Oktoberfest:Der sächsische Löwe

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Peter Ardelt vor seinem Löwen - hier noch ohne Masskrug. (Foto: Anna Hoben)

Das Löwenbräuzelt auf der Wiesn hat eine neue Figur, gestaltet von Peter Ardelt aus Dresden. Drei Monate lang arbeitete er mit zehn Spezialisten daran. Nicht sein erstes Werk auf der Wiesn.

Von Anna Hoben

Löwenbräu ohne Löwe, das wäre wie München ohne Kindl, wie Theresienwiese ohne Bavaria, wie Ostern ohne Eier. Seit einem halben Jahrhundert steht vor dem Löwenbräu-Zelt ein Turm, und auf dem Turm steht in 40 Metern Höhe ein Löwe. Daran wird nicht gerüttelt. Weil Turm und Löwe allerdings in die Jahre gekommen waren, musste heuer etwas Neues her. Zeit für eine Generalüberholung, fanden die Wirte.

Den Auftrag bekam Peter Ardelt, Figurenbauer aus Dresden mit reichlich Erfahrung, was Nachbildungen von überdimensionierten Gegenständen und Lebewesen betrifft. Der 61-Jährige kommt aus der Theater- und Opernszene, dort hat er sein Handwerk gelernt. In der Nähe von Magdeburg aufgewachsen, fand er nach einer Ausbildung als Chemiefacharbeiter über Umwege ans Magdeburger Theater und studierte später an der Dresdner Kunsthochschule Theaterplastik. Einige Zeit arbeitete er anschließend an der Semperoper, und noch zu DDR-Zeiten, 1988, machte er sich selbständig.

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Heute gibt es nichts, was der Figurenkünstler nicht in zehn- oder zwanzigfacher Vergrößerung nachbauen könnte, und auch vor Profanem schreckt er nicht zurück. Für Werbezwecke hat Ardelt schon anderthalb Meter lange Bratwürste und eine Schmerzsalben-Tube als Sitzbank gebastelt. Eines seiner ambitioniertesten Projekte bislang sind indes fünf lebensgroße Wale gewesen. Die Kolosse, zwischen 750 Kilogramm und 8,2 Tonnen schwer, hängen seit 2008 im Meeresmuseum "Ozeaneum" in Stralsund.

Doch auch das Bier und das Oktoberfest und alles, was dazu gehört, sind dem Künstler nicht fremd. Seine Wiesn-Beziehung begann vor sieben Jahren. Damals bekam der Künstler den Auftrag, für das größte Volksfest der Welt den größten Bierkrug der Welt zu bauen. Noch heute erinnert sich der 61-Jährige an die Reaktionen der Münchner Presse: "Da muss also erst ein Sachse kommen und den Bayern zeigen, wie ein Bierkrug aussieht", hätten die Zeitungen gefrotzelt.

Sachse hin oder her, mit seinem Riesenkrug hatte Ardelt sich als Oktoberfest-Dekorateur empfohlen und lieferte in den folgenden Jahren weitere Plastiken ab: Kalbshaxn, Radi, Leberkäs. Eine Quadriga fürs Marstall-Zelt, ein Pferde-Karussell und einen kleinen Bruder für den größten Bierkrug der Welt, inklusive Beleuchtung von innen.

Der Sondertransport muss ein kurioses Bild abgegeben haben

Jetzt also der Löwe. Drei Monate lang hat der Figurenbauer mit einem Team von zehn Spezialisten an dem Tier gearbeitet. Weil die Decke seiner Werkstatt zu niedrig war, mietete er eine extrahohe Halle im Dresdner Industriegebiet an. Sechs verschiedene Gewerke waren an der Produktion beteiligt, darunter Bühnenbildner, Maler und Statiker. Jeder einzelne von ihnen trug dazu bei, dass der Löwe sein ganz spezielles Aussehen erhielt: ein bisschen wie einem Comic entstiegen und zugleich doch naturalistisch. Sie zeichneten Entwürfe, setzten das Tier aus Styroporblöcken zusammen, trugen Lack auf und eine Polyesterhülle. Schließlich schnitten sie den fertigen Löwen wieder auf, entfernten das Styropor und setzten ein massives Stahlgerüst ein.

Sein Schöpfer, ein Mann weniger Worte, aber mit feinem Witz, ist zufrieden mit dem Erscheinungsbild des Tieres. "Er ist schlank, aber trotzdem gut genährt", sagt Peter Ardelt. Für seine Größe sei er mit seinen 1400 Kilogramm "ein Leichtgewicht". Knapp sechs Meter groß ist der neue Löwe, einen guten Meter größer als der alte. Bevor er im Juli in Dresden verladen werden konnte, bekam er noch einen Sockel an die Pfoten montiert. Anschließend ging es auf einem Anhänger gen Süden, 460 Kilometer, auf der Autobahn begleitet von neugierigen Blicken und gezückten Smartphones. Dieser Sondertransport, ein liegender Löwe, muss ein kurioses Bild abgegeben haben.

Irgendwann in den kommenden Tagen wird sich Peter Ardelt zusammen mit seiner Familie auf den Weg zur Wiesn machen. Jedes Jahr, sagt er, brauche er das nicht. Aber 2016 ist für ihn mal wieder Oktoberfest-Jahr. Sein Löwe wird dann über bis zu 5700 Besucher im Zelt und 2800 im Biergarten wachen. Bevor sich Peter Ardelt eine Mass bestellt, wird er ihm von unten zuzwinkern.

© SZ vom 17.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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