Raumfahrt:Ottobrunn greift nach den Sternen

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Im Ariane-Werk beginnt die Produktion des neuen Triebwerks für die europäische Weltraumrakete. Bei dem Großprojekt geht es darum, im Wettbewerb mit den USA zu bestehen - der Starttermin ist symbolträchtig

Von Lisa Böttinger

Was vom Jahr 2020 an mit vier Millionen PS durchs Weltall gleiten soll, sieht aus wie ein umgedrehter Riesentrichter, gut einen Meter hoch und silbern glänzend, es ist das Herzstück des Triebwerks der neuen Ariane- 6- Trägerrakete. Feine weiße Kabel schlängeln sich an der stählernen Schubkammer nach oben, "Vinci" heißt der Motor, den die Ariane Group seit Mittwoch auf ihrem Firmengelände in Ottobrunn produziert.

Das Gemeinschaftsunternehmen des europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns Airbus und des französischen Triebwerksherstellers Safran ist Hauptauftragnehmer für die Entwicklung der Ariane 6 , andere Teile wie beispielsweise für Raketentanks liefert das Raumfahrtunternehmen MT Aerospace aus Augsburg. "In unserer Branche herrscht eine riesige Konkurrenz", sagt Pierre Godart, Geschäftsführer der Ariane Group in Deutschland. Beim Bau geht es daher vor allem um eines: Wettbewerbsfähigkeit. Weil amerikanische Raketenunterneh men wie SpaceX ihre Trägerraketen zu Dumping-Preisen anbieten, muss sich die europäische Raumfahrt positionieren - und günstiger produzieren. Ohne Satelliten im All, die mit solchen Raketen auf ihre Umlaufbahn transportiert werden, kommt heute kaum eine Technologie mehr aus: von der Telekommunikation über Geldverkehr bis hin zum Umweltschutz.

70 Millionen Euro soll nun eine fertige Ariane 6 kosten, etwas mehr als die Hälfte ihres Vorgängertyps Ariane 5. Insgesamt belaufen sich die Entwicklungskosten auf drei Milliarden Euro, von denen 400 Millionen die Industrie beisteuert. Die restlichen 2,6 Milliarden zahlt die europäische Weltraumorganisation ESA, die den Auftrag für die Ariane 6 auf ihrer Ministerkonferenz 2014 beschlossen hat. Deutschland trägt als ESA-Mitgliedsstaat diese Kosten zu 23 Prozent, nur Frankreich zahlt mit etwa 45 Prozent noch mehr.

Die Ariane 6 soll mit dem Ottobrunner Triebwerk "Vinci" bis zu 90 Satelliten auf verschiedene Umlaufbahnen transportieren können - und so weniger Weltraummüll produzieren als "Wegwerfraketen", die nur geringe Nutzlast an Satelliten und Sonden bewältigen. Gerald Hagemanns Augen blitzen kurz auf, als er ein Bauteil des Motors in die Hand nimmt, das ein 3D-Drucker ausgespuckt hat. Der leitende Ingenieur für Flüssigtriebwerke wie das der Ariane 6 kippt den runden Einspritzkopf, der später Wasserstoff und Sauerstoff in den Verbrennungsmotor schießen wird, in seiner Hand hin und her, fast zärtlich, bis er wieder zum technischen Part übergeht. "Mikrometergroße Teile eines nickelbasierten Stahls werden hier im 3D-Drucker miteinander verschweißt", sagt er.

Das geht nicht nur schneller als beim herkömmlichen Fräsen der Teile. Die teilweise Produktion durch 3D-Drucker spart auch Produktionskosten. Bis der Einspritzkopf seiner Aufgabe in der Ariane 6 unter Realbedingungen nachkommen kann, dauert es zwar noch ein bisschen. Getestet wird das Triebwerk der Ariane 6 aber bereits aber auf dem Standort des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Lampoldshausen.

Und im Ariane-Zentrum selbst: Aus einem mülltonnengroßen Zylinder steigt weißer Nebel und schmiegt sich über den Rand des Behälters nach unten. Erst nach fünf Minuten wird der Stickstoff aufhören zu kochen, erst dann hat sich das Ariane 6-Triebwerk von 100 Grad plus auf minus 196 Grad abgekühlt. Der "Thermoschock" ist nur einer der Tests, dem sich das Triebwerk "Vinci" und seine Einzelteile noch unterziehen müssen. Auf dem Weltraumbahnhof in Kourou, Französisch-Guayana, wird derweil eine Starteinrichtung für die neuen Trägerraketen gebaut. Dann soll die Ariane 6 mit ihrem Ottobrunner Antrieb dort starten. Geplanter Termin ist der 16. Juli 2020 - dasselbe Datum, an dem 1969 die Saturn V mit der Mondlandekapsel Apollo 11 ins All schoss.

© SZ vom 29.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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