Reitsport in der Olympiahalle:Die Pferdeversteher

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Zu den Munich Indoors kommen 30 000 Menschen, vor allem Mädchen und junge Frauen: zum Zuschauen, zum Einkaufen und nicht zuletzt zum Mitfühlen

Von Thomas Jordan

So leise war es schon lange nicht mehr in der Olympiahalle. Wo sonst Bands wie die Red Hot Chili Peppers krachende Bühnenshows zelebrieren, hört man an diesem Nachmittag nur gleichmäßiges, fast schon meditatives Hufgetrappel und rhythmisches Schnauben aus geblähten Nüstern. Bis zum Sonntag soll das anders werden, um die 30 000 Zuschauer über die Tage hinweg erwartet dann der Veranstalter bei den Munich Indoors, dem größten Reitsportturnier in Bayern. Gerade läuft hier aber erst einmal der internationale Amateurwettbewerb im Springreiten. Im Hintergrund dudelt diskret Radiomusik, ansonsten herrscht hoch konzentrierte Spannung in der mit Sand aufgeschütteten Arena der Olympiahalle und auf den Rängen. Viele der Jugendlichen - es sind vor allem Mädchen zwischen zehn und zwanzig Jahren -, die mit ihren Müttern oder ihren Freundinnen hierher gekommen sind, haben eine Pommestüte auf dem Schoß. Zeit zum Essen bleibt ihnen gerade nicht, sie verfolgen aufmerksam, wie sich die Amateurreiterin Pia Mars auf ihrer zwölfjährigen westfälischen Stute an den bunt bemalten Holz-Hindernissen schlägt. "Zwei Abwürfe, acht Strafpunkte" verkündet der Preisrichter streng. Gedämpfter Applaus.

Es ist eine ungewöhnliche Mischung aus Spannung und fast schon meditativer Entspannung, aus sportlichem Ehrgeiz und Empathie im Verhältnis zwischen Mensch und Tier, die man an diesem Nachmittag in der Olympiahalle beobachten kann. Für Volker Wulff liegt genau darin der Reiz des Pferdesports. Der 60-jährige Marketingexperte veranstaltet dieses Jahr zum 20. Mal die Munich Indoors und ist mit seinen Turnieren in Deutschland und in China einer der umtriebigsten Unternehmer der Szene. Am Sonntag wird hier in der Halle der mit 90 000 Euro dotierte "Große Preis von München" mit internationalen Stars im Springreiten ausgetragen.

Junges Publikum bei den Munich Indoors. Sie finden in diesem Jahr zum 21. Mal in der Olympiahalle statt. (Foto: Florian Peljak)

Für das Jubiläum in München hat sich Wulff neben den Springreit- und Dressur-Wettkämpfen auch ein großes Showprogramm ausgedacht, Höhepunkt ist am Samstagabend der französische Pferdekünstler Lorenzo. Jedes Jahr sitzen bei den Munich Indoors auch einige Prominente im Publikum. Neben Spielern, Trainern und dem Vorstandschef des FC Bayern, Karl-Heinz Rummenigge, dessen Tochter Charlotte selbst Dressurreiterin ist, gehören dazu auch Schauspieler wie Jutta Speidel oder Heino Ferch. In Hamburg, wo Wulf ebenfalls aktiv ist, sei es ein gesellschaftliches "must be", in München ein "should be", bei einem Pferdesportturnier dabei zu sein, sagt er. Trotz der Promis müsse sich aber niemand Gedanken um das passende Outfit machen. "Wir sind ja hier nicht im englischen Ascot", sagt Wulff. Einen Dresscode gibt es in München nicht. Bequeme Kleidung, die den 22 Grad in der Halle entspreche, reiche völlig. "Und vielleicht 'ne Jacke für den Weg vom Parkplatz hierher." Auf den Rängen der Olympiahalle überwiegt Landhausmode, oft kombiniert zum blonden Haarzopf.

Viele der überwiegend weiblichen Besucherinnen kommen extra zum Einkaufen hierher. Denn oben, in der Ausstellung im Erdgeschoss der Olympiahalle, bieten etwa 80 Stände alles rund ums Pferd. Das reicht vom Reithelm, für den man in der Straßstein-Version von Swarowski knapp 1500 Euro ausgeben kann, bis hin zur Pferdeversicherung. Der Reitsport ist schließlich auch ein großes Geschäft. Für eine Komplettausstattung eines Turnierreiters könne man gut und gerne 2500 Euro ausgeben, sagt Marion Mack an ihrem Stand für Turnierbedarf. Auch die 18-jährige Leonie Göttmann, die gerade mit ihrer Freundin Jinja Blind und ihrer Mutter Britta Rathje-Göttmann auf der Munich Indoors angekommen ist, geht jetzt erst einmal shoppen. Bei den Rathje-Göttmanns reitet die ganze Familie, auch der Vater. "Mein Mann hat mit 50 noch damit angefangen", sagt Mutter Britta lachend, "damit er sich auch am Gespräch beteiligen kann."

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(Foto: Florian Peljak)

Am Donnerstag und Freitag sind in der Olympiahalle....

...vor allem Nachwuchs- und Amateursportler zu sehen gewesen.

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(Foto: Eibner/imago)

Am Wochenende kommen die Profis zu den Munich Indoors.

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(Foto: Florian Peljak)

Zeit zum Einkaufen ist immer. So wie für Leonie Göttmann (rechts, blaue Jacke) und ihre Freundin Jinja Blind.

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(Foto: Florian Peljak)

80 Stände bieten so ziemlich alles, was Reitsportbegeisterte brauchen können.

Das Einkaufen hat Miriam Dastl bereits hinter sich. In der einen Hand hält sie zwei 1,80 Meter lange Longierpeitschen, in der anderen eine Plastiktüte. Die Österreicherin ist heute mit ihrer Schulklasse einer Pferdewirtschaftsschule in Österreich extra für einen Tagesausflug nach München gekommen. Dastl ist 16 Jahre alt, seit acht Jahren reitet sie Dressur, und für sie geht es bei den Munich Indoors auch darum, von den Turnierteilnehmern etwas zu lernen. Gerade die Amateurwettkämpfe schaut sie sich gerne an, wie sie sagt, weil der Abstand zum eigenen Können nicht so groß sei wie bei den Profis: "Die kann man besser kritisieren." Dass diese Empathie auch unter Sportgenossinnen gilt, zeigt sich am Ende der Amateurwettkämpfe auf den Rängen: Als das Pferd einer jungen Teilnehmerin an zwei Hindernissen den Barren reißt und die Reiterin schließlich auf den weiteren Parcours verzichtet, bekommt sie langen, aufbauenden Beifall vom Publikum.

© SZ vom 11.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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