Rätsel um das Diebesgut:Das Geheimnis der Millionenbeute

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Der inhaftierte Dieb Sven K. bekommt keine Ruhe. Sein ehemaliger Arbeitgeber und die Polizei geben die Suche nach den erbeuteten 3,6 Millionen Euro nicht auf.

Susi Wimmer

Sieben Jahre Haft, so lautete das Urteil des Landgerichts München II gegen den Millionendieb Sven K. Der 33-Jährige nahm das Urteil im August 2008 lächelnd zur Kenntnis. Hinter ihm schlossen sich die Türen der Justizvollzugsanstalt Tonna in Thüringen, und mit sich nahm er das Geheimnis um den Verbleib der Millionenbeute: Heute, auf den Tag genau vor zwei Jahren, trickste Geldtransporterfahrer Sven K. während einer Dienstfahrt seinen Kollegen aus und verschwand mit 3,6 Millionen Euro. Mehr als ein Jahr lang war Sven K. auf der Flucht, Zeit genug, um die Beute zu verstecken.

Sven K. lächelte auch noch nach dem Urteil zu sieben Jahren Haft: Nur er weiß, wo die 3,6 Millionen Euro aus seinem Raub abgeblieben sind. (Foto: Foto: ddp)

Doch Ruhe wird Sven K. noch lange nicht haben: Nächste Woche wird der ehemalige Arbeitgeber von Sven K. in einem Zivilrechtsverfahren seine finanziellen Ansprüche geltend machen. Und sobald Sven K. nach Verbüßung seiner Haftstrafe einen Fuß in die Freiheit setzt, wird es Schatten geben, die ihm folgen.

Die Polizei war ihm über ein Jahr lang auf den Fersen, letztendlich aber war es Zufall, dass der Millionendieb am 23. April 2008 verhaftet wurde: Schleierfahnder kontrollierten Sven K. routinemäßig im Interregio zwischen Nürnberg und Dresden. Sven K. hielt ihnen seinen echten Ausweis hin, und die Beamten stauten nicht schlecht, als ihnen dämmerte, wen sie da vor sich hatten. Gelächelt hat Sven K. zu diesem Zeitpunkt zumindest noch nicht.

Akribisch hatte die Polizei versucht, die Routen nachzuverfolgen, die Sven K. während seiner 15 Monate andauernden Flucht genommen haben musste. Angefangen am 20. Januar 2007, als er seinen Kollegen von der Geldtransporter-Firma G4S an einem aufgelassenen Parkplatz an der Autobahn bei Sulzemoos unter einem Vorwand aus dem gepanzerten Wagen lockte und dann einfach Gas gab.

Nur ein paar Kilometer weiter hatte Sven K. einen Mietwagen geparkt, in diesen lud er die Beute um. Allerdings nicht alles: 4,2 Millionen Euro befanden sich im Fond des Transporters, Sven K. packte "nur" 3,6 Millionen ein. Ob er gestört wurde, zu hektisch war, oder die restlichen 600 000 Euro schlichtweg nicht mehr in den Kofferraum des Mietwagens passten, ist unklar.

Dann düste Sven K. los mit Zielrichtung Fährhafen Marseille in Südfrankreich. Die Beute packte er in Damenstrumpfhosen. Sven K. muss während dieser Fahrt auch durch das Elsass gekommen sein und dort den Kofferraum geöffnet haben. Denn die Spurensicherung fand später im Kofferraum eine Tannennadel aus den Vogesen. Von Marseille, wo er das Fluchtauto stehen ließ und eine Fähre bestieg, ging die Route weiter nach Algerien, dann Spanien, Karibik und wieder Spanien. Angeblich wegen gesundheitlicher Beschwerden kam er wieder zurück nach Deutschland.

Jetzt sitzt der aus Thüringen stammende Sven K. also in Tonna ein. Das Geld, so erklärte er im Prozess, habe er noch am Tattag einer Frau aus Georgien überlassen. Er habe sie erst vor kurzem kennengelernt und in den Plan eingeweiht. Man habe sich dann beim Mietwagen getroffen. Er habe das Geld in ihr Auto eingeladen und sei mit leerem Kofferraum nach Marseilles geflüchtet. Dort, so erklärte er vor Gericht, habe er sich wieder mit der Georgierin treffen wollen, doch die sei nicht erschienen.

