Schulratgeber:Angst vor der Absteiger-Karriere

  • Am 4. Mai gibt es an Bayerns Grundschulen Übertrittszeugnisse. Dann entscheidet sich für die Kinder, auf welche weiterführende Schule sie gehen dürfen.
  • Das bayerische Schulsystem bietet viele Möglichkeiten, auch später noch auf eine höhere Schule zu wechseln - genutzt werden sie kaum.
  • Besonders für Eltern wird das Übertrittszeugnis immer wichtiger. Viele glauben, nur mit Abitur steht ihren Kindern eine glückliche Zukunft bevor. Studien belegen aber das Gegenteil.

Von Melanie Staudinger

Manchmal werden Lehrer tatsächlich zu Recht skeptisch. Zum Beispiel, wenn sie gerade erst den zweiten Satz eines Diktats vorgelesen haben, manche Viertklässler aber schon den fünften hinschreiben. Das ist unlängst einer Lehrerin im Landkreis München passiert. Auf Nachfrage erklärten die Kinder, sie hätten den Text zu Hause auswendig gelernt. Ihre Eltern hätten ihn aus dem Internet heruntergeladen. Dort gibt es spezielle Portale für übernervöse Mütter und Väter.

Der Premiumzugang für etwa 70 Euro im Jahr erlaubt den vollen Zugriff auf alte Proben und Kurzarbeiten - von der ersten Klasse bis zum Abitur. Nun brauchen Eltern nur noch ein wenig Glück, dass auch genau die Arbeit drankommt, die sie sich mit ihrem Kind vorher angeschaut haben. Auswendiglernen statt verstehen - der Übertritt aufs Gymnasium lässt sich so durchaus bewältigen.

Besonders im Landkreis München lastet offenbar ein schwerer Druck auf den Neun- und Zehnjährigen. Dort geht fast niemand mehr auf die Mittelschule, die früher einmal Hauptschule hieß. Fast zwei Drittel aller Viertklässler versuchen ihr Glück am Gymnasium. Am Ende der Grundschulzeit wollen viele Eltern daher nichts dem Zufall überlassen. Schließlich wird am 4. Mai im Übertrittszeugnis über Erfolg oder Misserfolg in der Schullaufbahn entschieden, meinen sie.

Auf dem Land zählt die Mittelschule noch

Doch nicht überall ist der Run auf eine weiterführende Schule so stark ausgeprägt. In Dachau und Freising etwa gehen noch immer mehr Schüler auf eine Mittelschule als auf ein Gymnasium. Woran das liegt? Gerade in ländlichen Gegenden genießt die Mittelschule ein hohes Ansehen. Eltern wollen ihren Kindern keine weiten Schulwege zumuten, womöglich müssten sie noch mit dem Bus über die Autobahn fahren. Die Schule am Ort tut es auch. Sie ist dort verankert.

Zum Beispiel arbeitet die Mittelschule Odelzhausen seit Jahren intensiv mit Betrieben zusammen, um den Jugendlichen einen Ausbildungsplatz zu vermitteln. Dafür wurde sie 2009 im Wettbewerb "Starke Schule" als Bayerns beste Bildungseinrichtung ausgezeichnet und belegte deutschlandweit Rang sechs.

Das will nicht heißen, dass Mittelschulen in Stadtnähe sich nicht genauso engagiert um ihre Schüler kümmern. Nur wird das dort weniger wahrgenommen. Mittelschulrektoren berichten immer wieder, dass Eltern durchaus interessiert zuhören, wenn sie ihre Konzepte in Grundschulen vorstellen: Klassenleiterprinzip, kleine Klassen, Sprachförderung und viel Praxis gehören dazu, ergänzt durch spezielle Schwerpunkte, die jede Schule für sich festlegt. Überzeugen ließen sich jedoch die wenigsten. Das Kind soll trotzdem aufs Gymnasium, Eignung hin oder her.

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