S-Bahn-Südring:Drei Milliarden aus zwei Töpfen

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Dauerdebatte S-Bahn-Südring: Während die Südring-Fans noch kämpfen, setzt Bayerns Finanzminister auf den "Bahnknoten München".

Dominik Hutter

Der Kampf muss weitergehen. Denn der Südring, davon ist Martin Runge nach wie vor überzeugt, wäre die beste Lösung für Münchens S-Bahn-Probleme. Eigentlich sogar die einzige - Studie hin oder her. Und so brütet der grüne Landtagsabgeordnete noch immer unverdrossen am Schreibtisch, ackert jenes Gutachten, das dem Südring aus wirtschaftlichen Gründen den Garaus macht, bis in die kleinsten Verästelungen durch, sucht nach Widersprüchen und formuliert Fragen, oder besser: Fragenkataloge an die bayerische Staatsregierung. Denn Runge bleibt dabei: "Es wurde zu Lasten des Südrings getrickst."

Dauerdebatte Südring: Fans und Gegner kämpfen weiter. (Foto: Foto: ddp)

So geht die Dauerdebatte einfach weiter - acht Wochen nach Vorstellung der vergleichenden Studie, die doch eigentlich das verkehrspolitische Schlachtfeld ein für allemal hätte befrieden sollen. Thomas Kantke, der zusammen mit zwei Gleichgesinnten in Privatinitiative eine Sparvariante für den Südring ausgetüftelt hat, will gar ein Gegengutachten zur Arbeit der offiziellen Planer erstellen. Noch in diesem Jahr, davon ist der Hobbyplaner überzeugt, folgt der zweite S-Bahn-Tunnel dem Transrapid auf die Halde gescheiterter Verkehrsprojekte. Eine Prophezeiung, die er allerdings auch schon für 2009 abgegeben hat.

Hartnäckig sind sie, die Freunde des Südrings - weniger Wohlmeinende finden, sie hätten sich verrannt. Selbst auf der eigenen Seite gibt es inzwischen Warnungen davor, allzu lange auf dem Gutachten herumzuhacken. Es bringe nichts, die von den Experten ermittelten Zahlen bis auf die letzte Kommastelle in Frage zu stellen, findet der CSU-Landtagsabgeordnete Markus Blume, der maßgeblich am Meinungsumschwung seiner einst tunnelfreundlichen Partei beteiligt war und also der Röhren-Propaganda unverdächtig ist. "Man muss einfach zur Kenntnis nehmen, dass der Südring keine vollwertige Lösung sein kann." Blume kann sich bestenfalls einen Minimal-Ausbau der oberirdischen Gleistrasse vorstellen, für eine einzige S-Bahn-Linie zum Beispiel - ein Modell, das auch die "Aktion Münchner Fahrgäste" schon als Kompromiss ins Gespräch gebracht hat. Das Problem dürfte allerdings der trotzdem erforderliche Bau der Stationen sein, der sicherlich kräftig zu Buche schlüge.

Gut möglich aber, dass dies ohnehin längst Geisterdebatten sind. Denn im Verkehrsministerium an der Prinzregentenstraße herrscht eine völlig andere verkehrspolitische Realität. Dort spielt der Südring längst keine Rolle mehr, die Variantenfrage gilt als geklärt: zugunsten des zweiten S-Bahn-Tunnels und der Flughafenanbindung auf der Osttrasse. Gestützt auf einen entsprechenden Beschluss des bayerischen Ministerrats, feilt Minister Martin Zeil (FDP) bereits am nächsten Problem: Wie lassen sich die beiden Projekte, die zusammen rund drei Milliarden Euro kosten sollen, in diesen Zeiten knapper Kassen finanzieren? Von einem Treffen mit Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) im vergangenen Dezember kehrte Zeil optimistisch zurück. Berlin unterstütze den Ausbau des Bahnknotens München. Bei der aktuell laufenden Überprüfung des Bedarfsplans Schiene werde das Münchner "Zukunftskonzept" wohl Berücksichtigung finden.

