddessen im Lernforum über die "Volksgemeinschaft" während der NS-Zeit und sagt: "Hier ist es spannender als auf vielen anderen Schulausflügen. Ich bin historisch interessiert und kann hier auch mal neue Dinge erfahren."

Claudia Schuster, die Geschichtslehrerin der Klasse, ist mit dem Angebot sehr zufrieden. "Es kommt durch die vielen Bilder und Filme so viel Input dazu, wo man sagt: Das habe ich noch nie gehört, so habe ich das noch nie gesehen. Vieles wird ja im Unterricht eher lehrbuchmäßig abgearbeitet." Manche ihrer Schüler wünschen sich auch noch mehr Filmmaterial in der eher textlastigen Ausstellung, denn die Sequenzen kommen besonders gut an. "Ich fand am spannendsten, dass ein Film über den Platz, der draußen ist, gezeigt wird. Während man den Film schaut, kann man auf den Platz schauen und vergleichen, wie es damals war und jetzt ist", erzählt Schülerin Klara Strüder. Einige der Schüler wussten nicht, dass das Dokumentationszentrum bewusst dort errichtet wurde, wo früher die Parteizentrale der NSDAP stand. Doch diese Wissenslücke ist winzig, verglichen mit der, die das Forsa Institut 2017 als Ergebnis einer repräsentativen Befragung präsentierte. Fast die Hälfte der 14 bis 16 Jahre alten Schüler wissen nicht, dass Auschwitz-Birkenau ein Konzentrationslager beziehungsweise ein Vernichtungslager war.

Der freie Mitarbeiter für Gruppenrundgänge, Frank Benninger, tut sich schwer damit, das Vorwissen von Schülergruppen einzuschätzen: "Sie sind auf jeden Fall interessiert an dem Thema und den meisten ist klar, dass es wichtig ist. Es ist aber immer schwierig, weil ich nicht sagen kann, ob sie jetzt gerade nichts wissen oder einfach sehr schüchtern sind. Ich würde aber sagen, die meisten wissen schon was."

Seit der Eröffnung im Jahr 2015 haben 2300 Schulklassen an geführten Rundgängen und Seminaren im Dokumentationszentrum teilgenommen. Die Jüngsten gehen erst in die vierte Klasse, erzählt Felizitas Raith, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin für Bildung und Vermittlung zuständig ist. Mit den Grundschülern wird ein Bilderbuch über Anne Frank gelesen. Es sei schrecklich, was Kinder oft durch unbeaufsichtigte Internetsuchen schon kennen, sagt Raith. Um sie nicht zu überfordern, wird nicht über Verbrechen in Konzentrationslagern gesprochen, es geht um Ausgrenzung, Toleranz und Kinderrechte. Eine Frage ist Raith besonders in Erinnerung geblieben. Ein Kind wollte einmal wissen, "ob die Menschen damals nicht die goldene Regel beachtet haben, dass man nichts tun soll, was man nicht will, dass einem selbst angetan wird"

© SZ vom 30.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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