Rechtskradikale demonstrieren doch:Aufmarsch am Harras

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Das Verwaltungsgericht hat eine Versammlung von Mitgliedern der rechtsextremen Szene doch noch kurzfristig zugelassen - und so ziehen am Samstag 40 Rechtsradikale zum Harras. Die Neonazi-Gegner protestieren auch, die Polizei filzt manche ganz genau.

Thomas Anlauf und Marco Völklein

Eine Art Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei haben sich am Samstag Mitglieder der rechtsextremen Szene geliefert. Zwei kurzfristig angemeldete Veranstaltungen am Ostbahnhof und im Münchner Norden wurden von der Polizei untersagt. Am Abend versammelten sich dennoch 40 Rechtsradikale in Sendling und zogen zum Harras.

Demonstranten zeigen Fotos der Menschen, die von dem mutmaßlichen Zwickauer Terror-Trio ermordet worden waren. (Foto: Alessandra Schellnegger)

In der Innenstadt hatten am Nachmittag etwa 220 Menschen gegen Faschismus und rechte Gewalt demonstriert. Insgesamt waren 275 Polizisten im Einsatz, um die Demo-Versuche der Rechten zu unterbinden und ein Zusammentreffen der beiden verfeindeten Lager zu verhindern.

Vorausgegangen war dem Hin und Her eine Entscheidung des Kreisverwaltungsreferats vom Donnerstag: Da hatten die städtischen Beamten der rechtsextremen "Bürgerinitiative Ausländerstopp" (BIA) untersagt, am Samstag am Heimeranplatz unter dem Motto "Kriminelle Ausländer raus" zu demonstrieren. In der Nacht zum Samstag meldete dann eine rechte Gruppierung eine "Eilversammlung" am U-Bahnhalt Am Hart an. Die Neonazis wollten sich dort gegen 13 Uhr treffen und dann weiterziehen zur Zentrale des bayerischen Verfassungsschutzes in der Knorrstraße 139.

Die Polizei wertete diesen Plan als "Ersatzveranstaltung" für die untersagte BIA-Demo und verbot die Versammlung ebenfalls. Daraufhin meldeten die Rechten erneut eine Eilversammlung an - diesmal bereits gegen 12 Uhr am Ostbahnhof. Die untersagte die Polizei erneut. Dennoch fanden sich gegen Mittag nach Polizeiangaben etwa 30 Rechtsradikale in der Friedenstraße ein, auch einige Gegendemonstranten hatten von den Plänen gehört und sich zusammengefunden.

Die Polizei war mit zivilen und uniformierten Beamten am Ort und erteilte den Neonazis Platzverweise. Am U-Bahnhof Am Hart gegen 13 Uhr tauchten keine Rechtsextremisten mehr auf, nur einige versprengte Gegendemonstranten. Eine Handvoll Rechte wurden später am U-Bahnhof in Freimann gesichtet.

Unterdessen hatte der Rechtsaktivist Norman Bordin beim Verwaltungsgericht Rechtsmittel gegen das Verbot der Eilversammlung am Ostbahnhof eingelegt und erreicht, dass eine dritte Versammlung in Sendling letztlich erlaubt wurde. Gegen 17 Uhr zogen daher etwa 40 Rechtsradikale von der Boschetsrieder Straße zum Harras; eine Stunde später war der braune Spuk beendet. Passanten und Anwohner, aufgeschreckt von dem Auftritt, bekundeten ihren Unmut mit lauten Rufen und Pfiffen. Die antifaschistische Informations- und Dokumentationsstelle "Aida" kündigte an, die kurzfristige Zulassung der Demo durch das Verwaltungsgericht zu überprüfen.

Am Nachmittag hatten laut Polizei 220 Demonstranten gegen Rechtsextremismus und die Rolle des Verfassungsschutzes im Skandal um die rechtsterroristische Mordserie protestiert. Sie forderten ein "Verbot der faschistischen Organisationen" und die "sofortige Auflösung" des Verfassungsschutzes. "Der Verfassungsschutz ist Teil eines rechtsradikalen Systems", sagte Walter Listl vom Bündnis gegen Krieg und Rassismus. In einer Schweigeminute gedachten die Demonstranten am Platz der Opfer des Nationalsozialismus "allen Opfern des Nazi-Terrors". Sie hielten Fotos der Menschen in die Höhe, die von dem mutmaßlichen Terror-Trio von Zwickau ermordet worden waren.

Die Demonstration wurde von einem großen Polizeiaufgebot begleitet. Am Rand der genehmigten Veranstaltung wurde etwa ein Dutzend junger Demonstranten eingekesselt und intensiv kontrolliert: Sie mussten alle Tascheninhalte auf den Boden legen und ihre Schuhe ausziehen. Das sei nicht unüblich, meinte eine Polizistin. Nur so könne man entdecken, ob ein Demonstrant "gefährliche Gegenstände in den Socken versteckt" habe.

© SZ vom 21.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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