Rechtsextremismus:"Die jungen Rechten sind gewaltbereiter"

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Verfassungsschützer Robert Bihler über Neonazis, ein NPD-Verbot und die Verführbarkeit von Jugendlichen.

Susi Wimmer

Nach dem vermutlich von einem Neonazi begangenen Anschlag auf den Passauer Polizeidirektor Alois Mannichl ist die rechtsradikale Szene in den Blickpunkt gerückt. Politiker sprechen von "zunehmender Gewaltbereitschaft bei den Neonazis" und dass die rechtsradikalen Gruppierungen immer mehr junge Leute anziehen. Robert Bihler vom Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) in München kennt die Szene: Er und seine Kollegen haben den Auftrag, "politischen Extremismus in Bayern zu beobachten". Als Schwerpunkte haben sich der islamistische Terror - und die rechtsextreme Szene mit rund 3300 Anhängern in Bayern herauskristallisiert.

Die Anhänger werden immer jünger: Auch in München hat es die NPD geschafft, junge Leute aus der Neonazi- sowie Skinhead-Szene für ihre Zwecke zu mobilisieren. (Foto: Foto (Archiv): Catherina Hess)

Süddeutsche Zeitung: Ist es eine neue Strategie der Rechtsextremen, ihre "Feindbilder" gezielt zu attackieren?

Robert Bihler: Es liegen uns bis dato keine Hinweise dafür vor, dass Rechtsextremisten ihre Strategie der Gewalt verändert haben. Natürlich gehören Polizisten oder Verfassungsschützer zu den Feindbildern der Extremisten, da sie Repräsentanten des verhassten Systems sind. Bislang aber haben Rechtsextremisten eher spontan zugeschlagen: Wenn sie betrunken waren, gewaltverherrlichende Skinhead-Musik vorher gehört hatten und ihnen dann beispielsweise ein Ausländer oder ein Obdachloser über den Weg lief. Sollte die Tat gegen Mannichl aber wirklich geplant gewesen sein, dann hätten wir es tatsächlich mit einer neuen Qualität von Gewalt zu tun.

SZ: Wo kommen die jungen Leute her, die plötzlich bei NPD-Veranstaltungen mitmarschieren?

Bihler: Die NPD hat es mit ihrer Strategie geschafft, junge Leute an die Partei heranzuführen. Während in den letzten zehn Jahren Parteien wie die DVU oder die Republikaner immer schwächer wurden, hat sich die NPD gegenüber Neonazis und rechtsextremistischen Skinheads geöffnet und davon profitiert. Die Partei hat somit ihr Mobilisierungspotential erhöht und die Zahl der NPD-Aufmärsche mit jungen Menschen gesteigert.

SZ: Was sind das für Jugendliche?

Bihler: Die aktuelle Entwicklung geht hin zu einer Mischszene. Zum einen sind da die rechtsextremen Skinheads, die eigentlich in erster Linie an Partys, Alkohol und Gewalt interessiert sind. Ihre Feindbilder sind Ausländer, Obdachlose und Behinderte. Diese Gruppe verübt etwa zwei Drittel aller rechtsextremistischen Gewalttaten in Bayern. Und dann hätten wir noch die Neonazis, die als politische Zielsetzung das Aufleben des dritten Reiches im Sinn haben. Sie sind mehr in Kameradschaften organisiert, denn in einer Partei. Der NPD ist es nun gelungen, diese Leute für ihre politischen Ziele zu mobilisieren.

SZ: Lassen sich junge Leute so einfach instrumentalisieren?

Bihler: Die NPD versucht, die Bedürfnisse der Jugendlichen aufzugreifen. Nehmen wir die Bürgerinitiative Ausländerstopp, eine Tarnliste der NPD: Sie verteilte im Wahlkampf Schulhof-CDs mit antisemitischen Zwischentönen. Oder Parteiveranstaltungen: Meist gibt es nach der Demo noch ein Konzert einer Skinheadband oder von rechtsextremistischen Liedermachern, ein Gemeinschaftserlebnis. Die NPD setzt da quasi auf Veranstaltungen mit Eventcharakter. Auch die Demo wird zum Erlebnis: Die Rechtsextremisten wissen, dass sie die linke Szene mit ihren Aufmärschen auf den Plan rufen, und sie wissen auch, dass die Polizei sie während des Aufzuges schützen muss. Da ist für die jungen Leute dann schon was geboten.

Lesen Sie weiter: Was Jugendliche in die Szene zieht

SZ: Ist den Jugendlichen nicht bewusst, auf welche politische Schiene sie sich da einlassen?

Bihler: Zum Zeitpunkt des Einstiegs in die Szene sind sicherlich andere Dinge für die Jugendlichen häufig wichtiger als politische Fragen: Gemeinschaftserlebnisse, Anerkennung und Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Durch politische Organisationen wie die NPD oder Neonazi-Kameradschaften findet dann aber eine politische Indoktrinierung statt. Die Jugendlichen sollen als "Parteisoldaten" rekrutiert werden.

SZ: Ist die rechtsextremistische Szene bei so vielen politischen Ausrichtungen homogen?

Bihler: Wir beobachten da zwei aktuelle Entwicklungen. Auf der einen Seite versucht die NPD, Kristallisationspunkt innerhalb der rechtsextremistischen Szene zu werden und erzielt dabei auch Erfolge. Auf der anderen Seite gibt es immer wieder auch Konflikte, Rivalitäten und strategische Streitereien. So wie auf dem Parteitag der NPD in Eggenfelden. Daher ist die rechtsextremistische Szene in Bayern nach wie vor kein homogener Block.

SZ: Sind die Jungen tendenziell gewaltbereiter?

Bihler: Ja. Sie sind aktionistischer. Und in Verbindung mit Alkohol und ihren Hassbildern sicher auch gewaltbereit. Aber man darf dieses Reinschlittern in die Szene nicht immer politisch sehen. Vor kurzem hatte ich ein Gespräch mit einer Szeneaussteigerin. Sie kam neu in eine bayerische Stadt, suchte Kontakte und verliebte sich in den Kameradschaftsführer der Neonazis. So rutschte sie in die Szene.

SZ: Wäre ein Verbot der NPD für Sie von Vorteil?

Bihler: Die NPD vertritt ganz klar neonazistische Positionen. Die Frage, ob erneut ein Verbotsantrag gestellt wird, ist aber eine politische Entscheidung.

© SZ vom 17.12.2008/pfau - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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