Der Vorsitzende Richter Martin Rieder wollte Sven K. diese Geschichte jedoch nicht abnehmen. "Wir glauben nicht, dass diese Dame existiert", sagte Rieder. Sven K. blieb bei der Version und ging auch nicht auf den Ratschlag seines Verteidigers ein, der ihm nahelegte, das Geldversteck doch preiszugeben.

3,6 Millionen Euro - wie vom Erdboden verschluckt. Der ehemalige Arbeitgeber von Sven K., die Münchner Firma G4S, existiert mittlerweile nicht mehr. Das Unternehmen verkaufte seine deutschen Niederlassungen, die Sparte "Geld- und Werttransporte" fiel an die Düsseldorfer Firma Securlog. Dort hielt sich jedoch der Schaden, den Sven K. verursacht hatte, in Grenzen. Denn die Versicherung erstattete Securlog drei Millionen Euro. Die fehlenden 600 000 will sich das Unternehmen nun per Gericht sichern.

Am Dienstag, 27. Januar, wird über die Zivilrechtsklage Securlog gegen Sven K. entschieden. "Bislang hat sich kein Anwalt für Sven K. bestellt, und selbst wenn er alleine zur Verhandlung kommen würde, könnte er keine Anträge stellen", sagt Isabel Liesegang vom Landgericht München II. Im Klartext: Sven K. wird wohl nicht vor Gericht erscheinen; das Gericht würde dann ein sogenanntes Versäumnisurteil erlassen, und die Firma Securlog hätte einen Titel gegen Sven K. erwirkt, der ihr Zugriff auf seine Finanzen gestattet, sollte er jemals zu Geld kommen.

Beispiel Dieter Zlof

Auch bei der Kriminalpolizei und der Staatsanwaltschaft München II ist die Akte Sven K. noch längst nicht geschlossen. Selbst wenn der Millionendieb jetzt hinter Schloss und Riegel sitzt, "das hindert die Polizei nicht, weiterhin der Frage nach der Beute nachzugehen", sagt der Leitende Oberstaatsanwalt Rüdiger Hödl. Außerdem meint Hödl, dass die Beute "im Rahmen der Strafverbüßung noch eine Rolle spielen könnte".

Denn nach zwei Drittel der verbüßten Strafe, also nach etwa viereinhalb Jahren, könnte Sven K. Antrag auf Strafaussetzung zur Bewährung stellen. Mehr Kooperationsbereitschaft als bislang könnte dann von Vorteil sein.

Ob sich die Polizei nach der Entlassung Sven K.s wieder an seine Fersen heften wird, diese Frage will der Leitende Oberstaatsanwalt Hödl heute nicht beantworten. "Aber, denken Sie an Dieter Zlof", sagt er nur. Zlof hatte am 14. Dezember 1976 in Weihenstephan den Unternehmersohn Richard Oetker entführt und 21 Millionen Mark Lösegeld erpresst. Zlof wurde gefasst und in einem spektakulären Indizienprozess zu 15 Jahren Haft verurteilt. Als er 1994 wieder frei kam, ließ ihn die Polizei nicht aus den Augen.

Und Zlof stand noch vor einem anderen Problem: Die bis dato gültigen 1000-Euro-Scheine aus seiner Beute waren aus dem Zahlungsverkehr genommen und durch neue Scheine ersetzt worden. Umtauschen konnte er die alten Noten nur in einer Landeszentralbank. Zlof wurde im Mai 1997 erneut verhaftet, als er in London versuchte, die Beute zu waschen. Zudem war ein Großteil der Scheine, die in einem Erdloch versteckt waren, mittlerweile verrottet. Zlof ging erneut für zwei Jahre in Haft. Heute arbeitet er an einer Würstchenbude in München - und ist durch die Rückzahlung des Lösegeldes hoch verschuldet.

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