"Scho schee":Lederne mit Charakter

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Foto: Florian Peljak (Foto: Karl-Josef Hildenbrand)

Tracht kann man belächeln, man kann aber auch Respekt vor ihr haben - solange es sich um ein Original handelt

Kolumne von Esther Diestelmann

Es ist gar nicht lange her, da habe ich geflucht. Diese vermaledeiten Touristenläden, diese verdammten Plastik-Lederhosen. Ich wohne in der Bayerstraße, direkt in der Einfallschneise zur Wiesn. Und seit kurzem gibt es in meiner Straße den dritten Shop, in dem man für 30 Euro eine "originale Lederhosen" erwerben kann.

Schon als Jugendliche habe ich Tracht getragen. Obwohl ich mir schon damals nicht sicher war, ob ich, gebürtige Münchnerin, ohne Dialekt, überhaupt Tracht tragen soll. Ich entschied mich dafür, weil ich Tracht schön finde. Eine Frau im Dirndl, das ist fesch. Ein Mann in einer Ledernen, das hat was. Am schönsten finde ich die Lederhosen, die eine Geschichte erzählen. Mein Freund Maxi hat so ein Stück im Schrank. Sein Ur-Opa hat sie sich damals gekauft, in den 20er Jahren war das. Sie ist schwarz, ein Kunstwerk mit liebevollen Stickereien auf echtem Berchtesgadener Hirschleder.

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Die Lederne so schön, dass Maxi jedes Mal, wenn er damit unter Menschen tritt, auf eben diese angesprochen wird. Und er trägt sein Schmuckstück oft. Maxi ist Gärtner und Münchner, wie schon sein Ur-Opa. Seine Lederne wurde in Bayern genäht, und dann flossen tatsächlich aus vier Generationen die Biernoagerl darauf. Da wurden knapp 100 Jahre lang vier unterschiedliche Männer-Hände nach dem Hähnchenverzehr abgeschmiert. Die Hose hat so viele verregnete Tage und Sonnenstrahlen abbekommen, inzwischen ist sie haflingerbraun.

Ich habe Respekt vor genau solch einer Art Original. Dagegen stehen jetzt die vermaledeiten Plastik-Trachtenläden, wo sich stocksteife Preußen auf dem Weg zur Wiesn noch schnell eine Lederne kaufen - weil sie das, was wir Münchner auf der Wiesn machen, als Faschingsveranstaltung missverstehen. Nun bin ich kurz davor, meine Dirndl für immer aus dem Schrank zu verbannen. Und schon wieder bin ich mir nicht sicher, wie damals als Jugendliche.

Ich überlege, ob ich anfangen sollte, meine Tracht so zu belächeln, wie viele aus der Generation meiner Eltern. Die können den Hype um die Tracht, der im letzten Jahrzehnt entstanden ist, nicht nachvollziehen. Meine Eltern finden Tracht spießig. Aber ich bleibe dabei: Schee is fei scho!

© SZ vom 14.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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