Schrottautos in München:Teurer Abstellplatz

Lesezeit: 3 min

Schrottauto auf dem ehemaligen Hettlage-Areal: Immer wieder werden Autos einfach abgestellt. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Obwohl die Entsorgung meist kostenlos ist, werden jährlich Tausende Schrottautos einfach irgendwo in München abgestellt. Wenn sie innerhalb eines Monats nicht verschwinden, werden sie abgeschleppt. Die letzten Halter müssen dann zahlen - und das kann ganz schön teuer werden.

Von Florian Fuchs

Er ist rot, geräumig, und obwohl die Motorhaube offensteht, das Fenster an der Fahrerseite eingeschlagen ist und teilweise schon Gestrüpp in das Auto wächst, sieht der Lancia immer noch freundlich aus. Gutmütig wirkender Kühlergrill, einladende Schiebetüren. Früher einmal hat der Kombi bestimmt einer netten Familie gehört, er war beim Einkaufen dabei, bei Wochenendausflügen in die Berge und beim Jahresurlaub am Gardasee. Die Familie aber hat sich dann wohl für einen neuen Wagen entschieden. Weniger Verbrauch, mehr Komfort, etwas in der Art. Und jetzt steht der Lancia hier in der Truderinger Straße in Zamdorf im Halteverbot, gleich neben den Kleingartenanlagen und den S-Bahngleisen, und rostet elend vor sich hin: ein Autowrack, einfach abgestellt am Straßenrand.

Satte 4500 solcher Wracks entdeckt die Polizei jährlich in München, die Besitzer haben sie ins Gestrüpp gefahren oder in den Wald, an den Straßenrand oder auf abgelegene Parkplätze. Sie wollen sich - so denken sie wahrscheinlich - die Mühe und auch die Kosten ersparen, die alte Karre noch auf den Schrottplatz zu bringen. Dabei hätten sie gar keine Mühen und auch keine Kosten. Die meisten Autoverwerter machen so etwas inzwischen gebührenfrei, sie holen den Wagen sogar beim Eigentümer zu Hause ab.

Kosten: Im Schnitt 1000 Euro

"Zu 95 Prozent handeln Leute, die ihr Auto einfach irgendwo abstellen und vergammeln lassen, aus Unwissenheit", sagt ein Mitarbeiter einer Verwertungsfirma, die auch in München aktiv ist. "Dabei schädigen sie die Umwelt und setzen sich selbst einem großen Risiko aus." Wer erwischt wird, muss inklusive Bußgeld mit Kosten von im Schnitt 1000 Euro rechnen.

Wer ein Fahrzeug ausrangieren und alles richtig machen will, der meldet den Wagen erst einmal bei der Zulassungsbehörde ab. Zehn bis 15 Euro kostet so etwas, je nach Art der Zulassung. Dann ruft er eines der zahlreichen zertifizierten Verwertungsunternehmen an, die das Auto abholen, Kühl- und Bremsflüssigkeiten fachgerecht entsorgen und den Wagen in seine Einzelteile zerlegen - um anschließend entweder noch brauchbare Teile weiterzuverkaufen oder das Blech zu recyceln. "Früher konnte man die einzelnen Teile besser verkaufen", sagt ein Schrotthändler. "Heute geht das nicht wegen den ständigen Serienwechseln bei den Herstellern, heute wird das meiste Zeug zum Recyceln aufbereitet."

Die Misere mit den Autowracks am Straßenrand kennen die Schrotthändler ganz gut. Ab und an, erzählen sie, sind gestohlene Wagen dabei. Manchmal wollen Eigentümer auch noch ein paar Euro mit ihrem alten Gefährt machen und verkaufen es an einen Bastler. Der schlachtet das Auto aus und stellt das rostige Gerüst gerne mal irgendwo im Gebüsch ab. Was die meisten Eigentümer dabei nicht wissen: Polizei und Stadt machen immer den letzten Halter für ein wild abgestelltes Autowrack verantwortlich - und nicht den Bastler. Die Gesetzgebung ist da rigide. Zertifizierte Händler geben ihren Kunden deshalb einen sogenannten Verwertungsnachweis: Nur mit diesem Dokument kann der Halter beweisen, dass er sein Auto ordentlich entsorgt hat.

Das ausgebrannte Autwrack, das derzeit auf der Maximilianstraße Aufsehen erregt, ist Teil einer Kunstaktion. Die wild entsorgten Schrottautos stehen meist auf abgelegeneren Plätzen. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Entdeckt die Polizei ein illegal abgestelltes Wrack, oder werden die Beamten auf eines hingewiesen, so prüfen sie zunächst, ob es tatsächlich auf öffentlichem Grund steht. Dann pappen sie einen roten, kreisrunden Aufkleber auf die Windschutzscheibe. Darauf wird der Halter aufgefordert, sein Fahrzeug zu entfernen, ansonsten wird es innerhalb eines Monats auf Kosten des Halters abgeschleppt.

"Fahrzeuge ohne gültige Kennzeichen gelten nach Ablauf eines Monats als Abfall", steht auf dem Aufkleber. Der Eigentümer wird auch gewarnt, seine Schrottkarre nicht einfach irgendwo anders abzustellen - auch dann wird der Wagen innerhalb der Frist von einem Monat abgeschleppt. Die Halter, warnt die Polizei, müssen mit einer Geldbuße zwischen 350 und 1600 Euro rechnen, je nach Fahrzeugart und Fahrzeuggröße und den Tatumständen.

4500 Wracks jährlich

Die Warnung zeigt laut Baureferat oft Wirkung. Obwohl die Polizei jährlich etwa 4500 illegal abgestellte Autowracks entdeckt und den roten Aufkleber anbringt, erteilte das Baureferat im Jahr 2012 nur 1200 Aufträge zum Abschleppen. 2011 waren es 1500 Aufträge gewesen, im Jahr 2012 sogar nur 1100. "Viele Halter kommen der Aufforderung nach", heißt es im Baureferat. Bevor der Abschleppwagen anrückt, kontrollieren Mitarbeiter der Straßenunterhaltsbezirke aber nochmals die Standorte, denn häufig werden auch dann noch Autos abgeholt.

Tatsächlich abschleppen lassen musste die Stadt im vergangenen Jahr 510 Wagen. 2011 waren es 550 und 2010 nur 450 Fahrzeuge gewesen. Von diesen Autos versucht die Polizei anhand von Fahrgestellnummer oder anderen Daten dann die Adresse des letzten Halters herauszubekommen, um ihm die Kosten für Abtransport, Verwahrung und Entsorgung sowie das Bußgeld aufzudrücken. Insgesamt decken die Einnahmen aus diesen Eintragungen in etwa den Gesamtaufwand, den das Baureferat beim Abschleppen und Entsorgen zu leisten hat.

Der Lancia in der Truderinger Straße hat schon einen roten Aufkleber auf der Windschutzscheibe. Holt der Halter den Wagen nicht bald ab und lässt ihn selbst entsorgen, greift die Stadt ein. In jedem Fall geht es dem Ende zu: Der Kombi wird bald nur noch ein Blechwürfel sein.

© SZ vom 31.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: