Schwabing / Bogenhausen:Im Schritttempo

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Nur nachts im Fluss: An der Auffahrt zur Nürnberger Autobahn A 9 herrscht oft Stillstand; die dritte Spur auf dem Isarring könnte Besserung bringen. (Foto: Matthias Ferdinand Döring)

Das Stau-Problem im Münchner Norden lässt sich nach Einschätzung des Planungsreferats mit weiterem Straßenausbau nicht beheben. Die Behörde setzt auf eine Stärkung des Bus- und Bahnverkehrs

Von Ulrike Steinbacher, Schwabing / Bogenhausen

Führen neue Straßen zu freier Fahrt? Oder ziehen sie Autos an, die dann wieder im Stau stehen? Und wie entwickelt sich das Problem Verkehr in einer boomenden Stadt, in der Jahr für Jahr mehr Menschen versuchen, irgendwie von A nach B zu kommen? Zunächst hatten die CSU-Stadträte Richard Quaas und Johann Sauerer nur wissen wollen, warum sich der Verkehr am Isarring schon wieder täglich staut, obwohl im Sommer 2016 extra eine dritte Spur angebaut wurde. Dann waren sie aber mit der Antwort der Stadtverwaltung unzufrieden, und so entwickelte sich aus ihrer Anfrage-Serie eine Art Grundsatzdiskussion über die Münchner Stau-Probleme, beispielhaft durchexerziert am nördlichen Abschnitt des Mittleren Rings.

Quaas und Sauerer setzen auf "absolut notwendige Kapazitätssteigerungen im Straßennetz", das Kreisverwaltungsreferat (KVR) dagegen auf ein "großräumiges Verkehrsvermeidungskonzept" oder "Möglichkeiten zur Verlagerung auf andere Verkehrsträger". Soll heißen: mehr Straßen bei der CSU contra mehr Busse und Bahnen plus weniger Pendeln bei der Stadtverwaltung. Deren Sichtweise hat Stadtbaurätin Elisabeth Merk jetzt bekräftigt. Das Ziel, den Autoverkehr zu reduzieren, sei "keineswegs realitätsfern", heißt es in ihrer Antwort auf die jüngste Anfrage der CSU-Stadträte. Vielmehr arbeite die Forschung gerade mit Hochdruck daran.

Auf weiteren sechs Seiten beantworten Planungsreferat und KVR anschließend den Fragenkatalog von Quaas und Sauerer und legen dar, dass weiterer Straßenausbau im Münchner Norden den Stau nur verlagert, aber nicht beheben wird - analog zum Richard-Strauss-Tunnel, nach dessen Eröffnung 2009 die Autos einfach vor der nächsten Engstelle standen: der Einmündung der Ifflandstraße in den Isarring. Die neue dritte Spur behob das Problem dort zunächst, allerdings nur vorübergehend: In den Stoßzeiten sind statt 3000 Fahrzeugen pro Stunde inzwischen 3500 unterwegs, sodass es wieder nur im Schritttempo vorangeht.

Verlagert hat sich der Rückstau jetzt vor das Nadelöhr knapp zwei Kilometer weiter nördlich: die Auffahrt zur Nürnberger Autobahn A 9. Zwar sieht die Autobahndirektion Südbayern keinen direkten Zusammenhang mit dem Isarring, hält es aber für möglich, dass durch die dritte Spur dort mehr Autos schneller bis an die Auffahrt zur A 9 durchkommen, sodass deren Kapazitäten überbelastet werden.

Eine Lösung, heißt es weiter, wäre vielleicht die Verlängerung des kurzen Beschleunigungsstreifens an der Einfahrt, was dann allerdings wieder den Verkehr beeinträchtigen könnte, der aus dem Petueltunnel auf die Autobahn will. Langfristig werde der sechsspurige Ausbau der A 9 zwischen Schwabing und der Einfahrt Frankfurter Ring vielleicht Abhilfe schaffen, vermutet die Autobahndirektion. Die eineinhalb Kilometer lange Strecke steht im Bundesverkehrswegeplan 2030 unter der Rubrik "vordringlicher Bedarf". Allerdings müsse man untersuchen, ob dieser Ausbau den Verkehr an der Einfahrt Frankfurter Ring aufstauen würde.

Außerdem, so ergänzt das Planungsreferat, sei zu bedenken, dass die A 9 auch in Fahrtrichtung stadteinwärts eine dritte Spur bekomme, sodass sich der Verkehr von der A 9 Richtung Petueltunnel dreispurig auf den Mittleren Ring ergießen werde. Dort ist der Rückstau aber jetzt schon erheblich - bei nur zwei Einfädelspuren. Fazit: Die Autos kämen zwar schneller aus der Stadt hinaus auf die Autobahn, stadteinwärts aber werde dieser Ausbau "zu noch größeren Problemen an der Einmündung in den Mittleren Ring führen".

Dabei reicht der Stau an schlechten Tagen schon heute noch viel weiter: durch den gesamten Petueltunnel und am Olympiapark vorbei. Schuld ist zumindest teilweise die Überführung des Georg-Brauchle-Rings in die Landshuter Allee, die im letzten Abschnitt den zweispurigen Verkehr des Mittleren Rings auf eine Fahrbahn zusammenführt. Eine Lösung für dieses Problem hat das Planungsreferat nicht parat, nur eine Beschreibung: Am "Olympiaknoten" würden vor der Brücke über die Dachauer Straße fünf Fahrstreifen auf zwei verengt: die beiden Fahrbahnen der Landshuter Allee Nord, die zwei Spuren vom östlichen Georg-Brauchle-Ring und die Abbiegespur vom Georg-Brauchle-Ring West. "Damit ist hier eine Zusammenführung von Fahrstreifen unumgänglich." Bei den Verkehrsuntersuchungen für den geplanten Tunnel an der Landshuter Allee werde man sich den Olympiaknoten mit anschauen, obwohl er gar nicht zum Untersuchungsraum gehöre, sichert das Planungsreferat zu.

Auch von anderen Baumaßnahmen verspricht sich die Behörde nicht viel Entlastung für den Mittleren Ring - weder vom geplanten Ausbau des Föhringer Rings noch von einer Verlängerung der Heidemannstraße in Freimann bis zur Schleißheimer Straße, wie sie Quaas und Sauerer ins Gespräch bringen. Letztere würde nur "kleinräumige Verkehrsverlagerungen" bewirken, dabei aber Autos, Lärm und Schadstoffe in die Wohngebiete bringen.

© SZ vom 04.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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