Schön oder zu eng?:Scheinentspannt

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Drei Weggezogene schildern ihren Blick auf München

Franziska Niesar (Foto: Was macht München mit dir/oh)

Franziska Niesar, 29, Radiomoderatorin, ging im Jahr 2006 nach München und 2014 nach Köln:

"Nach dem Abi hat mich München gereizt. Ich habe hier echt alles mitgenommen, was geht. Das ist eine geile Stadt - keine Frage. Ich vermisse diese Gemütlichkeit, dieses Lebensgefühl und diese krasse optische Weite. Man bekommt das Gefühl, dass hier alles möglich ist. Aber acht Jahre München, das hat gereicht. Die Stadt glänzt, aber sie schnürt einem die Kehle zu. Wenn man ein Bild machen würde, es sähe total schön aus. Alles passt zusammen.

München ist aber nicht so entspannt, wie es aussieht. Denn die Leute können sich ihre schöne Wohnung, das coole Auto und das stylische Rad am Ende doch nicht leisten. Die Stadt ist zu teuer, um das zu leben, was man eigentlich will. Das Leben hier besteht für viele zum Großteil aus Arbeit.

Das Lebensgefühl, das die Stadt einem eigentlich geben will, geht verloren, weil man keinen Kopf dafür hat. Die Münchner nehmen das Leben zu ernst. In Köln sind die Menschen einfach besser drauf, haben mehr Leichtigkeit und Fröhlichkeit in der Seele. Und man kriegt mehr für sein Geld - außer Paulaner Spezi, das beste Kaltgetränk der Welt."

Can Buldun (Foto: Was macht München mit dir/oh)

Can Buldun, 23, studiert Biochemie, ging 2011 nach Bremen und 2014 nach Oxford:

"Ich habe fast meine ganze Jugend in München verbracht. Eigentlich wäre ich auch fürs Studium gerne hier geblieben, hätte weiter daheim in Unterhaching gewohnt und mir schön die Miete gespart. Aber die Jacobs-Uni in Bremen war die beste Wahl. Wenn ich die Städte vergleiche, fällt mir dieser eine große Unterschied ein: die Lebendigkeit und das Gefühl, am Geschehen dran zu sein.

In Bremen gab es wenig Konzerte oder nette Cafés, es ist bis auf den kleinen Stadtkern auch architektonisch nicht besonders schön. Dort fühlt man sich richtig abseits. In München dagegen läuft man durch die Straßen und ist glücklich, in so einer schönen Stadt zu leben.

Ich bekomme das Gefühl, dass die Leute hier versuchen, was zu bewegen, in München geht was. Ich finde, das merkt man an den vielen Jobs und der Internationalität. Ob und wann ich zurückkomme, weiß ich nicht - aber München, das wäre für mich auf alle Fälle die Stadt, um mich niederzulassen und alt zu werden."

Fabian Müller (Foto: Was macht München mit dir/oh)

Fabian Müller, 29, ist Lehrer für Biologie und Chemie, ging 2007 nach München, 2011 nach Berlin:

"Nach dem Studium in München wollte ich weg. Die Aufgeschlossenheit anderen Lebensentwürfen, Beziehungsmodellen und neuen Ideen gegenüber fehlt an vielen Stellen. Als ich für ein Semester in Montreal war, gab es dort viele engagierte Menschen, die über den Tellerrand hinausschauen. München kam mir danach noch langweiliger vor. Vorgefertigte Strukturen und wenig Subkultur.

Natürlich kenne ich tolle Menschen, die in München etwas bewegen, aber sie werden sofort überrannt, und die Dinge bekommen schnell eine sehr kommerzielle Richtung. In Bayern wäre ich im Referendariat viel rumgeschickt worden. Es gibt auch keine Stellen. Viele angehende Lehrer lassen sich durch Zeitarbeitsverträge ausbeuten. In Berlin sind Lehrer Mangelware, dort kann ich mir die Schulen aussuchen.

Was ich aber vermisse, sind die Biergärten, die Brotzeitkultur, das gute Bier und diese Naturverbundenheit der Leute. Die Münchner zieht es raus. Und manchmal ist es eben doch ganz okay, wenn es irgendwo einfach sauber ist."

© SZ vom 12.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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