Schwabinger Atelier:Eine Oase verschwindet

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Der bekannte Bildhauer Edmund Puchner muss sein Schwabinger Atelier mit dem wuchernden Garten nach drei Jahrzehnten verlassen - wegen eines dreistöckigen Neubaus.

Franz Kotteder

Nach gut 30 Jahren könnte natürlich auch Wehmut im Spiel sein. Aber Edmund Puchner, so scheint's, hat sich das verboten. "Man muss nach vorne schauen", sagt er, "immer nur nach hinten blicken, das bringt doch nichts." In diesen Tagen muss er sein Atelier mit dem wild wuchernden Garten an der Schwabinger Liebergesellstraße verlassen. Denn dort, direkt am Englischen Garten, werden jetzt Eigentumswohnungen gebaut, drei Stockwerke hoch. Da geht so ein Bildhaueratelier natürlich im Weg um, auch wenn es über einen malerischen Hof verfügt. So etwas rentiert sich nicht genügend.

Abschied von einer Idylle: Edmund Puchner muss nach drei Jahrzehnten sein Atelier. An der Liebergesellstraße werden jetzt Eigentumswohnungen gebaut. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Der 79-jährige Puchner hat erst vor drei Wochen den Schwabinger Kunstpreis bekommen und ist somit auch ein offiziell anerkannter Kulturträger. Anders als die Absturzkneipe "Schwabinger7", ein paar hundert Meter weiter zur Münchner Freiheit hin, über die jetzt so viel die Rede ist in Schwabing, und die ebenfalls in wenigen Wochen teuren Eigentumswohnungen weichen muss. Oberbürgermeister Christian Ude hat bei der Preisverleihung schwer bedauert, "dass diese Künstler-Oase weichen muss". Aber machen könne er dagegen leider auch nichts.

1980 hat der Bildhauer das Grundstück von einem Landschaftsgärtner übernommen, zuvor hatte ein Kohlenhändler dort seine Niederlassung. Nach und nach hat Puchner dann die Schuppen und etwas windschiefen Gebäude hergerichtet und zum Atelier- und Wohnhaus umgebaut. "Die Bodenplatten in der Küche", sagt er, "das sind die Dachziegel vom Olaf-Gulbransson-Haus." Das Anwesen des berühmten Simplicissimus-Zeichners und Malers stand keine 50Meter weiter südlich in der Keferstraße und wurde in den Achtzigern abgerissen. Puchner sicherte sich die Dachziegel und verbaute sie gleich in seiner Wohnung. So konnte er dem großen Künstlerkollegen gewissermaßen täglich aufs Dach steigen.

Im Garten stehen ein paar seiner Plastiken rund um eine riesige Kastanie; geometrisch-abstrakte Formen, die ein wenig an die Pop Art, an Mondrian oder auch an die De-Stijl-Bewegung erinnern, oft in Blau und in Grün, so wie der Garten und der Himmel darüber. Puchner verwendet die verschiedensten Materialien, hat einige Brunnen und Skulpturen für Münchner Parks geschaffen. Jetzt arbeitet er hauptsächlich mit Holz, Metall und Bronze, und auch seine Bilder, oft als Wandreliefs mit wenigen Schichten gestaltet, sind von der Formensprache her klar und ersichtlich von der Suche nach Einfachheit und Klarheit geprägt.

Dass diese Skulpturen und Bilder eigentlich nur an einem solchen Ort entstehen konnten, wird einem klar, wenn man mal mit Puchner an den Bierbänken unter der Kastanie sitzt, vielleicht noch mit der Hauskatze Nani auf dem Schoß... Jetzt, am 30. Juni, ist allerdings das Ende der Schwabinger Idylle gekommen, Edmund Puchner musste die Mietsache den neuen Besitzern übergeben. In Zukunft wird er wohl andere Bilder, andere Skulpturenmachen müssen.

© SZ vom 01.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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:Der wuchernde Garten muss weichen

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