Koalition im Münchner Rathaus:"Die Stimmung ist schlechter denn je"

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Quer durch die Stadt: Die SPD hielt ihre Pressekonferenz auf einer Trambahnfahrt ab. (Foto: Catherina Hess)

Eigentlich war geplant, dass CSU und SPD gemeinsam Bilanz ziehen, nach drei Jahren Koalition. Aber Oberbürgermeister Reiter fährt mit seiner Fraktion alleine durch die Stadt.

Von Pia Ratzesberger

Der Trambahnfahrer ist ein wenig nervös, denn an seinem Platz sitzt gerade Oberbürgermeister Dieter Reiter und hat wohl eben aus Versehen die Notbremse gezogen. "Deshalb hat es jetzt so gebimmelt", sagt der Fahrer und ist ganz froh, als Reiter am Sendlinger Tor dann doch hinten in die Trambahn einsteigt, gemeinsam mit seiner Fraktion. Denn die will an diesem Sonntag auf einer Fahrt durch München Bilanz ziehen, nach drei Jahren Großer Koalition im Rathaus. Halbzeit also. Es sagt schon viel aus, dass eigentlich einmal geplant war, dass SPD und CSU gemeinsam bilanzieren. Und die SPD nun alleine fährt.

"Es ist schön, dass Oberbürgermeister und Fraktion in dieser Zeit so eng zusammengewachsen sind", sagt Reiter, während sich die Trambahn durch die Innenstadt schiebt, im März 2014 war der Stadtrat gewählt worden. Fraktion und Oberbürgermeister, das funktioniere - die CSU nennt er nicht. Die Tram fährt vorbei am Klinikum Bogenhausen, zum ersten Mal seit langem hätten die Stadtkliniken im vergangenen Jahr keinen Verlust gemacht, heißt es, dann rechts die frühere Prinz-Eugen-Kaserne, 30 Hektar, 1800 neue Wohnungen. Man habe die entscheidenden Projekte mit der CSU vorangebracht, sagt Reiter, den Tunnel für die S-Bahn beschlossen und die Trambahn für die Westtangente, die Fußgängerzone in der Sendlinger Straße und die soliden Haushalte. Das Ergebnis der Zusammenarbeit aber sei besser als die Zusammenarbeit selbst. "Die Stimmung ist schlechter denn je."

Die Bierpreisbremse für die Wiesn sei nur eine Streiterei von vielen, noch immer bekomme er aus dem ganzen Land "Fragezeichenanrufe" wegen dieses Vorschlags von Josef Schmid (CSU). Wer die Wirte kenne und ein wenig Lebenserfahrung habe, der wisse doch, dass für eine Familie der Besuch auf der Wiesn nicht günstiger werde, nur weil der Bierpreis gedeckelt wäre. "Ich habe jetzt vier Wochen Zeit zu verstehen, was in diesen Vorlagen steht." Die Trambahn fährt gerade über die Max-Joseph-Brücke, biegt links Richtung Tivolistraße ab, "wenn es nach uns ginge, könnten wir hier jetzt auch geradeaus fahren, durch den Englischen Garten", sagt einer ins Mikro. Johlen. Die SPD im Stadtrat will eine Tramlinie durch den Park, aber auch da ist sie sich mit der CSU uneins.

Schon die Sache mit dem Kulturstrand sei ein Affront gewesen, sagt Fraktionsvorsitzender Alexander Reissl, über die Bierpreisbremse will er lieber erst gar nicht reden, ein Bier in der Hand. Die CSU hatte damals initiiert, dass nicht mehr das Kreisverwaltungsreferat entscheide, wer den Kulturstrand ausrichte, sondern der Stadtrat. Die SPD war von diesem neuen Verfahren überrumpelt. Ähnlich wie vom Sicherheitskonzept in der vergangenen Woche.

Die Münchner CSU hatte das am Dienstagabend im Hofbräukeller vorgestellt, demnach soll es in Zukunft mehr Sicherheitsleute im Nahverkehr geben. Mit verfasst hat das Papier der sicherheitspolitische Sprecher der CSU im Stadtrat, Michael Kuffer. "Einen Antrag von Herrn Kuffer habe ich dazu bis heute nicht vorliegen", sagt Oberbürgermeister Dieter Reiter nur.

An der Haltestelle St. Emmeran steigt die Mannschaft kurz aus, Pause, Reiter schaut beim Fahrer in der Bahn gegenüber ins Fenster rein. Er selbst fahre ja gerne Tram, auch wenn die Münchner dann immer verwundert seien, dass er "so ganz ohne Bodyguards" unterwegs sei. An diesem Sonntag soll die Fahrt mit der Trambahn aber auch ein Symbol sein, die SPD-Fraktion will noch mehr für den Nahverkehr tun. Noch in diesem Jahr soll es einen Beschluss zur U 9 geben, sagt Reiter, das Ziel sei eine U-Bahnlinie von der Implerstraße bis zur Münchner Freiheit. Dass die Stimmung in der Koalition so schlecht sei, heiße schließlich nicht, dass man nicht mehr sachlich miteinander arbeiten könne. Er werde versuchen, dass wieder mehr untereinander ausgetragen werde und nicht immer gleich öffentlich. Wie in den vergangenen Wochen.

Als die Trambahn den Hauptbahnhof ansteuert, sagt Christian Vorländer ins Mikro: "Wir fahren gerade durch einen der viel zitierten Angst-Räume." Er grinst, er ist der Sprecher der SPD für Sicherheitspolitik. Bewaffnete Wächter will hier keiner, an manchen Orten mehr mit Video zu überwachen, sei aber vielleicht sogar sinnvoll, heißt es bei manchen. Man könne mit ihnen ja reden.

© SZ vom 03.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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