Rechtsextreme Musik:"Zu Konzerten kommen Tausende Fans"

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Neonazis ködern Schüler mit rechtsextremer Musik. Ein Gespräch mit Robert Andreasch von Aida über den Reiz des Verbotenen.

B. Kastner

Wenn Neonazis auf Schulhöfen Musik-CDs mit rechtsextremen Texten verteilen, dann wollen sie Jugendliche für ihre menschenverachtende Ideologie ködern. Längst existiert eine rechte Subkultur in der Musikszene. Das "Feierwerk" und die Fachstelle Rechtsextremismus veranstalten am Freitag einen Fachtag über rechte Jugend- und Musikkulturen. Robert Andreasch vom Antifaschistischen Informationsarchiv Aida ist einer der Referenten.

Beschlagnahmte rechtsextreme Musik: "Sie transportiert Stimmungen und Gefühle und trifft so das Lebensgefühl der jungen Leute." (Foto: Foto: ddp)

SZ: Musik gilt der Polizei als "Einstiegsdroge" in die rechtsextreme Szene. Stimmen Sie dem zu?

Robert Andreasch: Ich halte das für zu kurz gegriffen. Es wird so getan, als würden die jungen Leute einfach so reinrutschen in diese Szene. Dabei gibt es keinen unbedingten Automatismus zwischen dem Hören rechter Musik und dem Abgleiten in die Neonazi-Szene. In diesen Songs werden rassistische, nationalistische und antisemitische Texte kombiniert mit aktuellen Musikstilen. Das ist natürlich ein ideales Lockmittel, aber doch eher für Leute, die in den Texten das finden, was zu ihrem Denken passt.

SZ: Was ist es, das diese Musik so attraktiv macht?

Andreasch: Sie transportiert Stimmungen und Gefühle und trifft so das Lebensgefühl der jungen Leute. Nur über Texte wäre das nicht möglich. Der Kitzel des Verbotenen, gerade bei brutalen und radikalen Inhalten, spielt auch eine Rolle, und man kann sich so einer Subkultur zuordnen.

SZ: Auf welchem Wege verbreitet sich diese Musik?

Andreasch: Rechtsrock ist millionenfach im Umlauf. Auf CDs ebenso wie im Internet auf Tauschbörsen. Diese Musik ist Alltag in deutschen Kinderzimmern. In München kommen zu Konzerten mit reaktionären Songs immer wieder Hunderte, manchmal Tausende Fans.

SZ: Wie sieht die Szene in München aus?

Andreasch: Die Feldherren sind die wohl bekannteste Münchner Neonazi-Band, sie spielen Skinheadrock. Die Bandmitglieder sind etwa Mitte zwanzig, Anfang dreißig und treten in ganz Europa auf. Es gibt aber auch Black Metal oder Hardcore in nationalsozialistischen Varianten, und eine Reihe von Nachwuchsbands. Sie nennen sich etwa Edelweiß oder Stiefeljungs. Wenn Neonazis Konzerte organisieren, dann in der Regel nicht offen in einem Club, sondern konspirativ, um Ärger mit Behörden oder Polizei zu vermeiden. Oft finden solche Konzerte auch weit außerhalb Münchens statt, manchmal auf einer Wiese. Münchner Neonazis organisieren schon mal eine Busfahrt bis ins Ausland.

SZ: Welche Ausdrucksformen rechtsextremer Gesinnung gibt es außer der Musik bei Jugendlichen?

Andreasch: Wie in anderen Szenen auch sind das beispielsweise T-Shirts mit entsprechenden Aufdrucken, eigene Klamottenmarken und einschlägige Internetseiten, auf denen die User Videos herunterladen können.

SZ: Wie kann die Gesellschaft dem beikommen?

Andreasch: Lehrer und Betreuer müssen geschult werden, um über die Inhalte der Songs diskutieren zu können. Ich glaube schon, dass man Jugendlichen klar machen kann: Es ist nicht cool, solche Musik zu hören, es ist menschenverachtend.

© SZ vom 19.06.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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