Puppenspieler Joe Heinrich:Auf der dunklen Seite der Macht

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Joe Heinrich im Kreise seiner Puppen, die er herstellt und dann zu satirischem Leben erweckt. (Foto: Günther Reger/Günther Reger)
  • Joe Heinrich ist Puppenspieler und vor allem für seine Darbietungen in der BR-Sendung "Quer" bekannt.
  • Eigens dafür hat er Puppen nach dem Vorbild von Ilse Aigner und Markus Söder angefertigt.

Von Gerhard Fischer

Darth Vader ist ein Opa. Er sitzt in einem Stuhl, trägt eine Kassenbrille und dicke Strümpfe. Und er vergisst schon mal, was er gesagt hat - der gefürchtete Darth Vader ist dement. Es ist also nicht leicht mit dem Alten, schon gar nicht für Luke Skywalker, seinen Sohn. Wie soll man einen Vater-Sohn-Konflikt lösen, wenn Papa so kauzig ist?

Für alle Star-Wars-Fans: Keine Sorge, es ist nur ein Spiel. Ein Puppenspiel. Joe Heinrich, ein Puppenmacher, Puppenspieler, Komiker und Kabarettist, tritt nicht nur mit Aigner, Söder und einem schwulen Wolpertinger auf. Sondern auch mit einem sonderbaren Darth Vader.

Heinrich, 38, sitzt in seiner Puppenmacher-Werkstatt in Maisach und probt mit Darth Vader. Es ist elf Uhr, am Abend wird er in Traunstein auftreten. Heinrich schiebt den schrulligen Schurken zur Seite, setzt sich auf einen Stuhl und spricht nicht über die Puppen Aigner und Söder, die er für das BR-Magazin "Quer" angefertigt hat. Man hatte erwartet, dass er gleich über die Puppen Aigner und Söder redet. Schließlich wird er vor allem damit in Verbindung gebracht.

Die Probleme dieser Welt - im Puppenspiel

Aber Joe Heinrich spricht erst einmal über Darth Vader. Er erklärt, warum er einen Bösen als Puppe hat und nicht eine niedliche Schildkröte oder ein rosarotes Stoffschwein. "Bei den anderen Puppenspielern funktioniert es doch meistens so: Ein kleiner Frechdachs düpiert den Clown, also den Bauchredner", beginnt er. Damit würden auf eine "liebenswerte, fast kindliche Art und Weise" Themen transportiert. Weiche Themen sind das. Heinrich bevorzugt aber die harten: Vater-Sohn-Konflikt, Umweltzerstörung, Kriege, Mobbing, Ausgrenzung, Tierquälerei.

Seehofer-Nachfolge in Bayern
:Söder hängt Aigner in Umfrage ab

Markus Söder führt überraschend im Rennen um die Nachfolge von Horst Seehofer: 41 Prozent der Bayern wollen ihn als neuen Ministerpräsidenten, seine Konkurrentin Ilse Aigner kommt nur auf 24 Prozent. Doch eine Politikerin ist in Bayern noch beliebter als der Finanzminister.

Von Frank Müller

Ja, tatsächlich: Joe Heinrich hat diesen Anspruch, und er erklärt das ausführlich. Fast zwei Stunden redet er über die Probleme dieser Welt, es geht auch um den IS und die Ukraine, um überhöhte Mieten, Ressourcen-Verschwendung und Tierhaltung. "Wir wissen alle, dass es nicht gut ist, wenn die Welt nach Fleisch giert", sagt Heinrich. "Ich will kein Gutmensch sein, aber man darf doch darüber klagen, wie man mit fühlenden Mitgeschöpfen umgeht, als seien sie ein Stück Ware."

"Man sollte mit Kindern Führungen durch ein Schlachthaus machen"

Schweine bekämen Panikattacken, zum Beispiel. Aber die Sendungen, die sich damit beschäftigten, würden um 23.45 Uhr gezeigt. "Versteckt" würden sie, sagt Heinrich, "während zuvor zig Kochsendungen laufen". Mal fordert er: "Man sollte mit Kindern Führungen durch ein Schlachthaus machen." Mal resigniert er ein wenig: "Es wird sich nichts ändern, solange das Kotelett im Supermarkt billiger ist als eine Paprika." Er selbst isst kein Fleisch.

Joe Heinrich redet schnell, viel und gern, und er weiß, dass man rasch als Eiferer gilt, wenn man solche Sachen sagt und dabei nicht gleichgültig guckt, sondern fast eindringlich sein Gegenüber fixiert. Er weiß auch, dass man schnell ein Einzelgänger ist, wenn man aufbegehrt. Trotzdem hört er nicht auf, und er kritisiert die Missstände nicht, weil er Recht haben will. Er sagt, er kritisiert, weil er Empathie hat. Das ist ein großer Unterschied.

Natürlich will er auf der Bühne auch Spaß haben. Den dummen August machen. Die Marx Brothers imitieren. Aber das Andere, das Kritische will er trotzdem nicht vergessen - schließlich sollten Komiker "die Chance nutzen", die sie hätten, wenn sie vor Publikum auftreten. Warum muss man an dieser Stelle ausgerechnet an diesen Song denken: "Der Puppenspieler von Mexiko ist manchmal traurig und manchmal froh."

