Schrannenhalle:Die Pannenhalle

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Ein halbes Jahr nach Eröffnung ist die Kultur in der Schranne gescheitert.

Antje Weber und Jochen Temsch

Skeptiker gab es von Anfang an: Eine Markthalle mit Gastronomie und Kulturprogramm - wie sollte das zusammengehen? Der Rücktritt der CSU-Stadträte Richard Quaas und Helmut Pfundstein aus dem Beirat der Schrannenhalle, der ihrer Meinung nach nur eine "Feigenblatt-Funktion" ausübt, ist nur der erste öffentliche Protest - gegärt hat es schon länger.

(Foto: Foto: ddp)

Improtheater und Dixie-Frühschoppen - viel mehr Kultur ist im Januar-Programm der Schranne nicht zu finden. Kein Zufall, denn die ersten Kuratoren haben der Halle nach einem halben Jahr bereits enttäuscht den Rücken gekehrt.

Was in der Öffentlichkeit kaum bekannt war, da die Namen nirgendwo offiziell auftauchten: Abgesehen von den Verantwortlichen für das Veranstaltungsprogramm, Markus Wörl und Andrea Schwarz, gab es von Anfang an Kuratoren für einzelne Sparten: Elisabeth Hartung, die in München zum Beispiel die Luitpold Lounge bespielt hat, wurde für bildende Kunst engagiert; Johan de Blank, Literaturagent und Festival-Veranstalter, sollte Literatur in die Halle bringen; Claudia Holmeier von der Künstleragentur Swimmingpool Productions war zuständig für elektronische Musik.

Alle drei haben sich aufgrund schlechter Erfahrungen wieder zurückgezogen. Die Hauptkritikpunkte: unprofessionelle Organisation und inhaltlich kaum Interesse an hochwertigen Veranstaltungen - im Widerspruch zu den vollmundigen Ankündigungen zu Beginn.

Kurzfristiger Reibach

Elisabeth Hartung zum Beispiel hätte durchaus Chancen für ein spannendes Programm gesehen: "Ich hätte aus dem Stand fünf Projekte machen können, die individuell auf die Halle zugeschnitten gewesen wären." Doch sie sei damit auf geringes Interesse bei den Verantwortlichen gestoßen und habe nur wenig realisieren können.

Ein Projekt mit dem renommierten Künstlerduo M+M habe sie erst nach Kämpfen durchgesetzt, obwohl es von der Stadt gefördert und weitgehend finanziert gewesen sei. Ein Projekt mit dem bekannten Künstler Rodney Graham wurde ganz abgelehnt. Hartung fühlte sich "im Stich gelassen" und hatte den "Eindruck, dass es nicht gewünscht wird". Letztlich gehe es bei der Schranne eben doch um "kurzfristigen Reibach".

Auch der Literaturbeauftragte Johan de Blank hat sich Ende vergangenen Jahres verabschiedet. Er bemängelt die "schlechte Organisation, Pressearbeit und Technik". Bei einer Veranstaltung, die als Lesung mit Film angekündigt war, habe man zum Beispiel den Film gar nicht zeigen können, da kein Techniker die Lichtschalter finden konnte. Als Anfangsschwierigkeiten habe man so etwas nicht mehr entschuldigen können: "Das waren strukturelle Probleme."

Sowohl Hartung als auch er waren zudem enttäuscht von der schlechten Zahlungsmoral: Er habe das ihm zustehende Geld regelrecht "eintreiben" müssen, sagt de Blank. Insgesamt habe man schnell gemerkt, dass das Konzept "extrem auf Gastronomie ausgerichtet" sei und die Kultur "Feigenblatt-Funktion" habe.

Flucht nach vorn, um den Ruf zu retten

So sieht das auch Claudia Holmeier. "Wir mussten raus aus der Schrannenhalle, sonst hätten wir unseren guten Ruf ruiniert." Als Kennerin der elektronischen Musikszene organisierte sie den Künstlertreff "Klangtapete" und das Festival Digitalanalog, das namhafte DJs, Literaten und klassische Musiker, unter anderem vom Münchner Kammerorchester, zusammenbringen wollte.

Durch eine fatale Doppelbelegung des Untergeschosses - nach dem Festivalprogramm sollte die kommerzielle Disko eines anderen Anbieters stattfinden - kam es zum Eklat. Ein Schrannen-Mitarbeiter habe mitten in der Darbietung den Netzstecker gezogen, sagt Holmeier. Daraufhin zog sie in den Club Rote Sonne um. Sie meint: "Das Ganze läuft auf Abzocke raus." Inzwischen verhandelt sie mit dem Haus der Kunst und dem Staatsschauspiel.

Mag sein, dass Kultur in der Schrannenhalle am besten funktioniert, wenn sie sich geschmeidig ins Marktgeschehen integriert: Wenn die Ruaßkuchlmusi aufspielt, stört das keinen. Aber es gibt auch noch positive Stimmen, wie etwa von Theatron-Organisator Antonio Seidemann, der in der Schranne die Rockbühne Korn Klub macht.

Er findet diese Auftrittsmöglichkeit für junge Bands durchaus "interessant und spannend", weil sie ein Publikum erreichen könnten, das sie sonst nie bekämen. "Das Konzept geht auf. Man muss eben wissen, worauf man sich einlässt." Was passiert, wenn an seinen Abenden in Zukunft die Champions-League-Spiele auf Großleinwand gezeigt werden, weiß er jedoch noch nicht.

Von der Leitung der Schrannenhalle war gestern keine Stellungnahme zu erhalten. Dafür sind die Kommentare der Kulturszene umso plakativer. Der Künstler Hias Schaschko, der die Halle für ein "katastrophales, blödes Teil" hält, hat extra einen Anti-Schrannen-Button entworfen, den man zum Beispiel gleich gegenüber im Café Platzhirsch kaufen kann: ein echter Verkaufserfolg.

© SZ vom 26.1.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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