Rechtsextreme Szene in München:"Die Gewaltbereitschaft steigt"

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Nach dem Anschlag auf den Passauer Polizeidirektor gerät die rechtsextreme Szene in München zunehmend in den Fokus. Polizeipräsident Schmidbauer über neue Tendenzen.

Susi Wimmer

Nach dem Anschlag auf den Passauer Polizeidirektor Alois Mannichl reißt die politische Diskussion um die Bedrohung durch Rechtsextremisten nicht ab. Auch in München stand ein Ehepaar aus der rechtsextremen Szene kurzzeitig unter Verdacht, am Angriff auf Mannichl beteiligt gewesen zu sein. Im SZ-Interview spricht Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer über die rechtsextremistische Szene, neue Tendenzen und die Strategie der Polizei.

"Unsere Beamten sind dadurch besonders sensibilisiert", sagt Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer. (Foto: Foto: Andreas Heddergott)

SZ: Seit dem Anschlag auf Alois Mannichl ist von einer neuen Form rechtsradikaler Gewalt die Rede.

Schmidbauer: Einen derart brutalen Angriff, noch dazu im Privatbereich, gab es bisher weder von Rechts- noch von Linksextremisten. Unsere Beamten sind dadurch besonders sensibilisiert. Grundsätzlich schützen sich Polizisten dienstlich wie privat selbst. Spezielle Schutzmaßnahmen für Privatpersonen oder Polizeibeamte werden erst ergriffen, wenn konkrete Erkenntnisse auf Gefährdungen vorliegen.

SZ: Gibt es momentan Drohungen seitens der Rechtsradikalen gegen Polizisten oder Privatpersonen?

Schmidbauer: Nein. Auf solche Drohung würden wir sofort mit allen uns rechtlich zur Verfügung stehenden Mitteln reagieren.

SZ: Wie stark schätzen sie die Rechtsextremen in München ein?

Schmidbauer: Der harte Kern bewegt sich bei 200 bis 300 Personen, hauptsächlich im Altersbereich zwischen 15 und 25 Jahren. Die Rechtsextremisten versuchen intensiv, politisch noch nicht gefestigte Jugendliche zu rekrutieren und für die Szene zu gewinnen. Musik stellt hier quasi die Einstiegsdroge dar.

SZ: Wie gewalttätig ist die Szene?

Schmidbauer: Wir stellen generell fest, dass die Gewaltbereitschaft und Aggressivität steigt, sowohl bei den Rechtsextremen wie auch bei den Linksextremisten. Die Gewalttaten, die wir in den ersten neun Monaten 2008 im Bereich Rechtsextremismus registriert haben, belaufen sich auf 15. Im Vergleichszeitraum 2007 waren es 14. Von einem signifikanten Anstieg kann also nicht gesprochen werden. Eher von einem niedrigen Niveau, wenn man bedenkt, dass wir 2007 insgesamt 3116 Gewaltdelikte in München zu verzeichnen hatten. Unser Ziel ist es, die Täter zu überführen, ohne Rücksicht darauf, aus welchen Motiven heraus sie gehandelt haben.

SZ: Wird die Bedrohung durch Rechtsextremisten momentan überschätzt?

Schmidbauer: Fakt ist, dass die Zahl der rechtsextremistischen Veranstaltungen massiv gestiegen ist. 90 waren es 2008, im Jahr zuvor gerade einmal 40, was auch mit den Kommunal- und Landtagswahlen zusammenhängt. Fakt ist auch, dass es die rechtsextreme Szene schafft, junge Leute anzuziehen. Sie werben hauptsächlich über das Internet und im Bekanntenkreis. Wir machen die Tendenz aus, dass sich die rechtsextreme Szene zunehmend politisiert und dadurch Neonazi-Gruppierungen und deren Ideologie mehr Zulauf haben und eine größere Bedeutung gewinnen. Führende Aktivisten der Szene nähern sich immer mehr der NPD an, treten in die Partei ein und übernehmen führende Positionen.

SZ: Was halten Sie von einem Verbot der NPD?

Schmidbauer: Die Frage des Verbotsantrages vor dem Bundesverfassungsgericht ist eine politische Entscheidung. Als Polizeipräsident sehe ich ein Verbot einerseits als Erleichterung für die Polizeiarbeit. Andererseits - das rechtsradikale Gedankengut bleibt und die Agierenden machen im Verborgenen weiter.

SZ: Das Bundesverfassungsgericht hatte 2003 das Verfahren für ein NPD-Verbot eingestellt.

Schmidbauer: Ja, mit dem Hinweis darauf, dass die Funktionärsebene der Partei mit V-Leuten des Verfassungsschutzes durchsetzt sei. Damit konnte die NPD argumentieren, dass quasi staatlich bezahlte Spitzel teilweise für die NPD-Politik verantwortlich gewesen seien. Tatsache aber ist, dass ein V-Mann keine Person ist, die im staatlichen Auftrag agiert, Weisungen des Staates erhält oder der der Staat vertraut. Diese Leute sind von sich aus in der Szene aktiv und sie werden nur dafür bezahlt, dass sie sagen, was sie gesehen oder gehört haben. Die Frage, ob die NPD eine verfassungswidrige Partei ist, wurde damals gar nicht geklärt.

© SZ vom 02.01.2009/wib - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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