Was zunächst wie ein Allgemeinplatz gilt, verrät tatsächlich die Grundzüge von Zeils Finanzierungskonzept. Denn aus Sicht des FDP-Politikers gibt es nur eine Möglichkeit, die beiden Münchner Milliardenprojekte nahezu gleichzeitig zu finanzieren: Sie müssen über unterschiedliche Etats laufen. Dabei hilft der ominöse Posten "Bahnknoten München", der seit 2003 in der höchsten Prioritätsstufe im Bundesverkehrswegeplan auftaucht. Bislang ist er "nicht hinterlegt", wie es im Behördendeutsch heißt - sprich: Das Münchner Schienennetz soll zwar vordringlich ausgebaut werden, man weiß aber nicht, wo.

Eben dies soll sich jetzt ändern, berichtet Hans-Peter Göttler, der Leiter der Verkehrsabteilung im Ministerium. Geht es nach dem Willen der Staatsregierung, soll mit "Bahnknoten München" bald die erste Stufe der Flughafenanbindung, also der viergleisige Ausbau der Osttrasse über Ismaning, gemeint sein. Damit rutscht das Projekt automatisch in den "vordringlichen Bedarf" des bundesweiten Investitionsetats für die Schiene.

Die von der Stadt München geforderte Untertunnelung zwischen Daglfing und Johanneskirchen kommt in diesen Plänen übrigens nicht vor. Sie ist gesetzlich nicht vorgeschrieben und muss daher mit Sondermitteln bezahlt werden. Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) hat bereits durchblicken lassen, dass die Stadt zur Mitfinanzierung bereit wäre. Zuerst aber muss bekannt sein, wie lang die Röhre sein soll und was sie kostet. Diese Frage lassen Stadt und Freistaat derzeit gemeinsam in einem Gutachten klären.

Rutscht die Flughafenanbindung in den Bundesschienenwege-Etat, steht sie - so der Plan Zeils - nicht mehr in Konkurrenz zur zweiten S-Bahn-Stammstrecke. Denn diese soll als klassisches Nahverkehrsprojekt aus dem separaten Topf des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) bezahlt werden.

Beschlossen ist freilich noch nichts. Denn die abschließende Entscheidung über Tunnel, Südring, Osttrasse und Co. fällt nicht im Kabinett, sondern im Landtag. Und der hat auf Betreiben der Anti-Tunnel-Fraktion durchgesetzt, dass der Nordtunnel noch einmal in einer Sparversion untersucht wird. Dieses Projekt, das vom Planungsbüro Vieregg-Rößler erfunden wurde und den Bau einer fernverkehrstauglichen Röhre vom Hauptbahnhof unter Schwabing hindurch bis zum DB-Nordring vorsieht, wäre eine Alternative zur Flughafenanbindung auf der Osttrasse. Aus Sicht des CSU-Politikers Blume könnte es jedoch auch als zweite S-Bahn-Stammstrecke dienen und so den Parallel-Tunnel zwischen Haupt- und Ostbahnhof entbehrlich machen. "Wir werden uns nur eine begrenzte Anzahl an Projekten leisten können", erklärt Blume. Experten von MVV und Verkehrsministerium bezweifeln allerdings die Sinnhaftigkeit des Nordtunnels.

Das Ergebnis dieses Gutachtens wird für Februar erwartet. Am 25. Februar dann soll ein großes Expertenhearing im Landtag stattfinden, bei dem noch einmal alle Varianten in den Ring geworfen werden: Runges Südring, Blumes Nordtunnel, Zeils S-Bahn-Tunnel und Zeils Flughafenanbindung. Und irgendwann danach muss eine Entscheidung fallen. Ob dann auch die Debatte beendet ist, muss offen bleiben.

© SZ vom 11.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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