Schichtdienst an Weihnachten:Einsatz unterm Christbaum

Lesezeit: 2 min

Oberbürgermeister Dieter Reiter und seine Frau Petra absolvieren an Heiligabend ein Besuchsprogramm bei jenen, die arbeiten müssen. Bei der Feuerwehr an der Aidenbachstraße werden sie dafür mit einem Wildschweinbraten entschädigt

Von Dominik Hutter

Auf beiden Seiten des langen Gangs stehen die Zimmertüren offen. Man sieht Betten und Schränke, 27 Männer haben sich häuslich eingerichtet - so weit man dies in dem weitläufigen Gebäude einer Feuerwache tun kann. Es riecht nach Essen, in der Küche schmurgelt schon der Wildschweinbraten, die Knödel garen im dampfenden Wasser. Dieter Reiter und seine Frau Petra gehen direkt in den Aufenthaltsraum: gelb gestrichene Wände, zwei lange Tische mit weißen Tischdecken. Teller mit Plätzchen. Und ein Christbaum, um dessen Zweige ein gelber Wasserschlauch gewunden ist - die Düse bildet die Spitze. Dass die Kerzen elektrisch sind, wirkt vernünftig, wäre aber wohl nicht nötig.

Denn die Feuerwehr ist stets vor Ort in dem lang gestreckten Riegel an der Aidenbachstraße. 24 Stunden dauert die Schicht, die natürlich auch an Weihnachten stets in Bereitschaft stehen muss. Dann kommen die Kollegen, ebenfalls für 24 Stunden, danach die dritte Schicht, und schließlich wieder von vorne. Weihnachten mit Kollegen. Und mit dem Oberbürgermeister nebst Ehefrau, die an Heiligabend zum Mittagessen vorbeikommen. Es gilt, die Arbeit derer zu würdigen, ohne die die Feiertage leicht in einer Katastrophe enden könnten.

Die Feuerwache Sendling ist stets besetzt. (Foto: Stephan Rumpf)

Reiter sitzt kaum am Tisch, als sich über einen Lautsprecher - unüberhörbar - die Einsatzzentrale meldet: Hilflose Person in einer Wohnung, es muss jemand vorbeischauen. Routiniert springen einige Männer auf und eilen zu den Fahrzeugen. Das Wildschwein muss warten. Alltag. Die Köche, die nun die Portionen warmhalten, sind ebenfalls Feuerwehrleute. Es sind immer dieselben, die die versammelte Kollegenschaft versorgen - durchgewechselt wird nicht am Herd. "Das ist besser so", sagt Gruppenführer Norbert Dennhardt und lacht. Von draußen ist die Sirene der ausrückenden Einsatzfahrzeuge zu hören.

Rund 300 Berufsfeuerwehrler stehen münchenweit auch an Weihnachten bereit, um zu helfen, wenn es sein muss. Sie sind nicht die einzigen in München, deren Feiertag mit Feiern nichts zu tun hat. Die beiden Reiters waren vor ihrem Besuch in der Aidenbachstraße auch schon im Betriebszentrum der MVG, in einem Altenheim am Dom-Pedro-Platz, bei der Polizeiinspektion am Hauptbahnhof und in der Klinik an der Thalkirchner Straße.

Allein bei der MVG sind an Heiligabend rund 1700 Mitarbeiter im Einsatz - damit beim Letzte-Minute-Einkauf, vor und nach der Bescherung sowie für den Kneipenbesuch die U-Bahn fährt. 150 Stadtwerke-Kollegen sind in die Weihnachtsschichten eingeteilt - Wasser und Strom werden ja weiterhin benötigt. Und wenn irgendetwas schiefläuft, stehen 60 Leute beim Stördienst bereit. Auch die Hallenbäder und Saunen sind an den Feiertagen geöffnet. Was nur klappt, weil rund 200 Schwimmmeister, Rettungsschwimmer, Saunameister, Kassenkräfte und Techniker arbeiten.

Weihnachten mit den Kollegen - und mit OB Dieter Reiter. (Foto: Stephan Rumpf)

Bei der Feuerwehr sind sie inzwischen wieder vollzählig, es war nur ein kurzer Einsatz. Langweilig wird es ohnehin nicht. Das Klischee von ewigen Kartenspielen im Mannschaftsraum stimmt nicht, berichtet Dennhardt. Zumindest nicht bei den Profis der Berufsfeuerwehr. Wenn gerade kein Einsatz ist, wird geübt oder in der eigenen Halle gesportelt. Es gilt, die technischen Gerätschaften und vor allem auch die Schläuche instandzuhalten. Erst am Abend wird es ruhiger - vorausgesetzt, der Lautsprecher an der Wand bleibt stumm. Von halb acht Uhr früh bis 17 Uhr aber herrscht normale Arbeitszeit.

Einen Großkampftag erwartet die Feuerwehr übrigens an Weihnachten nicht. Normalerweise. Die trockenen Adventsgestecke beschäftigen die Einsatzkräfte ohnehin schon seit vielen Tagen. Und die Christbäume stehen an den Feiertagen zumeist noch gut im Saft. Erst wenn sie austrocknen, steigt die Gefahr der Zimmerbrände deutlich an. Die Situation hat sich aber in den vergangenen Jahren deutlich verbessert, erfahren die Reiters vom stellvertretenden Dienststellenleiter Jörg Fiebach. Das liegt an den Rauchmeldern in den Wohnungen. Hat sich absolut bewährt, findet man bei der Feuerwehr.

Wer gerade nicht zum Einsatz muss bekommt Wildschein auf den Teller. (Foto: Stephan Rumpf)

Nach dem Wildschwein ist noch Bescherung in der Wache 2 - Reiter hat Kartons mit Glühwein, Stollen und Salami mitgebracht. Am Abend geht es dann zu Reiters Schwiegermutter. Familientreffen.

© SZ vom 27.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: