Rollstuhlbasketball:Der Verlust hält sich in Grenzen

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Den ersten Schreck gut verdaut: Nach der Landung war Laura Fürsts Sportrollstuhl verschwunden. (Foto: Claus Schunk)

Die deutsche Mannschaft um die Münchnerin Laura Fürst steht bei der EM in den Niederlanden im Halbfinale. Zuerst musste sie aber einen Schreck verdauen.

Von Sebastian Winter, München

Laura Fürst hatte ein nicht ganz kleines Problem. Die 28-jährige Münchnerin war am vergangenen Freitag mit den deutschen Rollstuhlbasketballerinnen gerade in Amsterdam gelandet, der Transfer nach Rotterdam stand an, wo am Sonntag die Europameisterschaft begonnen hat. Nur war ihr Sportrollstuhl verschwunden, eine 8000 Euro teure Spezialanfertigung, maßgeschneidert, ohne den Fürst nicht spielen kann. Auch der Rollstuhl ihrer Teamkameradin Katharina Lang aus Kirchseeon war weg. "Wir haben eine Verlustanzeige aufgegeben, aber niemand wusste, wo sie sind", sagt Fürst.

Am Ende kam heraus, dass die so wertvollen und wichtigen Sportgeräte in München nicht mehr ins Flugzeug gepasst hatten, auf dem Weg zur Gepäckaufbewahrung waren sie offenbar irgendwo im Flughafengebäude gestrandet. "Am späten Samstagabend kamen sie dann in Rotterdam an", erzählt Fürst - kurz vor der ersten EM-Partie am Sonntag gegen die Türkei. Nicht nur das: Nathalie Ebertz, die von Luxemburg aus in die Niederlande geflogen war, bekam ihren Rollstuhl auch erst mit einem Tag Verspätung, er war außerdem schwer beschädigt.

Ein gutes Omen war das nicht gerade, doch Fürst, die in der Bundesliga wie die derzeit pausierende Paralympics-Siegerin Johanna Welin für die RBB München Iguanas spielt, und die deutschen Frauen ließen sich nicht ablenken - und schlugen die Außenseiterinnen aus der Türkei zum Auftakt mit 59:17. Fürst gelangen acht Punkte, der drittbeste Wert bei den Deutschen. Gegen Frankreich (69:31) und Spanien (64:43) lief es ähnlich gut. Auch für Fürst, die weitere 18 Punkte erzielte. Mit den drei Siegen haben die Deutschen den vorzeitigen Einzug ins Halbfinale an diesem Samstag gegen England geschafft - und zugleich die Qualifikation für die Paralympics 2020 in Tokio. Die 51:55-Niederlage gegen die Niederlande war ebenso bedeutungslos wie das letzte Gruppenspiel gegen England am Donnerstag (nach Redaktionsschluss), das für die Deutschen aber eine Generalprobe für Samstag war. Mit dem Gegner von der Insel haben sie ohnehin noch eine Rechnung offen: Im vergangenen Jahr scheiterten sie im WM-Halbfinale an England.

Die deutschen Rollstuhlbasketballerinnen zählen zu den Favoriten, neben Paralympics-Gold in London haben sie in Rio Silber gewonnen, dazu 2014 und 2018 Silber und Bronze bei der WM und 2015 und 2017 Gold und Silber bei der EM. Fürst, die als 16-jährige Austauschschülerin in den USA mit einem Snowmobil gegen einen Baum knallte und seither inkomplett querschnittgelähmt ist, ist seit 2014 Nationalspielerin, ihre zweiten Paralympics in Japan sind ihr Fernziel. "Wir haben eine sehr gute Vorrunde gespielt", sagt Fürst, die zuletzt mehr Verantwortung übernehmen durfte, weil einige erfahrene Spielerinnen aufgehört haben - oder eben pausieren, wie Welin. Jetzt hofft sie auf das Finale. Und dass alles wohlbehalten wieder in München landet.

© SZ vom 05.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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