"Auf seine Art wahnsinnig schräg"

Dann, nach fast zwei Stunden, geht es um seinen Lebenslauf, um seine Kindheit in "einfachen Verhältnissen", er korrigiert sich: in "einfachsten Verhältnissen"; um sein junges Nomadenleben in Bayern und Rheinland-Pfalz. Und schließlich redet er darüber, was er bisher beruflich gemacht hat: Grafikdesign studiert, als Bildhauer gearbeitet, Plastiken erschaffen, vor der Youtube-Kamera aufgetreten - und als Zeichner Comic-Hefte publiziert, 17 insgesamt. Sein mehrteiliger Formel-1-Comic "Bleifuss" erreichte eine Gesamt-Auflage von 300 000 Stück. "Er ist ein unfassbar guter Zeichner", sagt die Kabarettistin Constanze Lindner, die mit Heinrich schon zusammengearbeitet hat. Lindner meint, Heinrich sei "auf seine Art wahnsinnig schräg, ein fleißiger, sehr sensibler Mensch".

Joe Heinrich bastelt die Politiker-Puppen für das BR-Magazin "Quer", hier zeigt er sich mit seinen Figuren Markus Söder (links) und Darth Vader. Damit kommt er auch zum Uferlos. (Foto: Günther Reger)

Vor ein paar Jahren hat Heinrich auch mit Wolfgang Krebs gearbeitet, mit dem Darsteller von Stoiber, Beckstein und Seehofer. Krebs sah Joe Heinrichs Puppen und fragte, ob er denn auch die bayerischen Politiker bauen könne. Heinrich konnte. Vier bis fünf Wochen brauchte er für eine Figur, bei Ilse Aigner waren es sogar mehr als drei Monate. Es ist nicht leicht, den richtigen Ausdruck eines Menschen zu treffen, es ist wie bei einer Karikatur: Manchmal dauert es lange, bis man die Augen genau so trifft, dass Aigner wirklich als Aigner sichtbar wird.

Ilse Aigner sitzt in Joe Heinrichs Werkstatt. Man kann sie anfassen. Man greift in Schaumstoff. Darunter befinden sich eine Mechanik aus Alu und Kunststoff und ein beweglicher Kiefer. Das Auffällige an Aigner ist die schwarze Betonfrisur. Heinrich hat mehrere Lagen Lamellen-Pappe verwendet und dann eine Stoffhaube darüber gezogen. Mittlerweile treten Seehofer, Stoiber, Aigner und Söder in dem Satire-Magazin Quer auf, das von Christoph Süß moderiert wird. Heinrich bewegt dort die Aigner-Puppe. Er hat sich das, wie so vieles, selbst beigebracht. "Man muss das trainieren wie ein Musikinstrument", sagt er.

Wolpertinger, Darth Vader und Ilse Aigner

In seiner Werkstatt sitzt der Wolpertinger neben Ilse Aigner, und man kann das durchaus als Symbol sehen - für Joe Heinrichs künstlerische Bandbreite. Im Frühjahr 2013 ging er erstmals mit seinem eigenen Programm auf die Bühne, mit dem Wolpertinger, mit Darth Vader und Luke Skywalker, die Mannheimer Dialekt reden, und mit einem schwäbelnden Metal-Sänger. Seine Puppen sind eine nette Verpackung für harte Botschaften.

Joe Heinrich hat kein Vorbild für das, was er tut. Wie er es tut. "Ich habe Leute, die ich beobachte und gut finde", sagt er, "aber die sind fast alle gänzlich unbekannt". Er nennt einen australischen Puppenspieler. Auch der beackert keine einfachen Themen.

Bekannt würden heute eher Typen, die mit T-Shirt und Jeans auf die Bühne kämen und aus ihrem Alltag erzählten, sagt Heinrich. Diese Stand-up-Comedians, die von der Regel ihrer Freundin berichteten und "sich über Menschen lustig machen, die sowieso schon verloren haben". Heinrich trifft sie auf den Open Stages, oft fühlt er sich da fremd. "Wenn ich von Pelzkragen an Anoraks rede, dann winken die ab, die wollen nichts Kritisches hören." Ihn, Joe Heinrich, empört das schon noch: dass zum Beispiel Millionen Marderhunden das Fell für die Anorak-Kragen abgezogen wird - bei lebendigem Leib. Er wolle nicht missionieren, sagt er, aber er "will sich nicht irgendwann selbst vorhalten: Warum hast du nicht wenigstens was gesagt?"

Joe Heinrich ist nicht gut vernetzt, er hat keine Agentur, er macht keine Musik auf der Bühne, sondern kommt wie Woody Allen oder die Marx Brothers fast ausschließlich über die Sprache, er ist nicht vom Fernsehen bekannt, weil er bloß die Puppen baut und bewegt, er steht am Anfang seiner Kabarett-Karriere und er bringt sperrige Themen auf die Bühne - all das führt wohl dazu, dass er meistens vor 20 oder 25 Leuten auftritt. An diesem Freitag spielt er in der kleinen Bar des Schlachthofs in München. Im großen Saal spielt der Musikkabarettist Michael Krebs.

© SZ vom 20.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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